Mittwoch, 30. September 2015

Beate, Ingo und natürlich auch Jens Büchner

Trash TV II – Die geile Sache, 
bekannt zu sein
(Beate, Ingo und natürlich auch Jens Büchner)

Alle Formate aufzuzählen geht ja gar nicht, Gerichts- und Kochshows, Tanz- und Kuppelsendungen, Autoschrauber, Heimwerker und Beet-Traktierer, Tier- und Medizindokus, Erziehung von Hunden und Kindern, Suche von Angehörigen sowie Klamotten-, Krösus- und ProtzTV, die unvermeidliche Katzenberger und die gräßlichen Geissens. Selbstdarstellungs-Gelegenheiten für jede Art von „So-wie-ich-bin“-Fernsehen. Erlesene Knalltüten agieren für jedes Genre. Ein weites Feld ( unmittelbar neben dem Acker der C-Promis im Boulevard-Magazine-Dschungel). Sowas überhaupt nicht schauen: ein Fehler, sage ich nur – Entdeckungen gibt es zuhauf. Und das machen für mich diese Sendungen aus, wo es grenzdebilen Akteuren durchaus ansteht, mit Recht vom glotzenden Restvolk ausgelacht zu werden. Bei mir sind es die Serien-Hits Schwiegertochter gesucht und Goodbye Deutschland – die Auswanderer – und hier auch nur die ausgemachten Blindgänger: Ladenhüterin Beate mit heftiger Mutter und Ingo mit seinen schrägen Eltern (beim zweiten stimmt sogar der Titel der Sendung). Und über allen thronend und phänomenalster Schwachmat „ever, ever“: der „geniale“, der einzigartige Jens Büchner (von Jens & Jenny) – einmalig, sage ich nur. Der Vollpfosten in Person. Was für ein verkorkster Typ (ein Parade-Ossi: alles erwartend aber nichts dafür tun – und vor allem: für nichts zu gebrauchen, aber rotzfrech an alles rangehend).
   Warum ich derartigen Schrott eigentlich schaue, fragen sich manche kopfschüttelnd. Gaaanz einfach: ich bin Autor – aber solche flitzpiepigen Leute kann man nicht erfinden, die schenkt einem das Leben. Über Trailer weiß ich, daß neunzig Prozent der Trash-Formate nicht mein Ding sind. Auf Beate und auch Ingo stieß ich, als ich die tolle Musik beim Einspieler hörte: Foolsgarden – und der Refrain der Lemontree-Gruppe: It’s just a matter of time (und man wünscht sich, sie würden nie verkuppelt, so einmalig sind diese Figuren – und die Chancen auf Wunscherfüllung stehen gut – sehr gut). Hier stößt man immerzu auf Comedians wider Willen, Naturbegabungen erlesenster Güte. Die klopsige Vera mit ihrer eigenwilligen Hände- und Arme-Choreographie nenne ich nur mal stellvertretend für all die verzweifelt agierenden talentfreien „Moderatoren“. Ein Übriges tun die Hausschreiber mit ihren schwachsinnigen Alliterationen (flotter Fliesenleger, aufreizende Altenpflegerin). Alberne Autoren, die sich in süffisanten Untertiteln durch ein dramaturgisch vorgegebenes Script wurschteln.
   Zu Malle-Auswanderer Jens, der ein Abo auf „Depp des Jahres“ bei mir hat: ein Typ ohne Verantwortungsgefühl, der sich mitunter sogar schameinsichtig gibt, es aber niemals unterlassen würde, Anlaß zum Hohnlachen zu geben, so ein rücksichtsloser Selbstdarsteller will ja geradezu gefeiert werden. Er selber findet sich letztlich ganz einmalig – und da stimme ich auch mit ihm überein, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Diesem unkaputtbaren Blödian beim Scheitern zuzuschauen, eine Wonne – und der verdient es auch nicht anders. Er will es so, er bekommt es so. Ich habe auch nicht den Hauch einer Anwandlung, ihm Gelingen zu wünschen – das verdient er einfach nicht (es kann auch nach menschlichem Ermessen nicht geschehen – er war nichts, er ist nichts, er wird auch nichts). Er fühlt sich wundervoll im Rampenlicht (und da gehört dieser Einfallspinsel auch ein Weilchen hin) – und stolpert von einer Pleite in die andere Peinlichkeit – ein großartiger Versager, er scheitert himmelschreiend.


