Sonntag, 9. September 2012

Alltägliches II


Alle Tage: Alltägliches
II
-  Aus meinem Leben als GiftzwergMÄÄN –

26. Juni 2009
Jacko ist tot. Die Trauer um Michael Jackson treibt mich in die Innenstadt. Ich denke an seine Auftritte, alles geht mir sehr nahe. Ich renne durch die Geschäftsstraße, und da mir der Moonwalk nicht gelingen will, greife ich mir fortlaufend in den Schritt und kiekse ohne Ende.
   Und doch ein Ende – eine Polizeistreife stoppt mich, Erregung öffentlichen Ärgernisses, ich habe mit einer Strafanzeige zu rechnen, unweigerlich.
   Ich verstehe das nicht, die Zeiten haben sich doch geändert. Elvis wurde noch angeprangert, Elvis The Pelvis, sein Hüftschwung wurde zunächst entrüstet verworfen. Aber heute? M. J. hat 750  Millionen Tonträger verkauft, Millionen haben seine konzertanten Bühnendarbietungen verfolgt – das hat sich doch alles geändert …
   Und der Gleichheitsgrundsatz – ist es nach wie vor nicht dasselbe, wenn zwei das Gleiche tun? Es heißt doch Gleichheitsgrundsatz, nicht Selbergrundsatz.
   Also wirklich, nichts darf man.

***

Bettina, pack ein
Ich hatte eine schlechte Nacht. Ich mußte grübeln. Sollte ich mitmachen? Die Regenbogenpresse siedelt heute, im September 2012, die Ehefrau eines bekannten Politikers, der vor Kurzem grandios und monetär brillant gescheitert ist, im Rotlichtmilieu an – Parteibonzen wollten, bevor er gestürzt wurde, ja noch bevor er überhaupt den Idealposten ergatterte, ihm die Vergangenheit seiner neuen Frau madig machen. Die Journaille läßt auch jetzt nicht locker, sie kocht alles auf, sogar ohne Rücksicht auf das bereits vergangene Sommerloch. Nun wehrt sich die der Vergessenheit anheimzufallen drohende Dame mit publikumsintensiven Unterlassungsklagen, auch gegen den Schwiegersohn der Nation, Jauche-Günni. Paukenschlag – ja, also sooo geht es nun wirklich nicht! Da muß frau nun auch aber mal …
   Eine Hand wäscht die andere – ihr Enthüllungsbuch erscheint doch bald, schon mal ordentlich wirbeln. Nichts promotet besser als Skandälchen.
   Tja, und nun weiß ich nicht so recht – wenn mir doch auch so eine Klage ins Haus flöge, das würde den Knoten platzen lassen – dann hätte auch ich es geschafft, über Nacht! Ich könnte mir alles über die Presse verbitten, mich erstmalig groß präsentieren – was für eine Möglichkeit …
   Ach komm, ich schaffe es auch ohne kesse Blondine.

***

Neulich im Supermarkt
Vor mir schiebt eine ältere Dame ihren Einkaufswagen zielstrebig auf einen Verkäufer zu, der gerade neue Ware in die Regale verfrachtet.
   „Junger Mann, wo haben Sie denn Ihren Samenständer?“
   Verwunderung, kurzes betretenes Schweigen. Dann schaut er von der Dame zu mir, danach gleitet sein Blick an seinem Kittel abwärts, er blickt wieder zu mir. Ein kurzes, leichtes Grinsen, dann sagt er mit todernstem Gesicht zu der alten Lady: „Ja – wie meinen Sie das denn jetzt?“
   Ich pruste los, der Schelm grinst verschmitzt. Die erwachte Furie greift entschlossen ihren Wagen, murmelt was unverständlich – aber mit Sicherheit nichts Freundliches – und wir Kerle wischen uns die Tränen aus den Augen.
   Direkt rechts von uns stand das Regal mit den Sämereien – sie war verbissen daran vorbeigelaufen; wir haben sie nicht zurückgerufen.

***

 Der Ruf
Heute Morgen, auf einmal, war er wieder da – der Ruf.  Ich erwachte und erkannte: Es war die Deutsche Literatur.
   Mir ist bewußt, wie melancholisch sie ist, masochistisch im Grunde genommen, denn wer sich so den Buchmarkt anschaut, die Bestseller, das, was so besonders gut geht, wer sich all diese Blähungen reinzieht und auch noch meint, selber mitfurzen zu müssen, so was muß ja krank machen, daran mußte sie doch leiden, die arme Literatur...
   Und nun war sie wieder einmal bei mir angelangt – und sie rief:
   „Steh auf, giftzwergMÄÄN, tu mir ordentlich weh, komm, mach es!“
   Und ich gehorchte. Ich versetzte ihr erneut einen gehörigen Tiefschlag.

1 Kommentar:

  1. ich liebe deine Kurzgeschichten... muss oft im Wörterbuch nachschlagen aber das ist auch gut :)
    Warte auf nächste.

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Danke! ;)