Mittwoch, 9. August 2017

BEGEGNUNG AUF DEM FLOHMARKT

Verrechnet – Begebenheit auf dem Flohmarkt
(eine fast wahre Anekdote um abweichende Interessen)
Es ist nun schon ein paar Jahre her, diese Begebenheit. Und wie jeder andere auch, so behalte ich Erfolge besser in Erinnerung als Niederlagen.
Sonnige Flohmärkte locken mich, es sind einige, die mir besonders lieb in meiner heimischen Umgebung sind. Wie schon wiederholt hier bei den Kolumnen und Satiren beschrieben, grase ich dort die Bücherkisten ab, das ist so mein Ziel. Und ich habe, wie auch für DVDs und CDs, eine Bücherkladde dabei, nur im Gegensatz zu den beiden anderen stehen hier die Ausgaben drin, die ich habe und nicht, die ich suche (Ausnahmen gestehe ich ein). Es gibt Autorinnen und Autoren, die mir einfach liegen, und von denen sammele ich weitgehend alles (ersetze abgegriffene Taschenbücher gegen schön Gebundenes und so weiter). Und besonders mag ich, mit Gefundenem (aber gar nicht unbedingt Gesuchtem) meinen Bestand zu ergänzen.
Ich befand mich am besagten Tag an einem „Familienstand“; das sind die angenehmsten, drei Generationen hinter dem voll beladenen Tapeziertisch – und davor, wie von mir gerne begrüßt, Kartons mit Büchern. Und dann sehe ich in einem Karton voller Krimis einen Grisham, eine neuwertige gebundene Ausgabe, ich lege mir dieses toll erhaltene Exemplar, für mich noch ein Zweifelsfall, auf den Rand des Kartons, zücke meine Suchliste und schaue, ob ich diesen Justizthriller schon in gebundener Form habe (es gibt da nämlich eine Vielzahl, die ich auszutauschen gedenke), da stehen neben mir ein relativ junger Vater mit seiner rund zehnjährigen Tochter. Während der aufgekratzte Erziehungsberechtigte mit der jungen Frau vom Stand schäkert, greift sich das liebe Töchterlein „mein“ Buch, also das von mir reservierte, derweil ich ja in meiner Mappe blättere. Ich sage sofort, nein, das laß mal bitte liegen und daß ich es mir vorgemerkt habe, und nur noch nachschaue, sofort ergreift der Vater das Buch, schaut es sich betont langsam an und versucht, die volle Aufmerksamkeit der netten Frau ganz auf sich zu ziehen. „So, was haben wir denn hier? Aha – ein Krischahm, na, der ist ja was wert.“ Feixend sucht er den Zuspruch der Dame. Die kleine Tochter ist irritiert … natürlich sagt sie nichts.
