Sonntag, 6. April 2014

WUTBÜRGER

Verpißt Euch!

- ein ungeplanter Horrorfilm –

Ja wirklich, ich pausiere nun. Es ist ungewollt gekommen, aber ich denke, es ist auch besser so, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Schief gelaufen ist es mit dem doch gut gemeinten Kurzfilm, den ich drehen sollte, geehrt hatte ich mich gefühlt, daß man mich damit betraut hatte. Und ich bin dann auch ein wenig hochnäsig an die Sache herangegangen, das räume ich ein, wollte vor allen Beteiligten erfahren und souverän wirken – ich war guten Mutes …

Um es kurz zu machen, ich wollte ganz bewußt nicht lange proben; spontan sollte es kommen, aus einem Guß sozusagen. Die Kameras hatte ich wohlbedacht auf verschiedene Blickwinkel einstellen lassen, die Gesamtaufnahme für das offene Lokal in der Einkaufspassage aus zwei Richtungen bestens erfaßt, die Feineinstellung auf besagten Tischbereich des Schnellrestaurants ausgerichtet. Keine Sprechproben nach vorgegebenem Text, keine penible Zuteilung der Zeitanteile - frei Schnauze eigentlich, das war alles kühn überlegt. Der letzte Schliff dem Schnitt vorbehalten, fertig und aus.

Und dann waren wir bereit, den „Wutbürger“, den Mann von nebenan loszulassen, den unscheinbaren Jedermann, der Zivilcourage zeigt, seinem Herzen im Sinne der Zuschauer mutig Luft macht. Der kleine, ältere, dicke Herr sollte in das weitläufig überschaubare Lokal entspannt hereinkommen, sich kurz umschauen, vereinbarungsgemäß betroffen stutzen und kurzentschlossen zielstrebig auf den Tisch mit der radikal ausschauenden Bande zugehen und loslegen, wie es ihm zumute war. Verstört sollte die Gruppe der gewalttätig Anmutenden reagieren, betreten und fassungslos konsterniert letztlich das Feld räumen. Couragiert Klartext reden, soweit die Vorgabe, so war es gedacht mit diesem Werbespot über die unerhört tapfere Wehrsamkeit des vermeintlich eingeschüchterten Bürgers. Und dann ging es los.

Der Laiendarsteller kam hereingeschlendert, schaute sich souverän um, erblickte sein Ziel und ging spontan zielstrebig …auf den falschen Tisch zu. Unsere postierte Gruppe der tätowierten Skinheads befand sich doch zwei Tische weiter! Es war in der Zwischenzeit eine Gruppe Neonazis hereingekommen, hatte Platz genommen; manche Gäste waren postwendend aufgestanden und hatten das Weite gesucht …und nun, unser Darsteller trat an den Tisch mit den kahlgeschorenen Schwarzträgern und hielt nicht hinter dem Berg, mit seiner Standpauke: „Verpißt Euch, aber dalli-dalli, Ihr gottverdammten Kanalratten – ab, macht Euch bloß aus dem Staub, sonst setzt es was! Sowas dulden wir hier nicht, aber zackig, Ihr …“ und ab da war er nicht mehr zu verstehen.

Seine Tochter sagt uns, sie habe ihn eindeutig wiedererkannt, auf der Intensivstation, sie meint es jedenfalls. Beschwörend hat sie es uns glaubhaft versichert. Und die Geräte zeigen auch an, daß er lebt!

Ich glaube, ich mache keine Kurzfilme mehr – jedenfalls nicht in realer Umgebung. Nicht alle Leute sind reif für die Kunst. Perlen vor die Säue, sage ich nur!

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