Samstag, 27. Oktober 2012

Alltägliches IV



Alle Tage – Alltägliches
IV
       - Aus meinem Leben als giftzwergMÄÄN-

Etikett-Etikette

Haben Sie auch schon solche Preisschilder gesehen: 99,99,-- (nein, ich meine nicht die „klare“ Position unter 100, die man hier uns vermeintlich blöden Kunden vorzugaukeln versucht …schauen Sie nochmal hin! Exakt: Was bitte bedeutet hinter den Cent das Komma mit den Strichlein? Ist das eine Irritation wegen der Währung, ein universelles Symbol sozusagen für DM, Euro, Landeswährung – denn auf dem „kleinen Inselchen“ habe ich es auch schon gesehen, vornehmlich auf Speisekarten.

   Letzten Samstag, Flohmarkt in Koblenz, eine meiner persönlichen Buchmessen sozusagen (ich werde ja immer fündig und stöbere in den fraglichen Kartons). Und was muß ich sehen? Jedes Buch 1,50,-- – meine Fresse – und das bei Büchern! 

   Na, dann ist es kein großes Kunststück: Das eingangs zitierte Schild ist eines unter vielen ….in einem großen Elektromarkt in Neuwied. Der Kunde ist nicht blöd, DER eher nicht, aber das hatten wir ja schon (vgl.. mein allererster Blog-Beitrag – so fing ja alles an).


Ein Käffchen

Gehen wir mal nicht auf die Vielfalt unseres heutigen Kaffee-Angebotes ein, das Thema soll anders lauten – bei Tchibo gibt es für 95 Cent (nein, nicht 0,95,--Euro) die Größe NORMAL. Das ist eine ganz übliche, halt normalgroße Tasse – darüber hinaus dann die Variante GROSS. Der Pott meinetwegen. Und hier bin ich doch in einem Fachgeschäft! Das hat was von Richtlinie, finde ich.

   Ich also neulich, in Ermangelung einer Tchibofiliale in einer kleinen Nachbarstadt zu einem Bäcker mit lecker dekorierter Imbißtheke, suche mir was Herzhaftes aus (jetzt habe ich fast auf die Tastatur gesifft, so bin ich eben, La-Palma-Bine kann das bestätigen), fragt die gepiercte, tätowierte Untergrund-Vorpraktikantin (ja, es kommt jetzt, warum ich mich so eindeutig  an diese PERSON erinnere) -  „Und einen Kaffee dazu?“ 
Oh ja, gerne – normal, nicht groß. „Was heißt schon normal, da versteht wohl jeder was anderes – klein, mittel oder groß?“ Das reicht mir dann schon als Eröffnung ….giftzwergMÄÄN, auf die Barrikade! Ach so, bei Tchibo gibt es …“Wir sind hier ja wohl nicht bei Tchibo!“ Bekommt sie ihre Tage? Ist der Lover mit einer anderen unterwegs? Oder wirft sie mir vor, nicht Brad Pitt zu sein? Sie haben hier also drei Größen? „Das sagte ich ja gerade – nochmals: klein, mittel oder groß?“ Jetzt vermute ich schon eher Männer-Allergie. Ich habe Stellung bezogen. Unter groß kann ich mir was vorstellen, aber wie unterscheiden Sie hier bei Nicht-Tchibo KLEIN und MITTEL? Ich habe sie langsam am Siedepunkt, klasse! Sie dreht sich um, schnappt sich zwei Tassenmodelle und knallt sie wortlos aber seufzend auf die Anrichte vor sich. Die Augen verdreht sie schon. Das reicht mir noch nicht so ganz. Tja, äh, also – wie sieht denn GROSS bei Ihnen aus? Ich hätte ja hier abbrechen und darüberstehen können – hätte …tue ich aber nicht, jetzt schon gerade nicht …sie pfeffert aus der Umdrehung die dritte Tasse daneben. 