Schauen wir uns doch mal um in diesem Zeitalter der „Fünf-Minuten-Stars“. Das ist durch Warhol erst benannt worden, seit Jahren ein Zeitzeichen. Leute von heute. Auffallen um jeden Preis. Der Selfie-Wahn ist nur eine Randerscheinung - keine Sportübertragung, wo nicht Zuschauer ins Bild drängen, sich selber sehen wollen, keine ernste Diskussion im Fernsehen, wo nicht grinsende Fratzen sich zum Im-Bild-Sein drängeln. Selbst Reportagen aus Kriegsgebieten – Menschen wollen ins Bild. „Zeigt mich, zeigt miiich!“ Merkwürdig. Es scheint aber mal kein deutsches Phänomen, irgendwie ein Trost. Gewiß, ein Jeder ist einmalig – aber sich unablässig selber schauen wollen? Wenn ich es richtig beobachte, dann dienen Schaufenster heute weniger dem Offerieren der Ware – nicht nur Frauen frönen der Selbstspiegelung. Was für eine Zeit …
   Als Autor schaue ich gerne Zuschauern zu, betrachte das Verhalten der Beobachter … bis ich mich selber hinterfrage, dann ist es aber auch gut und genug. Ich sammele Augenblicke, speichere Bilder ab. Praktische Psychologie frei Haus.
   Das Leben bietet immer noch die überraschendsten Geschichten. Doku-Soaps sind ein Teil davon. Zeitvergeudung? Für mich? Oh nein, also bitteschön! Es ist amüsante Unterhaltung und literarische Recherche in einem Guß. Wer zurückgezogen lebt, dem wird alles ins Wohnzimmer gesendet, warum auch nicht. Im wirklich wahren Leben komme ich gar nicht in Berührung mit diesen „Beaten, Ingos und Jensern“. Ob es ein Segen ist, vermag ich nicht zu sagen, am Fernseher unterhält es mich wenigstens kurzweilig. Wen das befremdet …“so what“, wie es heute so schön modern heißt.

   Aber das verkneife ich mir nun doch nicht: Ich bin naturgemäß skeptisch bei Zeitgenossen, die pauschal hierzu die Nase rümpfen, ausnahmslos ach so weit darüber stehend sich kulturell abgehoben pikiert geben: Das sind genau die Leute, die ich noch weniger mag! Ja doch – das geht wirklich. Denn über dieses Volk kann ich nicht mal lachen. Und DIE sind einfach nur uninteressant und langweilig.

Sonntag, 20. September 2015

Supertalent mal wieder

Supertalent mal wieder
(Ich mag Trash-TV, also manchmal)


Nun ist also die Ex-DDRlerin, die bäurische Bause, beim Supertalent (schon klar: man oder frau muß keines selber sein, es soll doch nur gesucht werden) – das müßte sogar die hinkriegen. Nun pflanzt sie sich zwischen Quoten-Neger Darnell und Geldmacher Bohlen. Tolle Auswahl.
   Das Programm mit den immerwährenden Zutaten von Garanten deutschen Geschmacks (gut, kein Engländer zu sein!) – the same procedure as every year: viele kläglich scheiternden Blindgänger, die gnadenlos dem Volk geopfert werden – die Selbstüberheblichen völlig zu Recht, die Bauernopfer (!) als Beifang (gegeelte Selbstverliebte, mitleiderregende Mauerblümchen und Stimmwunder der besonderen Art gemixt mit waghalsigen Akrobaten, die sich der breiten Öffentlichkeit für Varietés offerieren) – und echte Könnerinnen und Könner verstehen das auch mit besonderen Ideen zu nutzen, und das lobe ich mir auch: denn der „Endsieg“ in der Schlacht der Möchtegerne, Dilettanten und wahren Perlen ist traditionell einer herzquengeligen Darbietung vorbehalten.
   Gestern dabei eine waghalsige Wippendarbietung (Pardon: Schleuderbrett), und der derbe Dieter gibt vor, das noch nie gesehen zu haben – Mensch, das gehört schon zumindest mein 64 Jahre währendes Leben lang zu Grundausstattung eines jeden Zirkus! – lebt der Ton-Terrorist nur im Studio, wo er die immer gleiche Melodie minimal abwandelt und mit rudimentärem Anfänger-Englisch bekackt? Ach, egal: Sicher ist, daß am gnädigen Ende der vertanen 3 Stunden Lebenszeit ein Brite (natürlich) seinen Körper malträtiert (also, er bietet genial trickreich eine Gruseldarbietung, die von den meisten Leuten durch vorgehaltene Finger verfolgt wird).
   Meine Hoffnung starb gestern zu allerletzt: der "Abgewöhn-Bimbo" (sagte ich schon, daß ich ihn wirklich und wahrhaftig unerträglich finde?) flog gekünstelt auf sein Popöchen (mein Gott, er mußte sich nicht gleich das Genick brechen – aber ein paar Rippen wären doch wirklich drin gewesen!) – es wäre einfach nur erholsam gewesen, für längere Zeit von seinem Tunten-Gang verschont zu bleiben … und dann wäre Roberto Blanco eingesprungen – der versteht wenigstens singend was vom Spaß! Und der ist sogar ministeriell abgesegnet ein wunderbarer Neger – mehr kann man nicht verlangen, in diesem unserem Lande.

