Mittwoch, 30. Januar 2013

Werbung



„Wie doof geht das denn?“

An das schwachsinnige Deutsch südostländischer Mitbürger hat man sich gezwungen schmunzelnd beinahe gewöhnt, doch die Werbung schlägt nun auch gnadenlos mit Dumpfbacken-Deutsch zu. Der Renner: Prägnante Formulierungen, nach unten schier grenzenlos unerträglich.
   Da haben wir zunächst die noch halbwegs sprachlich geratenen flockigen Sprüche wie
Ich bin doch nicht blöd;
Wer, wenn nicht wir;
Alles, aber günstig.
   Dann die ausgefuchsten Drechseleien wie
Geiz ist geil;
Das Wir gewinnt;
Mein Ein für Alles;
Erfinde Dich neu;
Wir sind es uns wert.
   Und die vorläufige Talsohle (Nichtkenner von Reklamen, bitte anschnallen):
Hier ist alles Auto;
So geht Bank/Reisebüro heute;
Willkommen beim Preis;
Wir leben Autos;
Zukunft ist jetzt Zuhause;
So viel billig gab’s noch nie;
Mach Dir Freude auf;
Mehr Urlaub, mehr billig;
Käse mit Heimat;
(Produkt) macht das Würstchen;
Sieh es doch mal (Produktname);
Mehr Preis geht nicht.

Eine lebendige Sprache, das Deutsche – aber doch bitte nicht lebendig begraben!

Wörterbuch-Slogans sind zu befürchten wie:
So wenig klug war noch nie;
Ich erinnere Deutsch;
Neusprech: Das geht gar nicht;
Alles Sprache oder was?

Sonntag, 20. Januar 2013

Mützenzwang



Mützenzwang

Auf einmal fiel mir Angela Winkler ein, in dem Film Die Verweigerung  (deutsche Studentin in Paris unter vermögenden Müßiggängern – die jungen Damen müssen für benötigtes Geld alles für die Unterhaltung der Snobs tun; das Neueste: Ein Reitparcours mit Hindernissen für die weiblichen Fohlen; die Mädchen brauchen das Geld, sie hüpfen ergeben, nur die Deutsche nicht – sie verweigert, geht heim nach D). 
   Und heute? Gerade ist wieder Dschungelcamp, nur eines der vielen Beispiele, wie sich die Zeit geändert, weiterentwickelt hat: Für Geld tun gefühlte E- und F-„Promis“ unzweifelhaft alles. Der Sohn von, die Mutter von, der Bruder von …. und der wahre „Star“ aus der Familie ist gefühlte C-Klasse, allenfalls. Unsäglich: für Momente des zweifelhaften Ruhms alles außer Fäkalien fressen (und auch das scheint mir nur eine Frage der Zeit). Befremdlich: Auffallen durch außergewöhnliche Dummheit zum Ergötzen des Publikums. Im rechten Moment eine plakative Jammerstory offenbaren – eine erschütternde Lebensbeichte vertraulich zu einer Kurzfreundschaft geäußert, für Millionen mitzuerleben. Unbestritten: Jedes Menschenleben ist sinnvoll, jede Seele einmalig wichtig. Aber solch versammelte Banalität zelebrieren lassen – eine Leistung, das zu vermarkten.

   Curt Jürgens sagte schon zur Journaille: Egal, was Sie schreiben – aber schreiben Sie über mich!
   Auffallen, für Minuten im Gespräch sein. Tattoos, Piercings für Jedermann, jede  Mitläuferin, allüberall Wellenreiter, immer dabei sein. Um Himmels Willen nur keinen Trend verpassen! Und nun: Mützen (Pardon: Beanie).
   Seit einiger Zeit tragen sie alle, die danach lechzen, jemand zu sein, Mützen, egal wie warm es ist und wie dünn das Haar: Mütze auf! Früher war es das überall gültige Erkennungsmerkmal für den Ortsdepp. So konnte auch ein Ortsfremder sogleich, wenn die arme Kreatur nicht durch Sabbern und spastische Verrenkungen auffiel, den versteckt vorhandenen Defekt untrüglich erahnen – vorsichtig sein, einen Verrückten umgehen. Einfach ignorieren, nicht ernst nehmen, jovial auf seinem Weg belassen. Der mit der Mütze, der Schwachkopf des Bezirks. Und heute? Die Narrenkappe fürs ganze Jahr, das ist der hippe Typ im Hier & Jetzt, ganz klar.