   Sagen Sie, äh – wie ist denn das Fassungsvermögen, wenn Sie verstehen – bei Biergläsern gibt es ja auch 0,2 und 0,3 nur um ein Beispiel …“Sowas hat hier wirklich noch keiner gefragt!“ Ich bin nicht keiner, Sie sind ja auch nicht Tchibo, nicht wahr? Jetzt bekomme ich den sülzigen Unterton gefühlter Überlegenheit. Es stehen schon Leute hinter mir – aber ich laufe Gefahr, daß sie nicht wirklich hinter mir stehen – und vor mich stellt sich ohnehin niemand (als giftzwergMÄÄN ist man ja sooo  alleine). Entscheidung …oder …

   Ich brauche Bedenkzeit – schönen Tag noch. „Ja wie jetzt? Und das Brötchen???“
Trocken mag ich es nicht – guten Appetit, machen Sie mal eine Pause –und trinken Sie ein Käffchen dazu –normal!!!

   Ich wollte doch eh abnehmen. Nicht viel, nicht mittel – ein wenig.


   Mein täglich Essen – oder: Brot und Spiele

Der Titel stimmt schon nicht – ich hole mir unter der Woche –also zwischen Montag und Freitag- drei- bis viermal das Tagesgericht einer der zwei Metzgereien in der näheren Umgebung. Das Essen wird von der Küche der Metzgerei in Behältern zum Laden gebracht. Verfressen, wie ich bin, gehöre ich immer zu den ersten Abnehmern, bin also da, wenn Metzgergesellen die voluminösen Transportboxen ausladen und hereinschaffen. Dann kommt der Auftritt der Fleischereifachverkäuferinnen – alle 5, die abwechselnd zu zweit in Frage kommen, führen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den HITZETANZ auf – alle fünf, durch die Bank! Keine Küchenhandschuhe oder Topflappen in Sicht, mit denen sie die fraglos heißen Behältnisse aus den Boxen heben und in die Wärmetheke befördern – die letzten Zentimeter zumeist unter Gejaul, Gehüpfe und Wehklagen. Gestandene Hausfrauen! Mein Mund bleibt verschlossen – das Problem zu lösen muß ihnen einfach aus der Erfahrung her von alleine einleuchten – darauf warte ich aber, ungelogen, seit Jahr und Tag! Unerhörte Szenarien spielen sich ab, es tut schon beinahe weh, das anzuschauen – aber ich halte es aus – ich ahne, ich habe noch längst nicht alle Varianten im Tanzen, Wimmern und Händeausschütteln wahrgenommen – es ist wie eine Dokusoap, man kennt das alles schon und wird doch immer wieder gebannt, sich das weiter anzuschauen. NIEMALS würde ich die von Sabine aus Mitleid gratis angebotenen Topflappen überreichen!

   Letzte Woche kam ich in den Laden, das Ausladen stand unmittelbar bevor, quatscht mich doch VOR der als Bühne zu betrachtenden Theke der Haupträdelsführer im Dorftratsch an, ohne durch meinen Blick ermuntert zu sein – ich hatte doch schon anderes im Blick.
   „Ach, der Herr Schriftsteller!“
  Tach auch. Ich versuche, um ihn herumzuschauen. 

   „Oioioi, kurz angebunden, der Herr Dichter – wohl heute schon alle Worte verschrieben, was?“ Er lacht selbstzufrieden aus vollem Hals über seine Witzigkeit. Wie eine Fontäne, um Aufmerksamkeit bemüht, rudert er in der Luft mit gelupften Armen; natürlich nicht, ohne sich nervös umzuschauen, um Zustimmung zu erheischen.

   Ein neues Lehrmädchen hat ein Handtuch genommen, souverän hebt sie einen Teil der silbernen Töpfe und Tiegel heraus, hingegen faßt sich schon wieder eine vom Stammpersonal an die Ohrläppchen. 

   Haben Sie also die Planstelle bekommen?
   „Wie, watt? Planstelle?“
   Na, als Ortskomiker!

   Erstaunlich, wie viele mitgehört haben, einhelliges Lachen bei der Essenausgabe.
Er nimmt seine Portion, zahlt, verläßt grummelnd den Laden. Der wird mich nie wieder stören! Aber ausgerechnet an diesem denkwürdigen Tag, der die große Wende hätte herbeiführen können. 

   Hat er aber nicht – ab dem nächsten Tag wieder Hitzetanz. Das Handtuch bleibt der kleine süße Trick der nur mal kurz auf den Plan getretenen Aushilfe. Die Idee war nicht ansteckend. Es geht weiter, demnächst in diesem Theater. („O nein, was sind die Pötte  heute auch wieder heiß!“) Tja.

