Verrechnet
– Begebenheit auf dem Flohmarkt
(eine
fast wahre Anekdote um abweichende Interessen)
Es
ist nun schon ein paar Jahre her, diese Begebenheit. Und wie jeder
andere auch, so behalte ich Erfolge besser in Erinnerung als
Niederlagen.
Sonnige
Flohmärkte locken mich, es sind einige, die mir besonders lieb in
meiner heimischen Umgebung sind. Wie schon wiederholt hier bei den
Kolumnen und Satiren beschrieben, grase ich dort die Bücherkisten
ab, das ist so mein Ziel. Und ich habe, wie auch für DVDs und CDs,
eine Bücherkladde dabei, nur im Gegensatz zu den beiden anderen
stehen hier die Ausgaben drin, die ich habe und nicht, die ich suche
(Ausnahmen gestehe ich ein). Es gibt Autorinnen und Autoren, die mir
einfach liegen, und von denen sammele ich weitgehend alles (ersetze
abgegriffene Taschenbücher gegen schön Gebundenes und so weiter).
Und besonders mag ich, mit Gefundenem (aber gar nicht unbedingt
Gesuchtem) meinen Bestand zu ergänzen.
Ich
befand mich am besagten Tag an einem „Familienstand“; das sind
die angenehmsten, drei Generationen hinter dem voll beladenen
Tapeziertisch – und davor, wie von mir gerne begrüßt, Kartons mit
Büchern. Und dann sehe ich in einem Karton voller Krimis einen
Grisham, eine neuwertige gebundene Ausgabe, ich lege mir dieses toll
erhaltene Exemplar, für mich noch ein Zweifelsfall, auf den Rand des
Kartons, zücke meine Suchliste und schaue, ob ich diesen
Justizthriller schon in gebundener Form habe (es gibt da nämlich
eine Vielzahl, die ich auszutauschen gedenke), da stehen neben mir
ein relativ junger Vater mit seiner rund zehnjährigen Tochter.
Während der aufgekratzte Erziehungsberechtigte mit der jungen Frau
vom Stand schäkert, greift sich das liebe Töchterlein „mein“
Buch, also das von mir reservierte, derweil ich ja in meiner Mappe
blättere. Ich sage sofort, nein, das laß mal bitte liegen und daß
ich es mir vorgemerkt habe, und nur noch nachschaue, sofort ergreift
der Vater das Buch, schaut es sich betont langsam an und versucht,
die volle Aufmerksamkeit der netten Frau ganz auf sich zu ziehen.
„So, was haben wir denn hier? Aha – ein Krischahm,
na, der ist ja was wert.“ Feixend sucht er den Zuspruch der Dame.
Die kleine Tochter ist irritiert … natürlich sagt sie nichts.
„Na,
was sind Sie denn bereit zu zahlen?“ wendet er sich nun erhaben an
mich direkt. Ich denke, ich höre nicht richtig. Noch mal versuche
ich es aufzuklären. „Ich schaue nur noch zur Sicherheit in meiner
Kladde nach, ich möchte das Buch schon kaufen, ich habe es eben aus
dem Karton geholt und mir auf den Rand gelegt, da ich mit beiden
Händen hier nun blättere…“ - „Da kann ja jeder kommen, hat
Ihnen meine Tochter das Buch etwa aus der Hand gerissen?“ hebt er
rhetorisch aufwallend an und sein selbstgefälliges „Na bitte!“
hängt er postwendend an. Dabei grinst er zu der Frau vom Stand, die
zunehmend verwirrt ist, aber der Drecksack will sich partout
aufspielen und bleibt am Ball. „Also, was ist es uns denn wert?“
Jetzt
überschlagen sich meine Gedanken – soll ich kämpfen, und zwar mit
allen Mitteln, mich bei der Verkäuferin vergewissern, daß dieser
Vogel nicht von ihr als Verkäufer angestellt ist – dann haben wir
einmal vor uns einen Dieb und zugleich einen Hehler. Ich spiele mit
dem Gedanken, meinen Dienstausweis zu zücken und mein altes
Pokerspiel zu eröffnen. Ich darf das eigentlich gar nicht als
Verwaltungsbeamter der Polizei, Amtsanmaßung, aber ich könnte ihn
vorführen – die Chance, daß er ein Kollege oder gar Anwalt ist,
würde ich durchaus riskieren, das wäre nicht das erste Mal. Das
bringe ich fertig.
Andererseits
würde ich ihn vor seinem Kind bloßstellen, das kleine dumme Ding
weiß eh nicht, was hier gespielt wird. Schaut nur mit offenem Mund
dusselig von ihrem selbstherrlichen Vater zu mir und zurück.
Ich
will es nicht auf die Spitze treiben – aber sein Spielchen mache
ich nicht mit. „Was es Ihnen wert ist, weiß ich nicht, mir wäre
es drei Euro wert gewesen – aber bitte“, wende ich mich nun
süffisant an die Verkäuferin: „Ihr Kunde – lassen Sie es sich
gut bezahlen, ich überlasse Ihnen diesen zahlungswilligen Kunden!“
Und zeige auf den augenrollenden und nun völlig verdatterten,
vermeintlichen Verkäufer, der prompt durch mich zum Kunden wird.
Hinter
mir höre ich noch seine Irritation, „Verstehen Sie denn keinen
Spaß, he SIE, was ist? Hier, kaufen Sie das blöde Buch, kommen Sie
zurück!“ Ich schalte auf Durchzug, genieße es, daß er sich nun
sicherlich händeringend rechtfertigen muß und hoffe, daß die
geleimte Frau zumindest ihre Empörung äußern wird und er seine
kratzfüßigen Bemühungen einstellen kann. Wie auch immer, ich kehre
nicht um. Natürlich nicht. Diesen Sieg koste ich aus.
Übrigens:
den besagten Grisham habe ich, sogar gebunden, wofür also dieser
Wind. Aber geärgert hat es mich schon und ich bin Giftzwerg genug zu
wünschen, daß dieser Möchtegern auch die Grenze seines Vergnügens
überschritten hatte – zufrieden grinsend hakte ich das ab, damals,
Jahre her.
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Nein,
die Geschichte stimmt natürlich nicht: Es war in Wahrheit ….ein
Ostfriesenkrimi von Hans-Peter Wolf, und die habe ich nahezu alle.
Immer als günstiges Taschenbuch.