Mittwoch, 24. Dezember 2014

Weihnachtliches Stadtbild

Stadtbild Vierzehn

(Jahr für Jahr und immer weiter)

An Stammtischen in Kneipen kenne ich mich nicht aus, im Café-Depot sehr wohl. Auch immer die gleichen Alten an den Stehtischen, von Sehen kenne ich sie schon. Wenn es nieselt, bleibe ich drin und trinke mein Pausen-Käffchen auf meiner Routinetour (Bücher-, CD- u. DVD-Läden).
   „Der tut wenigstens was!“ Aha, sie haben den Jongleur auf der Geschäftsstraße im Auge. Manche machen auch sowas wie Musik, nach allen Möglichkeiten des Könnens. In der Adventszeit ist reges Treiben angesagt.
   „Aber immer diese jungen Kerle, einfach nur mit einem Hund rumlungern – so einen würde ich sofort ins Tierheim schaffen, armes Vieh.“ „Den Kerl?“ Keckerndes Gelächter.

   Sonst politisieren sie, heute haben sie die armen Schweine aus der Ladenzeile im Visier.
   „Und dann die Arm- und Beinstümpfe zur Schau stellen. Organisiert sind die, Zigeuner – also Sinti und Roma, muß ich ja sagen. Die Weiber ohne Schuhe – manchmal Kinder dabei. Schamlos. Alles organisierte Mitleid-Masche! Eine Großmutter barfuß – ohne Zehen.“ Sie steigern sich. „Wenn ich das Sagen hätte…!“
   Heute kommen sie gar nicht zum Abgleichen ihrer Arzt-Termine, sie beißen sich an den bettelnden Menschen in der Nässe fest.
   „Von wegen Hunger, gib denen mal ein Brötchen…die wollen Geld, nur Geld!“ „Aber nix, nur dem lieben Gott den Tag stehlen, abscheulich. Und die stinken!“ „Da gehört mal wieder ein eiserner Besen her, darf man nur nicht so laut sagen.“


Ich gehe an den Tisch nach draußen, lasse mich naßregnen, egal. Ich brauche Luft. Mir geht es seit einiger Zeit wieder gut. Nachher werde ich ein paar Weihnachtswecken kaufen. Ich denke schon, daß sich manche freuen werden. Natürlich nicht die Lästerbacken im Steh-Café.

Samstag, 20. Dezember 2014

MÄNNERSACHE

Ach, wir Männer
(neue, alte Posen)

Bei Buch-Reklamen, und um die soll es hier nun ausschließlich gehen, lebe ich schon lange mit den unsäglichen Porträtfotos mit kalter Pfeife und/oder grübelnder Kopfstütz-Haltung; windzerzaustes Haar kommt auch nicht aus der Mode. Der unfreiwilligen Albernheit sind hier keine Grenzen gesetzt. So ungeheuer beeindruckend (soll das sein). Kopfmenschen – oh ja!
   Die letzten Jahre wurde ich genervt von Sachbuch-Autoren, immerzu mit im Genick gefalteten Händen und ausgestellten Ellenbogen. Eine Schein-Gelassenheit demonstrierend, schrecklich. Und sooo unantastbar, in der Abwehrhaltung. Selbstzufrieden, in das ICH verliebt. Mustergültige Selbstgefälligkeit. Dem Leser soll signalisiert werden: „Lies mein Buch, dann wirst Du so toll wie ich.“ Ein Scheiß werde ich!
   Es ist eine neue Ära gekommen, abgeguckt bei den allgemeinem Reklamen für jeden Mist: In einem neuen Buchprospekt posieren sieben (SIEBEN!) Autoren auf nur wenigen Seiten mit selbstgerecht verschränkten Armen (in TV-Reklamen kommt noch das obligate Nicken dazu; wichtig: aufrechte Kopfhaltung, Kinn recht hoch!). Das ist in den künstlich gestellten Posen für mich obligat enthalten. Es soll signalisieren: „Na, wie war ich? Sag nichts, ich weiß es doch selbst!“ Quasi eine rhetorische Geste. Könnte mich irgendwas mehr zum Kotzen reizen?
   Ohne sich dem Anschein zu ergeben, metrosexuell zu sein, genügen Dreitagebart und Ohrsticker und was für ein Gesums noch die Eitelkeit verrät, schon lange nicht mehr. Mann-O-Mann. Ein Trauerspiel.
   So erobern wir verlorenen Boden wohl nicht zurück. Mannsbilder auf verlorenem Posten. Bei Frauen ist schon allein das Patschehändchen (am angewinkelten Arm baumelt haltlos das schlaffe Pfötchen) unerreichbar. Diese gezickte Armstellung (hat einer das Handtäschchen gemopst und die Trine bemerkt es nicht?) habe ich schon in jeder Altersklasse gesehen, in bestimmten Lebenssituationen gar beidseitig.
   Ach komm, geh weg – da reichen wir doch nie dran – zu spät, alles verloren und unwiederbringlich, wir haben verspielt. Der Traum vom Achtung gebietendem Manne ist ausgeträumt. Wacht auf, Ihr „Schniedelisten“! Der affige Griff zwischen die Beine, ein vergebliches Unterfangen.