Dienstag, 23. Oktober 2012

„Nachlese“



Witz – „Nachlese“
(Bitte nachschauen unter KOLUMNEN, gestern: Mein Deutsch 3)

Wir kennen doch alle die Leute, die Witze nicht erzählen können; vor lauter Prusten versteht man dann nur die Hälfte, mitunter wird die Pointe versemmelt oder jemand anderes erzählt mit, aber nicht synchron. Aber wir sind fair und lachen mit – mit dem Erzähler.
   Wissen Sie, was VIEL schlimmer ist? Wenn Witze hinterfragt werden, analysiert, auf  Wahrheitsgehalt untersucht und …ach, ich erzähle mal ein Beispiel:
   Kennen Sie den mit der Lehrerin und dem Pipi-Jungen? … Wenn nicht, bitte oben nachschauen (Tja, so kann man auch Leute durch die eigenen Angebote scheuchen).
E = Erzähler
Z = ZuhörerIN
(na, ich will mal nicht so sein – wie, Sie haben schon nachgeschaut? Macht aber auch nichts, oder?)
E:   Die Lehrerin bemerkt in der Klasse, daß neben der Tafel ständig ein gelbes Pfützchen ist. Sie weiß, einer der Kleinen geniert sich, so schlägt sie vor, daß alle die Augen schließen und der arme Pipi-Bube solle das fortwischen und damit habe es sich. Alle halten sich dran, Augen zu, Hände vor die Augen zur Sicherheit, dann hören alle die kleinen Schrittchen, auch ein Gekreide auf der Tafel (sicherlich eine Entschuldigung, wie süß, freut sich die Lehrerin) und die Trippel-Schrittchen entfernen sich wieder. Dann öffnen alle die Augen. Die Lehrerin sieht sogleich ein zweites Pfützchen und an der Tafel steht: UND WIEDER HAT DER UNHEIMLICHE PISSER ZUGESCHLAGEN!!!
Z:   An welcher Schule?
E:   Wie jetzt? Oh nein, Liebling, bitte, geht das wieder los. Irgendwo, meine Güte, Volksschule Hintertupfingen.
Z:   Volksschule??? Wann war das denn?
E:   Ach bitte, das ist doch egal. In den Fünfzigern, also meinetwegen 1955 – Katholische Volksschule Betzdorf, 2. Klasse, die Lehrerin hieß ….Winzinger.
Z:   Und so genau weißt Du das. Also war es doch Deine Schule, Du wolltest nur ablenken. Du warst dabei, nicht wahr …am Ende … Du hast doch nicht wirklich …???
E:   Aber nein, das sollte doch nur eine Antwort auf Deine Frage…
Z:   Wie bitte, NUR? Und so gehst Du mit meinen Fragen um? Ich wollte doch NUR  sachlich nachhaken, um mir ein genaueres Bild …
E:   Das ist es ja gerade, ein genaueres Bild! Es ist doch nur ein Witz, dafür ist diese Geschichte schließlich erfunden …
Z:   Erfunden? Du weißt die genauen Umstände, das Jahr, die Schule, den Namen der Lehrerin …
E:   Das habe ich doch nur so gesagt, damit Ruhe ist und …
Z:   Damit RUHE IST? Ja, was soll ich denn davon jetzt halten? Kann ich nicht mal sachlich nachhaken, wenn der Herr und Gebieter eine Geschichte auftischt – und die sich bei den ersten kleinen Nachfragen als ein Lügengebäude herausstellt …
E:   Vergiß es einfach. Es war halt ein Witz.
Z:   Vergessen? Ein Witz? Daß ich nicht lache! Ich soll diese kleine Bewährungsprobe unserer Beziehung vergessen, wo es sich –und das beileibe nicht zum ersten mal- erweist, wie wenig ich vertrauen kann, wie rückhaltlos Du mit der Unwahrheit bedenkenlos umzugehen versuchst und es nur meiner Aufmerksamkeit zu verdanken ist, daß ich …:
E:   Schluß, aus, mir reicht es!
Z:   DIR??? Dir reicht es? MIR reicht es, nun aber endgültig! Immerzu diese Lügen, Lügen und nochmals Lügen … hätte ich doch nur auf meine Mutter …
E:   Erwähne nur nicht diese Pißnelke in meinem Haus …
Z:   IN DEINEM HAUS? Ich werde Dir bald zeigen, wessen Haus das ist, da kannst Du Dich aber warm anziehen, mein Freundchen. Und Pißnelke …meine Mutter! Und das sagst ausgerechnet Du, dieser An-die-Tafel-Struller …
E:   Ich habe nicht an die Tafel gepinkelt. Auf den Boden, aber das war doch ein anderer …
Z:   Verstehe – immer sind es die anderen – und wenn schon …dabeigewesen bist Du ja wohl, wage es ja nicht, das abzustreiten: Bei der erdrückenden Fülle von Fakten. Aber immer schön die Augen verschließen, nur den Affen machen, nichts sehen, nichts hören und nichts sagen! Genau das hat mir schon meine Mutter …
E:   Es war doch nur ein Witz, einfach ein Witz!
Z:   Was soll daran witzig sein, wenn eine Lehrerin derart hinters Licht geführt wird … ach, ich verstehe, die Allianz der künftigen Männer, mit einer Frau kann MAN ja …
E:   Es ist hoffnungslos …
Z:   Das stimmt beinahe  – aber mit DIR  ist es hoffnungslos! Da hatte ja schon Frau Winzinger …
E:   Fräulein – damals hieß das noch so – wenn wir schon bei Fakten sind…das Fräulein Winzinger.
Z:   Oh, der feine Herr macht nun einen auf Klugscheißer …die Winzinger hätte es wohl auch getan, um nicht ins Sächliche abzugleiten…
E:   Ich wollte höflich bleiben.
Z:   Höflich, DU? Und dann noch bleiben, als sein das so Deine wahre Berufung, der höfliche Herr Pinkelmann!
E:   Laß es gut sein, Liesel, wir sollten uns nun wirklich wieder beruhigen …
Z:   Beruhigen! Und wir, als hätten wir je etwas gemeinsam. Übrigens heiße ich Lieselotte, wenn ich das mal anmerken darf.
E:   Wo ist eigentlich noch unvermintes Gelände, auf das ich tappen darf?
Z:   Jetzt auch noch kess werden, Schmittchen-Schleicher. Immer schön davonstehlen, das sind ja gerade die Richtigen. Früh übt sich, nicht wahr?
……
SPÄTER HIESS ES BEI GERICHT, ER HABE SICH ZU DER GEWALTTAT HINREISSEN LASSEN. URSACHE FÜR DEN ZWISCHENFALL SEI EIN WITZ GEWESEN. NIEMAND FAND ES WITZIG.

