Ansichten unter Kerlen
(Typisch Männer, sagen
die Frauen)
Es ist schon
sensationell, wenn ein Tier mit einem redet. Die Sensation ist aber begrenzt,
wenn es nur mit EINEM redet – und dann bist Du es – ganz allein. Es ist völlig
klar, daß es in diesem kleinen Kreis bleiben muß, denn platzt Du damit vor
anderen heraus, kann es nur schiefgehen.
STROMER war mir zugelaufen, wir verstanden
uns sofort, und daß ich ihn nicht umgehend kastrieren ließ, rechnete er mir
hoch an. Kumpanei entstand, und als er auf einmal mit mir redete, also NUR mit
mir, war das schon ein Ereignis der besonderen Art. Wir sprachen über die Dinge
des Lebens, aber nicht nur – manchmal war ihm so nach Männergespräch, kurzum,
er liebte den Herrenwitz. Das hätte ich nicht erwartet. Wenn er für alle
vernehmbar vor sich hin jaulte, quengelte, seine Töne machte, bei mir kam seine
Sprache an. Und es spielte sich ein. Gingen wir die Geschäftsstraße entlang,
dann kamen seine flapsigen Sprüche ‚Boah, die Alte hat ja einen Arsch wie ein
Brauereigaul‘ – und ich antwortete ihm unverfänglich, „Ja, wir gehen gleich in
den Park, Stromer.“ ‚Hast du das Figürchen gesehen – eine echte Sahneschnitte‘.
„Ja Stromer, du bekommst gleich dein Leckerli.“ Verbalerotik, ich wurde von
Stromer deftig unterhalten.
Saßen wir auf einer Parkbank und setzte sich
eine junge Frau mit Minirock neben mich, dann vollführte er seine dem Thai-Chi ähnelnden
Übungen, um sich in eine bessere Perspektive zu manövrieren, und bald
informierte er mich ungefragt ‚sie trägt ein rosa Höschen‘. „Ach Stromer,
schmerzt wieder dein Rücken“, beantwortete ich sein Jaulen, und oft entstand
dadurch auch ein kleines Gespräch mit der Sitznachbarin, mitfühlend, was denn
mit dem armen Hundi sei. Unsere Dauer-Nummer, was für ein Hund er sei, brachte
uns immer zu EIN ECHTER STRAGAMI (ach wirklich? So sehen die aus? - und wir
lachten später beide über die Worterklärung: Straßen-Gassen-Mischung). Stromer
war stolz darauf. War er bei Laune und erkannte, daß die junge Lady ein
offenherziges Top trug, machte er die Winsel-Darbietung; undenkbar, daß sich
die flotte Lady nicht tief zu ihm bückte, worauf ich ihm auf seine drängenden
Fragen hin, wie es ausschaue, ob die Glocken schön läuten, verschwörerisch
antwortete, daß wir gleich wieder rauf in die Hügel fahren. Stromer liebte
diese Anzüglichkeiten. „Wir müssen noch an Milch denken, Stromer.“ Er begeierte
sich dann, weil er wußte, diese paradiesischen Äpfelchen kamen bei mir gut an.
Neulich im Aufzug wurde es doch brisant.
Eine hochmütige Fashion-Mietze taxierte uns verächtlich – Stromer ging es
gleich auf den Zeiger wie mir auch. In ihrem Mini, eher ein breiter
Ledergürtel, lümmelte sie sich in die äußerste Ecke der Kabine und Stromer
wußte, was zu tun war. Er rollte sich in gute Position und jaulte seine
Offenbarung postwendend zu mir: ‚Boah Alter ey, kein Slip – eine rasierte
Muschi, echt heiß, das Pfläumchen!“ Ich geriet in Not, wußte ja, daß er nur für
mich verständlich war, sagte auf ihr gezicktes Quieken hin „Laß gut sein
Stromer, wir sind ja gleich wieder im Park“ – als die affektierte Tussi mich
wegen des Hundes zu beschimpfen begann. „Halten Sie diese Töle von mir fern,
ist ja eine Zumutung, dieser Ungeziefer-Bus, weg da, ksch!!!“ Und Stromer
meinte, sie habe einen Denkzettel verdient, beschrieb mir das Intim-Piercing
und als wir ausstiegen sagte ich, bevor wir uns abwandten, an meinen ergebenen
Hund gewandt: “Ohne Höschen, soso, und dann das Ringelein mit dem roten
Steinchen, na gewagt, sag ich nur.“ Ihr ging schreckensstarr der Mund auf, ein
schrilles Geschrei entfuhr ihr, ob wir mit Spiegel arbeiten oder was, eine Geschmacklosigkeit
sei das, was für ein Sittenstrolch ich sei und derlei mehr. Wir hatten uns
schon lachend umgedreht, dennoch rief ich ihr zu „Kein Spiegel, schauen Sie den
Hund doch an, nix da – aber ich bin Hellseher, Abrakadabra!“ Und dann
entfernten wir Schlingel uns rasch.
Als Kalinka in der Nachbarschaft einzog, war
es uns beiden klar: der Zeitpunkt der unabwendbaren Notwendigkeit war gekommen
– die Familienjuwelen mußten ab … also seine. Ich hatte mich ja in meinem Alter
schon eine gehörige Weile im Griff, notgedrungen. Und Stromers Gejaule war auf
einmal auch für meine Ohren nichts mehr als Gejaule.
Was aus uns beiden geworden ist – wir sind
ein brüderliches Team, nach wie vor, nonverbal sozusagen, Blicke reichen. Reicht
irgendwie, muß es doch auch geben.