   Da lobe ich mir doch Fotos von Tieren; sie gelten als schwer fotografierbar, es kommt genau auf den richtigen Moment an – aber sie zieren sich nicht, sie posieren nicht, sie sind natürlich. Unbezahlbare Persönlichkeiten.

Donnerstag, 11. Dezember 2014

Der Greenboy bringt’s

Küsschen?

(ein Lover packt aus)

Die ganze Wahrheit – heute früh hat er sie mir erzählt. Ich wußte es, habe es ja geahnt. Ob es an ihm nagte, wollte er sein Gewissen beruhigen? Chico, der grüne Lover, erzählte es mir, wie es so steht um die Zweierbeziehung, schonungslos offen schüttete er sein Herz aus (ein Monolog):

Bist du müde?
Chico? Bist du müde?
Küsschen …Küsschen
NEIN! Chico, nein – ganz lieb.
So isser lieb.
Gaaanz brav, Chico.
Nein, nicht beißen.
-         Kunstpause –
Willst du was haben?
Chico? Willst du was haben?
Lecker-lecker
Hmmmm! Guten Appetit.
Ganz lieb
Brav
-         Gähnen, Niesen, Lachen (alles original Sabine) –
Küsschen? So isser lieb.
Na-a?
MOIN-MOIN-MOIN

Man erkennt die Story: der Flirt, ein Eklat, die Versöhnung, die Belohnung.
Und das dreifache MOIN – sensationell. Nur bei Chico!
Gegen solch einen charmanten Liebhaber kommt MAN nicht an.
Es ist wie es ist. 


Montag, 1. Dezember 2014

Auf den Hund gekommen

Ansichten unter Kerlen

(Typisch Männer, sagen die Frauen)