Na, was sind Sie denn bereit zu zahlen?“ wendet er sich nun erhaben an mich direkt. Ich denke, ich höre nicht richtig. Noch mal versuche ich es aufzuklären. „Ich schaue nur noch zur Sicherheit in meiner Kladde nach, ich möchte das Buch schon kaufen, ich habe es eben aus dem Karton geholt und mir auf den Rand gelegt, da ich mit beiden Händen hier nun blättere…“ - „Da kann ja jeder kommen, hat Ihnen meine Tochter das Buch etwa aus der Hand gerissen?“ hebt er rhetorisch aufwallend an und sein selbstgefälliges „Na bitte!“ hängt er postwendend an. Dabei grinst er zu der Frau vom Stand, die zunehmend verwirrt ist, aber der Drecksack will sich partout aufspielen und bleibt am Ball. „Also, was ist es uns denn wert?“
Jetzt überschlagen sich meine Gedanken – soll ich kämpfen, und zwar mit allen Mitteln, mich bei der Verkäuferin vergewissern, daß dieser Vogel nicht von ihr als Verkäufer angestellt ist – dann haben wir einmal vor uns einen Dieb und zugleich einen Hehler. Ich spiele mit dem Gedanken, meinen Dienstausweis zu zücken und mein altes Pokerspiel zu eröffnen. Ich darf das eigentlich gar nicht als Verwaltungsbeamter der Polizei, Amtsanmaßung, aber ich könnte ihn vorführen – die Chance, daß er ein Kollege oder gar Anwalt ist, würde ich durchaus riskieren, das wäre nicht das erste Mal. Das bringe ich fertig.
Andererseits würde ich ihn vor seinem Kind bloßstellen, das kleine dumme Ding weiß eh nicht, was hier gespielt wird. Schaut nur mit offenem Mund dusselig von ihrem selbstherrlichen Vater zu mir und zurück.
Ich will es nicht auf die Spitze treiben – aber sein Spielchen mache ich nicht mit. „Was es Ihnen wert ist, weiß ich nicht, mir wäre es drei Euro wert gewesen – aber bitte“, wende ich mich nun süffisant an die Verkäuferin: „Ihr Kunde – lassen Sie es sich gut bezahlen, ich überlasse Ihnen diesen zahlungswilligen Kunden!“ Und zeige auf den augenrollenden und nun völlig verdatterten, vermeintlichen Verkäufer, der prompt durch mich zum Kunden wird.
Hinter mir höre ich noch seine Irritation, „Verstehen Sie denn keinen Spaß, he SIE, was ist? Hier, kaufen Sie das blöde Buch, kommen Sie zurück!“ Ich schalte auf Durchzug, genieße es, daß er sich nun sicherlich händeringend rechtfertigen muß und hoffe, daß die geleimte Frau zumindest ihre Empörung äußern wird und er seine kratzfüßigen Bemühungen einstellen kann. Wie auch immer, ich kehre nicht um. Natürlich nicht. Diesen Sieg koste ich aus.
Übrigens: den besagten Grisham habe ich, sogar gebunden, wofür also dieser Wind. Aber geärgert hat es mich schon und ich bin Giftzwerg genug zu wünschen, daß dieser Möchtegern auch die Grenze seines Vergnügens überschritten hatte – zufrieden grinsend hakte ich das ab, damals, Jahre her.
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Nein, die Geschichte stimmt natürlich nicht: Es war in Wahrheit ….ein Ostfriesenkrimi von Hans-Peter Wolf, und die habe ich nahezu alle. Immer als günstiges Taschenbuch.