Montag, 14. September 2015

Allein, aber nicht einsam

Ich bin nicht allein
(ich habe ja mich)


Schon früher habe ich „polarisiert“ (ohne das Wort zu kennen) – man mochte mich, man mochte mich nicht. Geht irgendwie letztlich uns allen so. Das Kräfteverhältnis fiel bei mir sogar recht ordentlich auch, ich schätze mal so ungefähr 90 zu 10. Natürlich kann man nie jeden für sich einnehmen, aber doch reizt es mitunter.
   Ich war überall der Kleinste, rührig bemüht, also hatte ich per Mitgefühl schon Sympathien – oder, zur Schulzeit, ganz üblich Gegner, die sich zu profilieren versuchten, weil sie Schwierigkeiten hatten, sich mit Gleichstarken zu messen und die Schwächeren suchten. Ich verstand es notgedrungen sowohl in der Schule als auch beim Militär, besonderen Personenschutz für mich zu gewinnen; schon bald verbrannten sich die Feiglinge die Finger, weil sie es zu büßen hatten, versuchten sie, mich zu unterdrücken. Ich bringe nun keine Geschichtchen von Vergeltungsaktionen, nur soviel: So mancher hatte es gar arg zu bereuen, sich meinen Unmut zugezogen zu haben.
   Bei Vorgesetzten war es anders. Wer mich nicht leiden konnte, den konnte ich schlecht abwatschen lassen, also ließ ich mir was anderes einfallen. Mit Schläue und Gerissenheit nahm ich clever die Skeptiker für mich ein. Nur ein Beispiel: Bei der Bundeswehr war ein Oberfeldwebel, der mich gefressen hatte, und als er Spieß wurde, war er mir als dem erfahrenen Geschäftszimmer-Fuzzi ausgeliefert. Ich half ihm sehr – schon bald war er Hauptfeldwebel und als ich meine achtzehn Monate abgerissen hatte, brachte er mich wirklich und wahrhaftig unter Tränen vors Kasernentor: er verlor sozusagen einen Sohn. Ein Triumph. Ich konnte das, ich schaffte das.
   Und genau das habe ich nicht mehr nötig. Warum soll mich jeder mögen? Da pfeife ich drauf. Ich habe es gar nicht nötig, um Gunst zu buhlen – aber das mußte ich erst mal begreifen lernen. Und überhaupt: Hans und Franz zu treffen, dafür war mir von jeher die Zeit zu schade. Quatschen als Zeitvertreib, um Gottes Willen nein. Ob positiv oder negativ, gereizt haben mich im Umgang stets nur die in irgendeiner Weise auffälligen Zeitgenossen.
   In der allerschlimmsten Phase meines Lebens (Verlust der Ehefrau*) fühlte ich mich verlassen, getreu dem Sprichwort: Lach, und die ganze Welt lacht mit dir – weine, und du weinst allein. Wie wahr. Und die Therapie lehrte mich: Wenn du meinst, niemand ist dir gut, dann sei dir wenigstens selber gut. Und als ich das beherzigte, ging es wieder bergauf (und dann sogar wieder zu zweien, und dies nun seit 1993).
   Ich lernte damals auch die Zielrichtungen von Kollegen, Bekannten und sogenannten „Freunden“ zu erkennen. Selbstloser Beistand ist ganz selten, man schaue nur genauer hin: Irgendein Ziel steckt hinter der Zuneigung. War das Ziel erreicht, dann merkte ich sehr schnell, was Bestand hatte – fast nichts. Nur ganz selten blieb die Nähe bestehen – so ist das Leben, für mich jedenfalls. Die Fähigkeit, andere durchschauen zu können gehört zu meinen wichtigsten Errungenschaften. Eigentlich schlimm, es schult das Mißtrauen – zahlt sich aber aus (aufgepaßt aber, man sollte nicht als Misanthrop enden).
