Flohmarkt
mal wieder
(diesmal
von der anderen Seite gesehen)
Ich
sehe den Yuppie-Schnösel schon aus zig Metern Entfernung
nähertänzeln. Er geleitet eine Grinse-Tussi, in seinem Besitzerarm
eingewickelt – sie ist durch und durch blond, das kann ich schon
hören.
Ausgerechnet
an meinen Bücherkisten verharren sie; also er stoppt den
Zweierverbund, mich schräg und schnell geringschätzig musternd. Er
hat schon jetzt die volle Punktzahl bei mir.
„Schauen
wir mal, was wir hier so haben.“ Er klingt genauso wie er
ausschaut, großkotzig, scheinbar jovial, selbstverliebt. Oh ja, so
einen mag ich auf Anhieb.
„Dürrenmatt,
na wer sagt‘s denn!“ Natürlich näselt er modern. Prompt hebt
sie entsprechend quäkend und kichernd zu „Dürr-was?“ an, da
blättert er durch die gebundene Gesamtausgabe; er hat ihr den Schutz
seines rechten Armes entzogen, sie schmiegt sich sofort an ihn, weiß
so gar nicht, wohin sie schauen soll - ins Buch auf keinen Fall. Sie
schaut für alle Fälle zu ihm hoch. Ich warte, daß sie keck ein
Beinchen hochstellt – na, kann nicht lange dauern.
„Wieviel?“
fragt er hochmütig, und ich weiß, die drei Euro akzeptiert er
nicht, er will sich ja in seiner Selbstbewunderung produzieren –
und mich nebenher noch vorführen.
„Was?
Hab‘ ich richtig gehört? Soso, drei Euronen. Nicht gerade meine
Preisvorstellung, ist ja hier keine Buchhandlung – kann man am
Preis noch was machen?“ Affektiert und breit grinst er mich mit
seinem blendend weißen Zahnpasta-Reklame-Gesicht an, derweil sie mit
offenem Mündchen aufgeregt von ihm zu mir mit törichtem
Augenaufschlag schaut. Er überfliegt das Inhaltsverzeichnis, meint
nun glänzen zu müssen und schnarrt: „Nicht mal Es
geschah am hellichten Tag ist
drin!“ Ich gebe ihm zu verstehen, daß die Novelle im Original
schließlich Das
Versprechen heiße.
Schnell geht er über meinen Einwand hinweg und wendet sich an seine
gickelige Schnepfe. „Hat er für den Rühmann geschrieben, weißte!“
Sie schaut ihn leer an. „Der Filmklassiker – kennste!“ schickt
er nach, immerzu sich eine Gel-Tolle vom linken Auge streichend. Mir
wird langsam schlecht, ich halte mich aber zurück. „Was Du auch
alles weißt, Schnucki!“ zirpt sie ihn schmachtend an.
„Also
– neuer Preis?“ Sogar durch Hochziehen der Augenbrauen versucht
er sich noch größer zu machen. Ist das Kajal an seinen Augen? Vor
mir hat sich nun ein Prachtbild von einem ewig jugendlich dynamischen
Mann mittleren Alters aufgebaut, wie ein entlaufener Kleiderständer
mit den angesagten Marken. Bestimmt Abiturient fürs Leben. Der
Drei-Tage-Bart hat sicherlich viel Aufwand erfordert. Oh, wie bin ich
oller Bücher-Verscherbeler beeindruckt. Wo er sich doch bereits als
versierter Literatur-Durchblicker zu erkennen gegeben meint.
„Klar
doch“, sage ich, „am Preis kann ich was machen – sagen wir,
weil Sie es sind: drei fünfzig?“ Er ringt nach Luft, mies gespielt
wie von einem zweitrangigen TV-Soap-Darsteller. Die Anschmiegsame
scheint meine kühne Forderung sogar leidlich verstanden zu haben,
reißt Augen und Mund auf und kichert mit ihm irritiert um die Wette,
voller Verunsicherung den Blick hin- und herwerfend. Bestimmt geraten
beider Duftwolken nun durcheinander.
„Also
klar Meister – nach unten natürlich!“ Beide verdrehen
einträchtig die Augen. Er weist herrisch mit vermutlich manikürten
Fingerchen auf den Boden vor sich.
Ich
schaue kurz aber betont über meinen Stand hinüber, direkt vor den
beiden auf den Boden. „Nun gut, ich will nicht so sein, kann Sie
doch gut verstehen – wir sind bei drei fünfzig – ich gehe runter
auf … drei Euro – mehr Entgegenkommen ist aber nun wirklich nicht
drin.“ Tückisch mache ich eine Kunstpause. „Hören Sie mal genau
hin, kriegen Sie es mit?“ Verschwörerisch vereinnahme ich beider
Aufmerksamkeit. „Können Sie es hören? Bis hier ist es zu
vernehmen.“ Zwei blöde Gesichter starren mich an. „Hören Sie
mal…“ Gebieterisch hebe ich einen Zeigefinger, unwillkürlich
kommen die beiden teuer frisierten Köpfe ein wenig näher – und
ich wispere unheilschwanger: „Meine Kinderchen schreien nach Brot.“
Er
greift sein Blondchen so plötzlich, daß sie fast hinfällt, ehe sie
wieder ihre Stöckelschuhe staksig in tackernden Trippelschritt
bringt. Ihr Seitenblick streift mich voller Verachtung, als wäre mir
das Geschäft meines Lebens entgangen: das habe ich nun davon.
Irgendwas flucht er höhnisch prustend vor sich hin und findet wohl
auch Beschreibungen für mich, denn sein Liebchen pflichtet ihm
eifrig bei.
Sicherlich
werde ich heute Abend wieder mit Tränen im Bett liegen – vor
Lachen.