Mittwoch, 27. September 2017

Die Crux in der Kunst

Die Crux in der Kunst
(hier am spezielle Beispiel von Literatur und Film)


Nicht auszudenken, eine Weltgeschichte der Literatur (gilt übrigens auch für die Welt des Films) – OHNE Schilderung des eigenen Lebens der Schreibenden – und damit verbunden deren persönliche Umfelder: Familie, Beruf, eben die sie umgebenden Menschen, gemachten Erfahrungen und deren Erlebnisse. Da bliebe nicht viel übrig, glauben Sie mir.
Mir fällt da soeben Berthold Brecht ein, der sinngemäß verlauten ließ, für die Familie des Dichters sollten dessen Bücher verboten sein. Ich hole weiter aus: Dem ganzen Umfeld des Schriftstellers sollte der Zugang unmöglich gemacht werden, es wäre friedvoller. Es liegt doch auf der Hand, alle wollen nur zu gerne alles wissen: Aber nichts so wirklich über sich selber, fühlt sich doch gleich jede und jeder falsch dargestellt, auch wer nur im Ansatz als Orientierung erkennbar zu sein scheint (und der Knaller: manche erkennen sich selbst gar nicht als Vorlage – aber hämisch die anderen drum herum!).
Fast alle mögen Krimis – keiner würde aber gerne Täter oder gar Opfer sein. Begeistert in die Töpfe anderer reinschauen, völlig klar, nur „in mein Dippe aber schaut mir keiner!“ Es ist die Natur des Menschen, neugierig zu sein, aber gerne die eigene Privatsphäre weitgehend zu wahren. Es gibt hierzu wunderbare Anekdoten aus der Literaturgeschichte (z.B. Thomas Mann am Krankenbett von Gerhart Hauptmann, der sich später im Werk seines Nobelpreis-Nachfolgers wiedererkannte, sich unvorteilhaft geschildert empfand und es diesem bis ans Ende seiner Tage verübelte). Köstlich, noch in den höchsten Regionen der Literatur diese Eitelkeiten! Niemand ist also frei davon.
Ach, Hand aufs Herz: Nahezu jeder Mensch sieht sich im Grunde gerne gut wahrgenommen, doch bitte überaus positiv – möglichst im eigenen Sinne.
Was hierbei nicht bedacht wird, ist die nüchterne Erkenntnis, daß es stets nur DIE EINE Wahrheit ist. Es gibt mehrere – nämlich so viele, wie es Sichtweisen gibt. Und da rede ich noch nicht einmal von künstlerischer Freiheit, vom Verfremden, von Phantasie, oder einfach nur dem Hinzufügen oder Weglassen.
Es ist wie bei einem Unfall mit den Zeugenaussagen: Jeder hat es anders wahrgenommen, stellt Details anders dar, meint sich an etwas mehr zu erinnern oder weiß von irgendetwas nichts – gezielt oder unbewußt auslassend.
Nehmen Sie eine einfache Liebesbeziehung zwischen ZWEI MENSCHEN (an dieser Stelle bitte beachten: mein Bemühen, gendergerecht zu formulieren - irgendeine Spitze muß schon sein) – an die gemeinsame Liebe ist viel an beiden subjektiven Erinnerungen deckungsgleich, aber hören Sie mal beide Seiten, wenn es den Bach runtergeht…objektiv geht mit Sicherheit gar nichts!
Reine Phantasie ist kaum machbar. Immer wird alles irgendwie und durch irgendwas beeinflußt (nicht nur im Zeitgeschehen, dies gilt auch für das Genre mit utopischen und weltfernen Irrealitäten). Denn der Mensch, der schöpferisch tätig ist, kocht letzten Endes auch nur mit Wasser. Aber irgendwo muß er es auch herholen. Niemand wird von Luftsuppe satt. / Nahezu ausschweifend habe ich mich schon ganz früh hierzu ausgelassen*
Mit anderen Worten: Für jedes GELUNGENE literarische Erzeugnis (gilt auch für Filme) wird es Beifall geben, Lobhudelei auf breiter Front – aber irgendwo in einer Nische… wird geschmollt. IMMER! Und mit diesem Risiko leben AutorINNen (ich habe es wieder getan) wie Filmschaffende. Und nun sage noch einer, es sei kein gefährlicher Beruf!


*Über das Schreiben, die Literatur und das Menschsein, Essays und Dissertation
(1969 - 1974)

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