   Noch nie war das Leben so gut zu mir wie jetzt. Nur ganz wenige begleiten mein Leben – und die reichen mir auch. Befremdlich ist für mich von aller Welt zu hören, wie man begeistert ist, immerzu Leute kennenzulernen. Was wird da eigentlich erwartet? Bücher und Filme geben mir persönlich mehr.Der Umgang mit anderen ist heutzutage ganz allgemein schwieriger denn je. Immer bedarf es eines „Zeitfensters“ (und wie ich mit Erstaunen feststelle, beginnt es schon in und vor der Schulzeit – sich spontan zu treffen ist ohne Zweckrichtung nahezu ausgestorben; unbedarft kindliches Spielen stirbt vermutlich aus). Eine üble Entwicklung. Ich mochte noch nie gerne der Lückenfüller sein. Wenn alles andere wichtiger ist – dann gehe ich für gewöhnlich auf keine Terminvereinbarungen ein außer den unumgänglichen – und zwar dort, wo das hingehört (Facharzt oder so).
   Und dann die Einschränkungen in dieser Wohlstandszeit: Dies mag jene nicht, das lehnt jener ab, sie verträgt dies nicht und er ist für jenes nicht zu haben. Jammern auf hohem Niveau gewissermaßen, selbstgeschaffene und -erwählte Lebenserschwernisse. Unverhandelbare Tabus, nie gekannte körperliche Defizite kennzeichnen die Neuzeit. Schlimme Zeiten. Muß ich mir das antun? Nein, muß ich nicht.
   Kurioserweise sind manche aufgeschmissen, wenn sie allein und auf sich gestellt sind. Verlorene Seelen: Um Himmels Willen, nur nicht allein sein! Ohne die sie zutextenden Laberer aufgeschmissen, ohne Smartphone schier nackt. Kein Unterschied zwischen einsam und allein. Wie erbärmlich. Ich bin nicht allein, schon gar nicht einsam, denn ich habe ja letztlich noch … mich. Ich bin sehr zufrieden, da ich mich in guter Gesellschaft wähne. Nichts ist mir wichtiger, als alleine klarzukommen (und zwar ohne abschottende Knöpfe in den Ohren!). Das ist ein Segen. Ich habe Zeit für mich. Andere sehr oft nicht. Sie daddeln zwar stundenlang täglich am Computer herum – und dann erkenne ich doch die Wertigkeiten. Schönen Dank auch. Die Antwort auf eine E-mail kostet wenige Minuten – aber man findet dafür keine Zeit. Schon klar.
   Irgendwann treffe ich diese enttäuschenden Zeitgenossen zufällig auf der Geschäftsstraße wieder. Frohlockende Gesichter, jubelnde Arme, „ach HallOOOO – lange nicht gesehen“. Ich verstehe es, diese aufgrund meiner Erfahrungen als lästig empfundenen Begegnungen abzukürzen. Das führt doch zu nichts (denn danach geht es so weiter wie bisher – und zwar immer!). Das brauche ich mir nun wirklich nicht anzutun. Ich habe dann grundsätzlich keine Zeit: Ich habe (mit mir) noch etwas vor. ‚Nein, tut mir das nun aber leid‘…IHR könnt mich mal kreuzweise – und dafür sind bei mir viele Termine frei.

*verarbeitet in dem Roman UNSER SCHWARZGRAUWEISSER REGENBOGEN