Es ist schon sensationell, wenn ein Tier mit einem redet. Die Sensation ist aber begrenzt, wenn es nur mit EINEM redet – und dann bist Du es – ganz allein. Es ist völlig klar, daß es in diesem kleinen Kreis bleiben muß, denn platzt Du damit vor anderen heraus, kann es nur schiefgehen.
   STROMER war mir zugelaufen, wir verstanden uns sofort, und daß ich ihn nicht umgehend kastrieren ließ, rechnete er mir hoch an. Kumpanei entstand, und als er auf einmal mit mir redete, also NUR mit mir, war das schon ein Ereignis der besonderen Art. Wir sprachen über die Dinge des Lebens, aber nicht nur – manchmal war ihm so nach Männergespräch, kurzum, er liebte den Herrenwitz. Das hätte ich nicht erwartet. Wenn er für alle vernehmbar vor sich hin jaulte, quengelte, seine Töne machte, bei mir kam seine Sprache an. Und es spielte sich ein. Gingen wir die Geschäftsstraße entlang, dann kamen seine flapsigen Sprüche ‚Boah, die Alte hat ja einen Arsch wie ein Brauereigaul‘ – und ich antwortete ihm unverfänglich, „Ja, wir gehen gleich in den Park, Stromer.“ ‚Hast du das Figürchen gesehen – eine echte Sahneschnitte‘. „Ja Stromer, du bekommst gleich dein Leckerli.“ Verbalerotik, ich wurde von Stromer deftig unterhalten.
   Saßen wir auf einer Parkbank und setzte sich eine junge Frau mit Minirock neben mich, dann vollführte er seine dem Thai-Chi ähnelnden Übungen, um sich in eine bessere Perspektive zu manövrieren, und bald informierte er mich ungefragt ‚sie trägt ein rosa Höschen‘. „Ach Stromer, schmerzt wieder dein Rücken“, beantwortete ich sein Jaulen, und oft entstand dadurch auch ein kleines Gespräch mit der Sitznachbarin, mitfühlend, was denn mit dem armen Hundi sei. Unsere Dauer-Nummer, was für ein Hund er sei, brachte uns immer zu EIN ECHTER STRAGAMI (ach wirklich? So sehen die aus? - und wir lachten später beide über die Worterklärung: Straßen-Gassen-Mischung). Stromer war stolz darauf. War er bei Laune und erkannte, daß die junge Lady ein offenherziges Top trug, machte er die Winsel-Darbietung; undenkbar, daß sich die flotte Lady nicht tief zu ihm bückte, worauf ich ihm auf seine drängenden Fragen hin, wie es ausschaue, ob die Glocken schön läuten, verschwörerisch antwortete, daß wir gleich wieder rauf in die Hügel fahren. Stromer liebte diese Anzüglichkeiten. „Wir müssen noch an Milch denken, Stromer.“ Er begeierte sich dann, weil er wußte, diese paradiesischen Äpfelchen kamen bei mir gut an.
   Neulich im Aufzug wurde es doch brisant. Eine hochmütige Fashion-Mietze taxierte uns verächtlich – Stromer ging es gleich auf den Zeiger wie mir auch. In ihrem Mini, eher ein breiter Ledergürtel, lümmelte sie sich in die äußerste Ecke der Kabine und Stromer wußte, was zu tun war. Er rollte sich in gute Position und jaulte seine Offenbarung postwendend zu mir: ‚Boah Alter ey, kein Slip – eine rasierte Muschi, echt heiß, das Pfläumchen!“ Ich geriet in Not, wußte ja, daß er nur für mich verständlich war, sagte auf ihr gezicktes Quieken hin „Laß gut sein Stromer, wir sind ja gleich wieder im Park“ – als die affektierte Tussi mich wegen des Hundes zu beschimpfen begann. „Halten Sie diese Töle von mir fern, ist ja eine Zumutung, dieser Ungeziefer-Bus, weg da, ksch!!!“ Und Stromer meinte, sie habe einen Denkzettel verdient, beschrieb mir das Intim-Piercing und als wir ausstiegen sagte ich, bevor wir uns abwandten, an meinen ergebenen Hund gewandt: “Ohne Höschen, soso, und dann das Ringelein mit dem roten Steinchen, na gewagt, sag ich nur.“ Ihr ging schreckensstarr der Mund auf, ein schrilles Geschrei entfuhr ihr, ob wir mit Spiegel arbeiten oder was, eine Geschmacklosigkeit sei das, was für ein Sittenstrolch ich sei und derlei mehr. Wir hatten uns schon lachend umgedreht, dennoch rief ich ihr zu „Kein Spiegel, schauen Sie den Hund doch an, nix da – aber ich bin Hellseher, Abrakadabra!“ Und dann entfernten wir Schlingel uns rasch.
   Als Kalinka in der Nachbarschaft einzog, war es uns beiden klar: der Zeitpunkt der unabwendbaren Notwendigkeit war gekommen – die Familienjuwelen mußten ab … also seine. Ich hatte mich ja in meinem Alter schon eine gehörige Weile im Griff, notgedrungen. Und Stromers Gejaule war auf einmal auch für meine Ohren nichts mehr als Gejaule.

   Was aus uns beiden geworden ist – wir sind ein brüderliches Team, nach wie vor, nonverbal sozusagen, Blicke reichen. Reicht irgendwie, muß es doch auch geben.