Montag, 1. Oktober 2012

Morgenstunde



Wir Morgenwesen

Sabine fügt sich: letztlich muß sie sich notgedrungen anstecken lassen – sie ist in der Unterzahl. Wir anderen sind uns einig: Unser Morgen zählt!
   Der Morgen ist unsere Zeit: Die Hühnchen von nebenan machen den alltäglichen Anfang. Na, und dann Chico, der Greenboy – er eröffnet den inneren Familienkreis – leise Töne zur Einstimmung wie bei einem Sänger. Die ersten echten Pfiffe gehören seinem knirpsigen Artgenossen, dem kleinen Witwer. Der hält die Rübe noch eine Weile unter den Federn, das hilft ihm aber gar nichts - der Papagei bringt dem Canary die täglichen Flötentöne in Erinnerung – letztlich stimmt er ein unablässiges wortwörtliches „Piep-Piep-Piep-Piep-Piep“  an, unersättlich, wir alle sind nun total erwacht. Die Helligkeit ist mit uns. Der kleine Witwer (wir erinnern uns, sein gelbes Weiblein hat er nicht mit dem Lebensnotwendigen versorgt, sie brütete/ er sang/ sie brütete – er fütterte sie aber nicht, sondern – darf man es so punktgenau formulieren – vögelte sie, letztlich bis ins Jenseits, jedenfalls wurde sie ein Opfer ihrer totalen Erschöpfung) – nun singt er nur noch für uns, zu seiner selbstverzückten Herrlichkeit. Eine neue Frau gestattet ihm Sabine nicht, eine totgesungen, das war es – die Frauenliga schreitet ein. Also fiedeln uns die geflügelten Jungs in den Tag. Greenboy Chico geht dazu über, sein Vokabular zu prüfen: „Na mein Chico?“ – seine bevorzugte Eröffnung. „Nicht beißen!“  und „Benno nein!“  folgen unkoordiniert, der arme Hund hat noch gar nichts beigetragen – er fühlt sich auf seinem Lager leicht angenervt, seufzt tiefatmend („Nun geht das wieder los“); Chico pfeift sich ein, es folgen kühne Variationen zu Hänschen-klein und zum River-Kwai-Marsch sowie Tonfolgen mit erkennbarem Effekt. „Lecker, Küßchen, Hola“  und immer wieder „Willst du was haben?“ „ Bist du müde?“ Und natürlich: „Na mein Schatz?“

   Benno ist genervt, Chica dreht sich in ihrem Körbchen noch mal um, ihr ist es wurscht. Benno beginnt zu bellen, jedes Geräusch aus der Nachbarschaft wird beantwortet; Chico beginnt folgerichtig mit dem Hundepfiff – und dann wieder auf den Punkt genau „Benno aus!“  Es nützt nur nichts, nun wird auch Chica wach.
Der große Benno umkreist mein Bett; bei mir besteht die Chance, daß es früher losgeht, die Ausgabe vom Alt-Herren-Trost: FUTTER. Er miepst mich an, er stupst mich an, Chico heizt ihm ein, er reagiert aber nur auf Töne von draußen – „Seht her, ich bewache euch alle! – Wo bleibt mein Lohn?“ Es ist noch ein wenig zu früh, aber er läßt nichts unversucht, mir eine falsche Uhrzeit unterzujubeln.  Bei Sabine wirkt das nicht, sie hat, längst auch erwacht, mit dem grünen Chico und dem kleinen Witwer einen Morgenchor gegründet. Nun pfeift das Haus, Chico unterbricht wie ein Kapellmeister bestimmend: Aus!  Ich gebe den Hundis Futter, der gemischte Chor tönt bunt im Hintergrund.

   Der Tag nimmt seinen Lauf, wir Menschen süffeln ein erstes Käffchen. Alle lieben mich – na gut, Sabine hat mich gerne – und sie fordert häufig die Gegenleistung ein: Ich kann sie mal gernhaben. Mach ich.
In Kürze fliege ich wieder in meine Westerwälder Welt. Und alle Insulaner werden sich nach mir verzehren, aus den unterschiedlichsten  Gründen. Aber ich werde bald wiederkommen, der gut gefüllte Koffer wird nur zu gerne von allen erwartet (und beschnuffelt) … nur „HO-HO-HO“ darf ich nicht sagen (aber das ist eine andere Geschichte).


 im Uhrzeigersinn: Chica und Benno, der grüne Chico und unten links der "kleine Witwer" (noch mit gelbem Weibi)

1 Kommentar:

  1. Jaaa...als Morgenmensch kann man nur jede Unterstützung gebrauchen^^

    Hast du wieder absolut klasse geschrieben, ich hatte einzelne Szenen so richtig gut vor Augen und sogar Ohren. So kenne ich die Umstände mit Hunden aus der Nachbarschaft und dem Hahn der mich jeden Morgen noch vor meinen Canarios begrüsst.

    Schade für Bine dass deine Zeit vor Ort schon so gut wie abgelaufen ist.

    Noch einen wunderschönen Tag und liebe Grüsse

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Danke! ;)