Freitag, 19. Juli 2019

Bürgerpflicht

Und so ist es jedes Jahr
(aus der Reihe: Alle Tage Alltag)
Ja, die Bürgerpflicht: mich trifft sie bei meinem Eckgrundstück doppelt: besonders beim Stutzen der Hecke.
Es ist mir eine Überwindung, alle Jahre wieder (ich merke gerade, darüber zu schreiben fällt mir wesentlich leichter – und das dürfte wohl allgemein seltener der Fall sein – obwohl manche ja mitunter stöhnen: ach, da könnte ich ja ein Buch drüber schreiben).
Am liebsten schneide ich zu den Nachbarn hin, da wird nur mal kurz geäugt („Ah, schau an, ‚der‘ hat sich mal wieder einen Ruck gegeben“). In der Höhe zu stutzen kann ich auch noch aufschieben, und das liegt mir, dieses ‚Erst-mal-nixtun‘, kann ich mich doch auf den Schutz für die Vogelwelt berufen; schon gerade in meiner grünen Monster-Begrenzung wird gerne gebaut und Familie gegründet) – aber zur Straße hin, da muß es nicht wieder zu einem ‚Blauen Brief‘ der Gemeinde kommen. Also ran ans Werk, an die wuchernde Wildnis. Denn auch die braune (deutsche) Tonne will befüllt und korrekt abgestellt sein (haben Sie das auch schon bemerkt, je mehr wir beim Müll mitarbeiten, je weniger der Landkreis tut – umso mehr darf der Bürger zahlen!) …ich schweife ab.
Ich scheue aus Erfahrung die Straßenseite, schon gerade die Seitenfront mit dem Bürgersteig. Dort kommen die entfernten Nachbarn vorbei. Die älteren Damen ‚gehen‘ ja noch („jaja, nix als Arbeit hat man…und das wächst und wuchert aber auch wieder“) - so in der Art. Sie bleiben jedenfalls nicht stehen, und das finde ich auch gut so. Die ‚ollen Säcke‘ aber sind es (wie jetzt, Spiegelbild?) – die betagten Knaben, wo es doch heißt, sie hätten keine Zeit, immer unter Zeitdruck und so, schon gerade die finden auf einmal Lust und Laune, stehen zu bleiben, irgendeiner so sicher wie Sauerkraut zum Eisbein (was soll das jetzt?) – und aus der Erfahrung weiß ich, daß ich just in dem Moment noch eine andere Heckenschere oder Astschere brauche – eile unverzüglich ins Haus, trinke dort aber ein Käffchen und schätze ein, daß sich der Nervtöter inzwischen getrollt hat.
Besonders heiße ich ja den Beratertyp ‚willkommen‘; der baut sich dann auf, macht die Armschlinge oder legt die Hände ineinander – wenn er Luft holt, bin ich schon weg. Nicht immer bemerke ich einen Heckengast bei der Annäherung, wohl aber meinen zuverlässigen Labersack von 5 Häusern weiter, der keckert sich schon näher, es klingt wie das zaghafte Wiehern eines albernen Gauls, und der kommt immer – immer! – egal, zu welcher Tageszeit ich mich ans ungeliebte Werk mache, und zwar alle Tage wieder – denn ich teile mich ein, mache seit einiger Zeit lieber häufiger kurz als einmal lang (woran erinnert mich das jetzt, egal) – es soll jedenfalls nicht in Arbeit ausarten, niemals (und nirgendwo).
Vor wenigen Jahren hatte ich es schon mal mit der Mark-Twain’schen Tom- Sawyer-Nummer versucht, als jener mit Inbrunst den Gartenzaun von Tante Polly zu streichen hatte, dies aber mit einer solchen Verzückung gestaltete, daß andere Kinder ihn baten, doch auch sie mal an den Pinsel zu lassen – und er sich gegen einen Obulus breitschlagen ließ, das Vergnügen zu teilen und die Rasselbande in Reih und Glied einteilte, daß auch jeder mal rankam …da hatte mein Nachbar-Schlitzohr aber dann doch den Braten gerochen. Seitdem nähert er sich keckernd, er rechnet mit meinem Jux, der lästige Zausel.
Schlimmer sind Begegnungen mit Unbekannten, die sich aber als persönliche Ratgeber entpuppen, wie ich optimaler die Elektro-Sense handhaben sollte, wo noch was ihrer Meinung nach übersehen erscheint, und ich nur noch maulfaule Loriot-Antworten gebe („Ach was?“) – aber was von sich zu geben gehört zum ‚guten Ton‘ – so sagt man.
Und dann noch die zwischen ‚Du‘ und ‚Sie‘ salbadernde altertümliche Land-Gattung, die einen in der Mehrzahl anredet („Habt Ihr ja wieder ordentlich was vor Euch, wat“ oder „da habt Ihr ja nicht mehr viel – ist bald vollbracht, wie immer“) – hö hö hö.
So, ich muß ein Ende finden – jetzt am frühen Morgen, so ist derzeit mein Erfolgsrezept, wo alle denken, oh, der will der Hitze zuvorkommen – es stimmt nur zum Teil: die Brötchen-Holer defilieren, und die wollen heim zum Käffchen. Und das gehört freilich ausgenutzt – meine Chance zur wortlosen Pflichterfüllung.