Montag, 22. Oktober 2012

Mein Deutsch III



Mein Deutsch
Teil 3

Jeder hat ja so seine Reizpunkte, ich sprach schon davon – wie man förmlich darauf wartet, bis es wiederkommt – zack – da – habe ich es doch gewußt!

   Ich konnte noch nie den Lokalteil der Zeitung lesen. Ständig heißt es der Bürgermeister ließ es nicht nehmen (ja wer will es denn …noch nie habe ich davon gehört, daß ein anderer eine Urkunde übergeben oder dergleichen vornehmen wollte: „Weg da – ich will das machen!“). Eine schrecklich abgegriffene, schier blödsinnige Formulierung. Und dann weihte auch kein Geringerer als der Bischof das neue Pfarrhaus ein – ja, wer käme darunter noch in Frage, hetze ich mal …Fortwährend wird was zum Besten gegeben oder die Senioren ließen es sich munden (ich sehe den gespreizten kleinen Geckenfinger des Lokalreporters, bevor er sich wieder ob des nimmervollen Fasses der ausgelutschten Klischees die Kante gibt. Gut, schon klar, Opi und Omi sollen kuschelig unterhalten werden, sollen es berauscht vor lauter  Heimeligkeit verkosten …aber oh Schreck – das ist doch meine Kragenweite. Oh nein, bitte nicht: Für mich soll niemand so schreiben.

   Schnell weg aus der regionalen Region, bevor PLATT einsetzt. Igitt. Mal davon abgesehen, daß es weitgehend debil klingt, ist es doch grundsätzlich ausgrenzend (da ist es nicht weit zu den hohen weißen Spitzhüten mit verhüllendem Gesichtslappen); übertrieben, ich weiß, aber diese Kolumne ist böswillig im Anschlagsbereich – es wurmt mich, wenn, nur ein klitzekleines Beispiel, Hunsrücker Kinder DIE Bach und DIE Dach sagen. Dialekt sei Heimatverbundenheit. Bei Begriffen kann ich es noch ertragen. Soll ja gute Reime geben, aber dann lieber MÄÄnzä Fassenacht - Gonsbachlerchen:
Sinn die Hinkel platt wie Tellä – war dä Draktor wiedä schnällä – wenigstens was zum Lachen. Im Karneval, meinetwegen.

