Dienstag, 9. Juni 2020

Black lives matter


Black lives matter – aber hallo!
(„Schwarzsehen“ im Wandel der Zeit)
Vorausschicken will ich dies: Meine Oma, ich erwähnte an dieser Stelle schon häufig die für mich große Philosophin Martha Becher, murmelte vor ihrem Fernsehgerät bei jeder passenden, sich bietenden Gelegenheit: „Ach, die armen Neger.“ Ihre Stimme kippte – sie war herzberührt – aber bitte, wir sind zwei Generationen weiter, das ist heute nicht mehr politisch korrekt, auch ich lerne dazu (wenn ich auch eidesstattlich versichern könnte, es lag keine Hochnäsigkeit, keine Verachtung, kein zu vermutender Rassismus in diesem aufrichtigen Bedauern – es war grundehrlich, das garantiere ich). Gut, das will heutzutage keiner hören, schon klar.
Vorhin, es ist vierzehn Uhr, ich habe eine kleine deutsche Rentner-Siesta eingelegt – sehe ich gegenüber einen schwarzen Paketzusteller. Die Nachbarn sind jetzt mit dem Hund unterwegs, woher soll er das wissen, also signalisiere ich ihm am Fenster, zu mir herüber damit. Ich latsche die Treppe hinab, räuspere mich, denn ich weiß, bei diesem dunkelhäutigen Boten muß ich das gute Deutschland präsentieren, also reiße ich die Tür auf, recke die Faust in die Luft und brülle: „Black lives matter!!!“ Er ist derart zurückgezuckt, daß er an mein Auto vor der Haustür mit seinem Rücken anschlägt. Die legendären Augäpfel ziehen sich allmählich bei ihm wieder zurück, und das Päckchen - es wirkte einen Moment, als wolle er damit jonglieren - aber jetzt hat er auch dieses wieder fest im Griff.
Ja, also…äh – yes, alles klar.“ Er zückt nach Handhabung seines Kontroll-Gerätchens die eine Hand auch freundlich in die Höhe, lächelt erleichtert, legt mir die Postsendung wegen Corona auf die Schwelle, mustert mich, zum Gehen gewandt, unablässig. Also muß ich noch einen draufsetzen: „Welcome in Germany.“
Ja, also…äh – danke, thank you.“
Mit „Have a nice day, my friend!“ lasse ich ihn dann auch schon ziehen.
Ich bin aber auch Deutscher, also, äh…“ sagt er noch zu mir betont freundlich lächelnd – und ich tappe nicht in die Falle, von wegen, klar doch, mag sein, aber Ihre Eltern, die Familie und so, wo kommen die denn wohl her…nein, das wird nicht gerne gehört, weiß ich aus aktuellen Interviews mit Menschen, die erkennbar einen Migrationshintergrund haben.
Ich behandele ihn ganz normal, ganz einfach wie jeden anderen Deutschen auch. Ist doch klar.

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