   Ich bin nun schon älter, damit nicht aufgewachsen, nicht reingeboren. Dennoch zweifele ich: Auch früher mußte man nicht alles mitmachen. Es war möglich, ohne moderne Fürze ein duftes Leben zu führen. Es geht, Ihr modischen Dummerle da draußen, es geht wirklich! Glaubt mir, eines Tages lacht Ihr Euch weg, um nicht im Boden zu versinken, wenn Ihr alte Bilder anschaut – unser Fremdschämen übernehmt Ihr dann nahtlos als eigene Peinlichkeit, unauslöschlich.

   Erbärmliche Kleingeister buhlen um ein wenig Aufmerksamkeit, um jeden Preis. Erlesene Exemplare zelebrieren es für die Schwachmaten von nebenan. Mit Eurer Sprache: Wie peinlich ist das denn …

*  *  *

                      Nach dieser „Empörung“ noch etwas zum Schmunzeln:

Samstag, 5. Januar 2013

Sternsinger



Sternsinger-Kidnapping

Dies ist keine der ach-so-schönen Geschichten, gewiß nicht, aber sie ist auch wiederum nicht gar so schlimm, daß man sie nicht weitererzählen könnte. Und es ist nicht, wie es vielleicht der Titel vermuten lassen könnte, ein neuer „Verbrechenszweig“ oder der Aufruf, anderer Leut‘ Kinder von ihren selbstgewählten, gutgemeinten Tätigkeiten abzuhalten - es ist nur ein Problem, welches sich in einer neuen Umgebung einstellen kann.
   Wir haben gebaut, wohnen in einer völlig neuen Umgebung, spärliche Kontakte mit der uns noch unbekannten Nachbarschaft auf „Guten Tag“ – „Guten Tag“ und „Neu hier?“ – „Ja“ beziehungsweise „Wir sind neu hier“ – „Ach was“ beschränkt.
   Und damit hat es sich. Nun möchte man aber mehr aufgenommen sein, und da meine Frau besonders auf gediegenes und pflichttreues kirchliches Leben wert legt, die Kirche aber in der Nachbargemeinde steht, kommen die Sternsinger (Sie kennen das sicherlich: an Heilige-Drei-Könige sammeln Kinder für Kinder in der Dritten Welt) – kommen also die Sternsinger am Dreikönigstag bei uns vorbei. Dies ist aber wörtlich zu nehmen, denn sie kamen die beiden vergangenen Jahre in dieser neuen Umgebung nicht zu uns, sondern sie gingen tatsächlich an unserem schönen neuen Häuschen vorbei.
   Nun wußte ich, was uns blühte, da setzte Wehklagen und Entsetzen ein: „Wir sind geächtet, ausgestoßen!“ und meine unermüdlichen Beschwichtigungen hielten erfahrungsgemäß bis zum Mai an – und das, nach zweimaligem Durchleben, sollte mir nicht zu Tradition werden.
   Um diesem gemütszerfleischenden Übel vorzubeugen, kam mir, als ich an diesem 6. Januar auf dem Heimweg von der Arbeit nach Hause war, mit einem Male ein Gedanke, ausgelöst im Nachbarort durch den Sichtkontakt zu einer dekorativen Vierergruppe: Voran der ältere Sternträger, der auch gewöhnlich mit dem Inkassogeschäft betraut ist, den Stern auf einer langen Stange wie ein Banner voraustragend Achtung, Zahltag – Geldbörsen bereithalten!  (Kinder können mitunter sehr würdevoll Aufgaben wahrnehmen, mit einem unüberbietbaren Ernst auch die kleinsten Aktionen regelrecht vollstrecken, daß es einen gruselt) - dahinter dann die drei Könige, einer davon natürlich in schuhcremeschwarz. Ihrer angesichtig, war die Idee plötzlich da: Ehe es dieses Jahr daheim wieder schiefgeht, könnte ich doch eigentlich vorbeugen …