   Viel interessanter sind die Modewörter. Hatten wir früher auch, die Zeit mit cool und geil scheint auch bald überstanden, definitiv!- so checke ich das jedenfalls. Aber ich meine die absonderlichen Verkürzungen wie isso, sorry, na siehste, sone – davor sind wir schon alle nicht mehr gefeit – also sone Frau kann ich mir in lässiger Alltagsschnodderei gefallen lassen, aber sone Autos, Männer, Leute, sone Songs spielen etc. – geht gar nicht – und peng: Schon bin ich im nächsten Dilemma. Immerzu dieses künstliche HALLO??? Wenn baß erstaunt getan wird, Wie doof ist das denn? Genau! Na gut, wir sagten früher Ja spinn ich denn? Scheinbar ja – denn ich spinne nicht wirklich, anscheinend.

   Und dann die herzlosen Verkürzungen: Glückwunsch! Jetzt fahre ich mich wieder runter mit Mach dir keinen Kopfo my God! Wie geil ist das denn? Der Übergang von der Schüler- zur Erwachsenensprache gelingt immer seltener. Dumm wie Brot, Staub etc.- da bekomme ich gleich Kopfkino – und das geht ja noch, schöne Verbindung für Gedanken und Phantasie, räume ich ein. Emoticons sind auch in der heutigen Schreibewelt hilfreich, wenn es denn nicht überhand nimmt. In der Alltagsbegegnung sind ja immer die dokumentierten Gänsefüßchen hilfreich. Schon beobachtet? Wenn etwas also dergestalt betont werden soll, benannt aber nicht so gemeint, greifen parallel linke und rechte Hand mit Mittel- und Zeigefinger kratzend in die Luft – zumeist von einer leichten Grimasse begleitet. Machen wir doch alle schon mal. Isso – geht doch! Ein wenig albern, aber sei es drum.

   Nerviger für mich ist schon das gedehnte OKAAAAY – wenn das als Äußerung des Gegenübers erfolgt, wird was mal so hingenommen und interessiert wie feuchter Kehricht. Loriot brachte immer sein „Ach was“ an solchen Stellen – das hieß völlig entschärft „Na und?“ – oder eigentlich nur „Pfeif der Hund drauf – das ist mir aber auch sowas von wurscht!“ bis zum guten alten „Leck mich“.

   Die Jugend forscht, auch in der Sprache. Bei uns hieß es früher immerzu echt und vor allem Das hältst du im Kopf nicht aus – und das birgt Ansteckungsgefahr, man will dazugehören  und unterliegt sogar unbewußt dem aktuellen Virus. Alter, was geht? Nein, nicht wirklich. Und natürlich immerzu Keine Ahnung. Was für eine dämliche Verlegenheitsfloskel. Whatever.

    Wir haben eine lebende Sprache, oft auch allzu lebendig – und das ist auch gut so. Diese bedarf ständiger Erweiterung (neu) und Ausmistung (veraltet) – und diese Entwicklung ist ja ein gefundenes Fressen für Autoren. Die diebische Freude, Blüten aufzuzeigen, Unfug zu erkennen und deutlich herauszufiltern – und andere an diesem Spaß teilhaben zu lassen. Wie schon oft betont: Es gibt Schlimmeres! Wir sind doch alle a part of it – gelle?

ZUGABE
Was ist falsch an vermutlich? Jetzt stutzen Sie? Hören Sie mal Sportreportagen, dort wird unablässig vermutlich und vermeintlich verwechselt. Heute sagen sie nahezu penetrant VERMEINTLICH – und kennen die wahre Bedeutung vermutlich nicht – denn vermeintlich würde sie zugeben, daß sie es doch wüßten – tun sie aber nicht. Sie glauben es nicht irrtümlich, sie sind vorsätzlich dusselig! Ein Beispiel aus den ernsten Nachrichten: Ein Familienvater hat seine Familie hingerichtet, er ist flüchtig. Und jetzt kommt es: „Die Polizei ist auf der Suche nach dem vermeintlichen Täter!“ Ja warum denn, wenn er es doch nicht ist! VERMUTLICH ist er es aber.