Dienstag, 1. August 2017

Frauenbuchladen

Frauenbuchladen

Eigentlich bringt es nichts, mit Heiner einen Ausflug zu unternehmen, er führt immer was im Schilde, das weiß ich – aber was ich nicht weiß – nun ja, das interessiert mich zuweilen doch.
Wir waren also mal wieder in der Großstadt, hatten gut gegessen und mir schwante schon Übles, weil er so gar nicht fragte, „Und wo jetzt nun hin?“ – er ging einfach vor mit „Wirst schon sehen“, als ich seine Frage nach dem Wohin übernommen hatte. In diesem Viertel mit schummerigen Gässchen war zumindest ich noch nie. Mit seinem schrägen Lächeln wies er auf ein Lädchen in einiger Entfernung. Das Schild verriet mir Anstrengung, ich sah es schon von weitem: FRAUENBUCHLADEN.
Ehe ich meine Nachfrage stellen konnte, erkannte er meine Ahnung und schob sofort ein: „Ich brauche für Janina ein sogenanntes Frauenbuch – also, was liegt näher…?“ Ich wollte zur Richtigstellung anheben, worum es in diesen Läden gehe, nämlich vor Typen wie ihm (ich bin ja nur der Mitläufer) zu schützen. Zu spät. Dann grinste er noch so verschwörerisch und schob nach „Wo wir doch schon mal hier sind – oder?“
Auch meine verzögerten Schritte brachten nichts, wir waren schon in der Tür. Aus dem Augenwinkel überlas ich einen Hinweis, daß MÄNNER gebeten werden…und weiter kam ich nicht, Heiner hatte mich längst vollständig hinein bugsiert.
Verschreckte, ich bin so kühn von angewiderte zu sprechen, Blicke glitten an uns herab. Warum die eine mit der Nickelbrille auf Hüfthöhe verharrte, weiß der Himmel, jedenfalls kam armwedelnd aus dem Regalbereich von hinten eine Buchhändlerin mit Namensschildchen hervor geprescht. „Das geht aber nicht, ich muß Sie höflich aber entschieden bitten…“ und Heiner wiegelte ab: „Kein Problem, wir suchen nur ein Frauenbuch, deshalb hier das Fachgeschäft – haben Sie von Eva Herman …“. Die mit einem Dutt bestückte Ambrosia von Dinkelns, wie ihr Schild verhieß, stand händeringend vor uns – und wirkte nicht mehr energisch, eher leicht verzweifelt.
So geht das nicht, Sie können nicht einfach so dreist…“ Sie würgte noch an dem Namen Eva Herman …
Dreist!? Was erlauben Sie sich, gnädige Frau, da kommt man schon ins Fachgeschäft, fragt nach einschlägiger Literatur, und jetzt wollen Sie uns, sichere Kundschaft, hinausschicken – wie Hunde aus einem Fleischerladen?“ Heiner kam nun mit der aufgekratzten Empörung, das ist sein Ding (also das andere).
Nein, nicht mal als Ausnahme – so geht das nun wirklich nicht!“ Sie wirkte ungehalten, unsere Ambrosia – das mag Heiner. Mir war es schon jetzt zu peinlich, einerseits. Andererseits, es ist doch schön anzusehen, dieses Verzagen; dieses irritierte Bemühen, von unliebsamer und aufdringlicher Anti-Zielgruppe das Lädchen zu säubern.
Haben Sie denn wenigstens im Antiquar was von Esther Vilar?“ Heiner ist nun erregt, also anders, jedenfalls verbittet er sich die zaghaften, für ihn scheinbar zudringlichen Handgreiflichkeiten. „Nicht anfassen, ich muß schon bitten, keinesfalls dürfen Sie mich anfassen!“ Das Brillenfrauchen und eine andere, unterdessen empört aus einem Regalzwischenraum blickende reifere Dame, erdolchen uns mit Blicken des Entsetzens.
Ich verlange sofort den Gleichstellungsbeauftragten zu sprechen! Erst die Juden, nun wir, ja ist es denn schon wieder so weit?“ Heiner kreischt seine Wut in ungekannter Höhenlage. Ich brauche nichts zu tun, zu sagen - nur miterleben. Heiner LIVE. Hysterie vom Feinsten.
Und überhaupt, wo ist eigentlich Ihr Kopftuch? So geht das aber auch nicht!“
Wir sind schon durch mein Zutun an der Schwelle angelangt; und ehe nun eine der Verbündeten die Polizei ruft, beenden wir auf meinen Wunsch den Auftritt. Begütigend versuche ich den vermeintlich überschäumenden Heiner in meinen Armen zu besänftigen.
Hinter uns wird die Tür verschlossen – auch das noch. Man hört sogar einen zusätzlichen Riegel. Na toll. Der ganz große Auftritt also. Geschafft – vorbei.
Du gibst viel zu früh auf“ erzürnt sich Heiner, auf einmal wieder Herr seiner Sinne, weiter bei mir, bevor er in ein seliges Grinsen verfällt, „haste die Maus mit der Brille gesehen – die kramte schon in ihrem Juteumhang nach ihrem Frauen-Not-Telefon!“
Genau“, sagte ich, „und deshalb wurde es auch Zeit zu gehen. Wenn es am schönsten ist, soll man –MAN!- ja gehen, Heiner.“
Ach nein, da war noch mehr drin – ich wollte noch nach DVDs fragen, sind heute doch in jeder Buchhandlung auch erhältlich, ob sie Russ-Meyer-Filme haben, diese ollen Klassiker mit den Atom-Titten, alles noch echt, kein Silikon, der hatte ein Händchen für echte Frauen!“
Ich bin mir sicher, wir waren gerade noch rechtzeitig entkommen.