   Gedacht und angehalten, schon begannen meine Verhandlungen, ohne viel Federlesen und mittels eines recht ansehnlichen Geldscheines kamen wir ganz schnell auf den Punkt der Sache (die Höhe des Geldbetrages tut aus Scheinheiligkeitsgründen nichts zur Sache), eines nur kurz angerissen – damit hatten sie vor Pfarrer und Küster einen klaren Trumpf bei der Abrechnung in der Hand.
   Verhandelt und beschlossen: Sie fuhren mit, den Stern aus dem hinteren Fenster an der ungeheuerlich langen Stange hinausragend. Es war eine Viertelstunde kalkuliert, ich würde sie auch sofort nach erfolgter Vertragserfüllung –natürlich hatte ich vorher zu blechen- zurückbefördern.
   Ich hieß sie aussteigen, kam daheim an wie jeden Arbeitstag, nicht ohne locker das längst angestaute Unruhegefühl bei meiner Frau gelassen zu überhören „Nein, sie sind auch dieses Jahr nicht gekommen, die umgehen uns, die meiden uns, die…“ und die Kartoffeln waren auch schon angebrannt.
   Und schon klingelte es. Ein Gesang hob an, lieblich wie ein Engelschor. Gerührt und vollauf zufriedengestellt teilte meine Frau die Süßigkeiten aus, die sie längst griffbereit bereitliegen hatte, vorsorglich und bänglich hoffend – und zum Schluß gab es den ansehnlichen Geldschein (daran hatte ich allerdings nicht gedacht, war ein echtes Versehen infolge der bedrohlichen Gedanken, daß es zum dritten Male schiefgehen könnte). Mit inbrünstiger Genugtuung betrachteten wir erleichtert das betont kräftige Bekreiden der Königsinitialen auf den Rahmen unserer Haustür C+M+B*1987 (Caspar, Melchior und Balthasar oder richtiger: Christus Mansionem Benedicat / Christus segne dieses Haus).
   Kurz und gut, ich knipste hinter dem Rücken meiner entzückten Frau mit einem Auge den vier Strahlekindern zu, weil ich sie gleich, wie vereinbart, in ihr heimisches Territorium fahren würde.
   Offiziell verabschiedeten wir uns, schlossen die Türe – und da noch Kartoffeln frisch zu kochen waren, fiel mir plötzlich eine unaufschiebbare Erledigung ein, die ich in zehn Minuten zu bewältigen versprach.
   So karrte ich die vier ungeduldig Wartenden von der vereinbarten Stelle hinter einer Kurve zurück zu ihrer eigentlichen Arbeitsstrecke, und wir schieden in froher Stimmung und verschwörerischer Verschwiegenheit.

   Ich kam gut gelaunt und ob des vollen Erfolges befriedigt nach Hause gebrettert in der Erwartung des beliebten Status Alles-eitel-Sonnenschein, da stand im Hauseingang meine Frau, die Arme verschränkt: Direkt vor ihr die heimische Gruppe Sternsinger, die lautstark ihr Platzrecht bekräftigte, von „unzuständiger Einmischung, und was für welche das eigentlich gewesen seien und da könne ja gleich jeder kommen“ hektisch und erregt durcheinander schimpfend.
   Mittels dritter Zahlung, und zwar in der wiederum gut bemessenen Höhe, nunmehr eher aber gerade so schlichtend akzeptiert, verabschiedete sich die aufgeheizte Truppe murmelnd mit der Warnung, daß dies aber nicht nochmal geschehen dürfe, sonst müsse man dem Pfarrer melden – und hakten kraft ihrer zuständigen Berechtigung die von den anderen verfertigten Kreidezeichen deutlich ab.

   Die familiären Konsequenzen sollen hier nicht behandelt werden, doch so viel zur Beruhigung: Es wurde sich versöhnt, denn die Indizien sprachen hier wieder einmal für den beschuldigten und gänzlich geständigen Täter, und so wurde auf eine weitere Anklage oder gar Verurteilung verzichtet.