   Das macht mich kiebig – es handelt sich um Berufssprecher, da werde ich zum Tier. Echt.

ZUGABE 2
Dieses immer mehr wie eine Pest um sich greifende Überbrückungs-JA. Ein Interview mit Sebastian Vettel – und man merkt sowas sicher selbst schon gar nicht mehr – ich hätte es aufzeichnen sollen: In Südkorea beim Sieger-Interview brachte er in geschätzten 20 Sätzen mindestens 18 JA unter. Gefühlte 50! Da rettet ihn bei mir auch nicht, daß er … JA, kein Sprecher ist.

   Ich sage mal…JA, äh so: Sag einfach JA, wenn Du nichts zu sagen hast.
Ich höre nun auf, muß Gift tanken. Ja-ne, is klar. Einen abschließenden Scherz, zum Durchpusten, uralt natürlich –wie immer- aber nicht jeder wird ihn kennen:

   Die Lehrerin bemerkt in der Klasse, daß neben der Tafel ständig ein gelbes Pfützchen ist. Sie weiß, einer der Kleinen geniert sich, so schlägt sie vor, daß alle die Augen schließen und der arme Pipi-Bube solle das fortwischen und damit habe es sich. Alle halten sich dran, Augen zu, Hände vor die Augen zur Sicherheit, dann hören alle die kleinen Schrittchen, auch ein Gekreide auf der Tafel (sicherlich eine Entschuldigung, wie süß, freut sich die Lehrerin) und die Trippel-Schrittchen entfernen sich wieder. Dann öffnen alle die Augen. Die Lehrerin sieht sogleich ein zweites Pfützchen und an der Tafel steht: UND WIEDER HAT DER UNHEIMLICHE PISSER ZUGESCHLAGEN!!! 

Fehlerfrei – um beim Thema zu bleiben.

Tja, ich mag die ollen Kamellen.

Samstag, 20. Oktober 2012

Lisa S.



Lisa S.

Nun war mein Bestseller auch in den USA angekommen; ich genoß diesen Ruhm und saß, wie jeden Tag, morgens für zwei Stunden in der Bar Parada in Fuencaliente. Die Kaffee-Haus-Tradition, ich hatte sie für mich auf meine Insel mitgebracht; hier saß ich noch relativ unbehelligt, notierte, grübelte, beobachtete. Die Palmeros kamen für ihren Cortado und ein paar Tapas vorbei, die Wandergruppen machten Halt, um die wundervollen Almendrados (Mandelplätzchen aus eigener Herstellung) zum empfohlenen Cafe con Leche zu genießen – und so fiel an diesem Morgen mein Blick aus dem Fenster auf einen Rover mit einem Wohnanhänger, deutsches Kennzeichen, der gegenüber auf den Randstreifen zirkelte. Das Kamerateam hatte ich zuvor schon gesehen und dann kam es mir auch schon bekannt vor: Man filmte Kai Pflaume, der hier jemandem eine Videobotschaft überbrachte – toll, das mußte ich sehen!

   Und zu allem Glück kamen sie zu uns in das alt erhaltene Ambiente, fragten den jungen Wirt mit der dunklen Brille und die verwirrt aufgekratzte kurzhaarige Frau am Tresen – und diese zeigten auf mich in der Fensterecke. Ich hatte gar keine Zeit lange zu überlegen, unter vorgehaltenem Licht mit begleitender Kamera kamen sie zielstrebig auf mich zu. Kai steuerte direkt mit großem Mikro meinen mit Manuskripten belegten Tisch an; er wollte -  zu mir!

   Ich kam in diesen Sekunden gar nicht zum Nachdenken, was? wie? von wem? ich? versteh ich nicht! Ich beantwortete irritiert die Fragen nach meinem Namen, ob ich der Autor sei, ob er Platz nehmen dürfe, er habe eine Videobotschaft für mich. Von wem, wolle er noch nicht sagen, aber informiert sei er von meiner Lebensgefährtin – und es sei eine reizvolle Aufgabe an ihn herangetragen worden. Ich sollte mal spekulieren, und ich verfiel auch sogleich auf Witzelei, fragte, ob sich Verona des Blindgängers Franjo entledigt habe, sich Nadja Uhl um mich bemühe, ob meines internationalen Erfolges Sophie Morceau, Isabelle Adjani, Sandra Bullock oder Catherine Zeta-Jones von mir erfahren hätten; ich gebe mich blödsinnig selbstbewußt.  Kai sagt, zuletzt habe ich regional nicht schlecht gelegen, und so komme ich noch mal drauf zurück, ob die Sache mit Michael Douglas zu wackeln anfange und Madame CZJ nun die Insel wechseln wolle, also von der Karibik zu den Kanaren – da lenkt mich der Liebesbotschafter auf meine Inselfrau zurück, und sofort vergehen mir diese Abschweifungen, was habe ich hier herumzuphantasieren  - bleibe daheim und nähre Dich redlich …das konnte auch gar nicht sein, wie schwachsinnig war das jetzt vor der Kamera …

