So
etwas von Deutsch
(ein
Nachschlag)
Wir haben doch alle persönliche Schwachpunkte in unserer gewiß schwierigen Sprache; bei mir z.B. das Quiz, das Virus, aber der Tunnel und der Kiosk: für andere sicherlich schwer nachvollziehbar, aber es ist halt so. Bei anderen verbessere ich selten, außer ich halte es für wichtig, beispielsweise wenn die Frisörin das Pony sagt und nicht das kleine Pferd meint, sogar bei mir als klassischem „Oben-Ohne-Model“ ein Thema, wenn auch eher als „Running Gag“ (also: der Pony kann so bleiben, er wird bei mir nicht so schnell grau etc.).
Kiebig hingegen werde ich bei Sprachprofis (Moderatoren, Reportern, Journalisten) – da wurmt es mich total. Wir haben hier einerseits das übertriebene Verdoppeln (vorprogrammieren, zurückerinnern, Supergau). Andererseits, wenn auch in der Kürze die Würze liegen soll, so nervt es mich total, wenn linkisch verkürzt wird: Ich erinnere (ja wen denn, verflixt?), oder an der Börse es ändert (sich, Mensch – sich!), aber die Anglizismen REMEMBER und CHANGE haben alles infiziert; die angestrebte Internationalisierung ist für die vertraute Sprache eine schlimme Seuche. Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie haben die saudämlichen Söldner im Fußball viel Dreck ins Land gebracht (isch hab Vertrag)- gruselig. Und mit dieser beharrlichen Blödheit stecken sie uns auch noch an; zunächst unsere heimischen strunzdoofen Kicker, die flächendeckend auf die Rückbezüglichkeit verzichten. Internationales Importgut – aber wir haben auch eigene „Koniferen“, wie diesen kaum erträglichen Oliver Kahn, seines Zeichens Abiturient und Eiermann – bei der WM kommentierte er jüngst, es werde gehandelt „mit Power UND Kraft“. Damit ist er dicht an: „Ohne Fun kein Spaß“.
Kinder sagen „Darf ich ein Eis?“ Das kann witzig sein. Aber ich fürchte, Kinder und Ausländer „lernen uns“ neues Deutsch. Und wir machen mit, vieles wird als erfrischend neu übernommen. Neulich habe ich noch in einer Doku-Soap vernommen: „Isch helfe, wo geht!“ Eine halbherzige Stenosprache, und die greift dann als neue Umgangssprache rasant um sich. Gut, das wir seinerzeit die Ossilanten („Brüdern und Schwesters“) nicht mit ihrem Abkürzungsfimmel einverleibt haben.
Zurück zum Börsenbericht, den muß ich vor den Nachrichten in Kauf nehmen – und sie sprechen nicht frei, sie haben ihren Text ablesbar vor sich. Und was steht da? Das ist eine schwierige Frage (ich bin sicher, auch wenn ich nicht vom Fach bin, die Frage ist nicht schwierig, die Antwort hingegen fällt schwer…Und die Eigenheit, vom gestrigen, heutigen und morgigen Tag zu reden – da fehlt mir nur noch das wochenendige Wochenende.
Und immerzu die dubiosen Anhängsel (also nicht die mediterranen „eees, äääs, iiis“): beileibe nicht immer nur von Fremdsprachlern, ich meine die allerkühnsten Mehrzahlen eigener Prägung. Knaller der letzten Zeit von ReporterInnen: Sex ohne KondomeN, Andere MütterN haben auch schöne Töchter – so in etwa diese Liga. Ich zucke bei der unheilvollen Steigerung im unsauberen Sprechen nur noch zusammen (mitunter gibt es für mich Tage, da ist es wie Schüttelfrost). Wie eine Pest, für offene Ohren immerzu und überall vernehmbar.
„Vielen Neubürgern erinnert Vertrag“ – fast eine Quizvorlage: Welches Wort ist fehlerfrei gesetzt? Ich weiß nicht, was soll es bedeuten. Der sprachliche Flurschaden ist immens.
Verständnis aus formaler Logik könnte ich ja noch haben, wenn von einem Mädchen die Rede ist und ihr Kleidchen statt sein Kleidchen gesagt wird (oh, die automatische Rechtschreibprüfung bemängelt in diesem Moment tatsächlich nicht IHR sondern SEIN; interessant). So weit sind wir also schon. Kindermund läßt einen lächeln, aber meiner Mutter war vor sechzig Jahren gar nicht zum Lachen, als ich nach Hause kam und erzählte, was uns „die Frollein“ beigebracht hatte. Ich war wohl meiner Zeit voraus. „Sie lernte uns“ – ob meine Mutter auf „ES lehrte uns“ berichtigt hätte – „ich erinnere nicht“.
Gewiß, Deutsch ist nix für Deppen (Isch lerne dir guten Deutsch!). Aber erkläre mal eine/r einem Ausländer die abweichende Betonung bei folgendem Satz: Michael Jacksons Hochzeit fand in der Hochzeit des King of Pop statt. Und die Finessen unserer Groß- und Kleinschreibung (mein unsterbliches Allzeit-Lieblingszitat): Ich hatte in Heidelberg liebe Genossen …oder Liebe genossen. Auch amüsant, irgendwie. Aber doch so wichtig für die Klarheit im Schreiben (gelesen, in der Betonung, klare Sache)!
1960 wurden wir in die Sexta eingeschult. Wir lernten gleich zu Beginn die zehn Wortarten, z.B. Hauptwort /Substantiv, Eigenschaftswort /Adjektiv, Tätigkeitswort /Verb etc. – und die erste Wortart, die hieß: Artikel. Nur Artikel – denn „Geschlechtswort“ war irgendwie unerhört. Heute herrlich komisch und ich frage mich nun allen Ernstes: wieso hieß die Klasse „Sexta“ – uiuiui! Da hatte man aber irgendwie nicht so ganz in der herrschenden Prüderie aufgepaßt. Nur muß ich zugute halten: das Thema SEX kam damals irgendwie noch gar nicht vor – und Simsalabim! …trotzdem sind wir, o Wunder, alle entstanden.