   Nun eskortieren sie mich aus dem Lokal, wir schlängeln uns an den verdatterten Palmeros vorbei, treten ins Freie, Neugierige umringen uns. Wir gehen über die Straße, er läßt sich noch mal bestätigen, daß doch gelb meine Lieblingsfarbe sei und ich bin und bleibe völlig verwirrt.

   Und dann reden wir noch ein wenig in dem kleinen Heimkino (die haben wirklich die tagelange Fahrt mit der Fähre und auch den Transfer von Deutschland durch Frankreich runter ins spanische Cadiz gemacht! Um zu mir zu kommen!) – nun wird das Rätsel gelöst. Er spielt die Videobotschaft ein. Und da ist sie, das gelbe Mädchen mit der Sternfrisur und der weißen Perlenkette, dem roten Kleidchen der ewigen Jugend, Strahleaugen glubschen mich verlegen an und sie spricht ein wenig anders; sie ist nicht synchronisiert, dies ist ihre Originalsprache, und ich verstehe nicht alles. Kai hilft aus, erklärt mir, daß mich Lisa Simpson bei David Letterman  gesehen habe, daß man in Springfield über mein Buch diskutiere, na gut, weniger der leicht debile Vater Homer und auch nicht ihr verbiesterter Bruder Bart, aber ihre Mutter Marge lese sogar Schmatze-Maggie aus meinem Bestseller vor. Lisa druckst herum - sie möchte mich kennenlernen. Dieser Schritt sei ihr nicht leicht gefallen.

   Da ich völlig überrollt bin, wird eine Drehpause gemacht und wir besprechen dann das weitere Vorgehen. Ich könne später antworten, habe den ganzen Tag Zeit, ich solle mir alles für eine Reaktion durch den Kopf gehen lassen. Mit Sabine sei eine Insel-Tour geplant, das Kamerateam freue sich schon, er, Kai,
natürlich auch, man werde den ganzen Tag herumgondeln (Piratenbucht, Strände in Puerto Naos und Tazacorte, zur Hauptstadt Santa Cruz, das anheimelnde San Andres, das nahezu verlassene El Tablado; gut, die Zeit reiche nicht für eine Wanderung in der Caldera de Taburiente oder auf der Vulkanroute, aber meine Partnerin, so der entzückte Kai, habe sich eifrig angeboten, das malerische La Palma den Fernsehzuschauern zu offerieren. Die Geschichte mit dem gelben Mädel, nein, da stehe sie drüber.

   Man werde mich anschließend wieder abholen, ich könne bei den Tieren meiner Lebensgefährtin einhüten, und gespannt seien alle bis zum Anschlag. Das kann ich mir auch gut vorstellen, ich weiß noch gar nicht, was ich denken soll …

* * *

 Der Tag verging, ich hatte den schwätzenden Beo Paule mit seiner großen Voliere vors Haus gerollt, die eigenwillige Katze Mieschka versorgt und war oberhalb des Atlantiks sonnenbeschienen mit der kleinen kältezittrigen Podenco Hündin Chica und dem blödelnden Wolfshund Benno zum Mirador del Time gewandert, meinte auch unten in den Serpentinen das auffallende Mobil kurven zu sehen, schaute auf den Hafen und hatte letztlich den Brief fertig. Die Tiere … ja auch meine Partnerin  … doch, meine Entscheidung war gereift und gewissenhaft getroffen.

  Nein, einer Ausstrahlung stimmte ich nicht zu, ich wollte es Lisa S. ersparen. Wegen der Lesbarkeit hatte ich mit Laptop eine Antwort verfaßt, in Deutsch, sollte sich Springfields Elite (vielleicht unter Leitung des geschniegelten Ansagers Kent Brockman) daran versuchen.


Liebe, bezaubernde, kluge Lisa,
keiner kann sich seine Familie aussuchen und jeder muß auch seine Realität annehmen, wie sie sich einem stellt. Ich habe über uns, uns alle nachgedacht und finde, daß es keine Zukunft geben kann, geben darf. Du würdest Deinen Arbeitsplatz in Hollywood nicht verlassen – und ich möchte nicht weg von La Palma.

Du bist eine bezaubernde intelligente kleine Frau, von ewiger Jugend gesegnet, das Trickleben verlangt Dir viel ab. Ich weiß nicht, ob eine Beziehung gegen den Jugendschutz verstieße (greift der auch bei nimmer endender Jugend?),zudem bin ich mit Deinem Springfield und vielen Einwohnern  vertraut - das ist auch nicht so viel anders in meiner Welt:  der fiese Kernkraftwerkbetreiber Burns mit dem schleimigen Wayton Smithers, der fromme Klugscheißernachbar Ned Flanders mit seiner sektenähnlichen Familie, der verschlagene Mo in der Bar mit seinem rülpsenden Dauergast Barny, der dubiose Clown Krusty mit Tingeltangel-Bob, die gestrenge Lehrerin Frau Krabappel und der aufrechte und dadurch nervige Rektor Skinner, der Kwik-E-Mart-Betreiber Apu, der oberkorrupte Polizeibeamte Chief Wiggum und Doktor Monroe. Vom Sehen kenne ich Euch alle in diesem kleinen Spiegelbild der Welt, und ich hätte bald den lieben Hund Knecht Ruprecht vergessen – ja, das ist alles sehr reizvoll.

Weniger erbaulich, liebe Lisa, finde ich Deine Schwärmerei für den aalglatten Troy McClure – gut, der ahnungslose Brillengickel Milhouse hat es irgendwie auch nicht anders verdient, eine Alternative ist er sicherlich nicht. Aber was findest Du so begeisterungswürdig an den horrorharten Trickfilmen mit  Itchy & Scratchy – ist das nicht eher die Welt Deines mißratenen Bruderherzens Bart allein, mußt Du denn da wirklich mit einstimmen? Ich fasse es nicht. Höre auf Deine Mutter Marge, die Dich unablässig zu warnen nicht müde wird. Wenn auch der salbadernde Pfaffe Reverend Lovejoy Dir keine Hilfe ist, orientiere Dich  wenigstens an Deiner Mutter!

Und ehrlich gesagt, ich mag mir gar nicht gerne einen Besuch auf meiner heilen Insel mit Deiner Mischpoke vorstellen …Wenn ich mir durch den Kopf gehen lasse, wie Dein Vater vergeblich Duff-Bier zu bestellen versucht, die Donuts vermißt. Auch ohne seine Kumpels Lenny und Carl sich die Zeit vertreiben muß. Nicht auszudenken, wenn Deine Tanten Patty und Selma die Insel verqualmen – ach, ich könnte das gar nicht ab, der Ärger wäre vorprogrammiert. Bart würde unsere Tiere drangsalieren, Eure dusselige Töle Knecht Ruprecht unsere Katze Mieschka jagen und letztlich unseren Hundis den letzten Schliff in einer Blödelausbildung verschaffen. Der schlechte Einfluß wäre allerorten …die Guardia Civil würde oben in La Punta bei uns ein- und ausgehen, ein schrecklicher Gedanke.

Ich weiß, liebe Lisa, wie Du schwärmen kannst – als Saxophonspielerin war Dein Traum die Begegnung mit Bleeding-Gums-Murphy, der hatte den Blues und es rührte Dich. Und das ging auch an mir nicht spurlos vorüber.
Ich will Dich nicht verletzten, liebe Lisa, aber jeder sollte dort seinen Mann, pardon, seine Frau stehen, wo er, also sie, hingehört – nicht alles im Leben drängt nach Erfüllung, wir tun dort unsere Pflicht, wo wir eingesetzt sind. Du bist ein Mustermädchen, moralisch untadelig und einwandfrei.

Verzeih mir, Lisa, ich kann unserer Verbindung kein grünes Licht geben, eine positive Antwort ist mir nicht möglich. Alles Gute für Dein Leben,
Wolfgang

 PS: Gelb ist nicht alles.