Mittwoch, 23. April 2014

Posing für alle

Weil man das so macht

(die großen Gesten der kleinen Leute)

„Gib mir fünf!“ Oh, yeah. Alle machen es, das Abklatschen, schon die Kleinsten werden von den Alten darauf getrimmt – das macht man heute so. Hand her – klatsch. Ganz dolle. Der Anlaß kann gar nicht gering genug sein, um wieder eine Runde einzuläuten. Das verbindet: „High Five“ – oh oh yeah! „Schlag ein!“ Die Seuche blüht.

   Das ist auch nicht ganz neu. Rituale gab es schon immer. Und unkaputtbare Gesten, allen voran die Telefongabel – ja, wir telefonieren dann! Abgespreizter Daumen und kleiner Finger – auch heute noch in den Castingshows die ultimative Aufforderung, doch bitte-bitte für einen anzurufen. Das Handküßchen der Mädels gibt es obendrauf, den Augenknipser der Burschen ebenso. Und vereinzelt schon ganz modern angepaßt, das symbolische Eintippen in die Hand und dann ans Ohr (das erscheint mir durchaus zeitgemäßer).

   Oder: Wir sehen uns – zwei dolchende Finger in eigene Augen und die des Gegenübers, im Guten wie im Bösen, freundlich oder feindlich gemeint, alles möglich.

   Besonders beliebt in der Sportwelt – das Beißen in die Goldmedaille, das fordern die Reporter immer, ob es der Akteur mag oder nicht, er muß einfach mitspielen – und in der Euphorie des Erfolges wird es auch nur zu gerne getan. Fremdschämen, das muß gar nicht sein – die eigene Verlegenheit der Genötigten reicht schon. Überhaupt suchen die Kameras die lohnenden Schnappschüsse. Gerade der Fußball bietet mit den Rasen-Knie-Rutschern, dem Zickzack-Lauf mit den ausgestreckten Segelarmen, den eigenwilligen Tänzen um die Eckfahne, den stehenden Posen und den jubelnden Grimassen eine Wundertüte aus schier unerschöpflichen Pfründen. Das schaut nicht unbedingt spontan aus, das wirkt eher wie Vorbereitung, Probe und Kalkül. Arschwackler, Trikotschwenkerei und vieles mehr, der blödesten Gestik ist keine Grenze gesetzt. Daumen hoch, klar-doch, das ist doch wohl das Mindeste! Wer bin ich denn, wenn nicht ich!?

   Und in der Welt des Films – und gerade der unüberschaubaren Flut saublödester US-Serien, sehe ich es unablässig: Sie beginnen alle mit dem gleich dämlichen Vorspann, daß die Hauptakteure von der Seite oder unten in Zeitlupe cool zum Objektiv blicken, mit starrem Blick um die Gunst der Quotenbereiter buhlen – das macht man so heute, es besteht gar keine Müdigkeit oder gar Überdruß, das noch und nöcher weiterzutun. Alle machen willfährig mit – wir in Deutschland stehen da nicht nach, undenkbar. Und erst die Posen auf den roten Teppichen – die Damenwelt bietet eine Parade der schrecklichsten Selbstverliebtheit – dusseliges Mienenspiel törichter Blicke (fast hätte ich MINE geschrieben – für mich naheliegend – zum „Hochgehen“ finde ich es, immer die gleichen Posen, Bein seitlich ausgestellt, Arm eingestützt, Kopfhaltung schräg geneigt – Schokoladenseite (braun wie Kacke). Aber das machen doch alle, weil man das so macht?!

   Aus den gelobten United States kommt es, und mit Jubel-Hurra wird das alles gutgeheißen, Kappe auf den Dez, je schräger und verkehrter, desto besser – und niemals normal gehen, nie und nimmer – Cool ist der schlurfende Gang, Beine träge nachziehen, besonders bei den schnellsten Sprintern macht sich das herrlich, aber auch bei einem lässigen Präsidenten – das hat was – cool, man! Hauptsache entspannt wirken, in der aufgesetzten schlaffen Pose, das ist es – das macht die Show aus. Bein Männern baumeln die Arme relaxt, bei Frauen wird zumindest einer angewinkelt, wie mit Handtasche früher, nur heute ohne – das ist chic, das schlaffe Patschehändchen (immer wieder ein Blickfang für mich, ich komme davon einfach nicht los). Und sie strahlen es alle aus: wer bin ich denn – wenn ich nicht ich bin. Jeder kann alle sein, für auch nur Minuten – der WHO im Wer-ist-wer, oder gut neudeutsch: der WER im Who is who.

   In der Rockmusik die Teufelshörner, die Frittengabel (Zeige- und kleiner Finger hochgespreizt) – das ist es, Alter! Das eint uns – wir sind eine Gemeinschaft. Wir machen alle mit, bis morgen früh und trallala (Karneval möchte ich mir hier und jetzt ersparen). Wir sind alle wir, yep.

      Ein anderes Mal befasse ich mich mit den ganzen Sprüchen, was man so nachplappert, weil es so üblich ist (Sie wissen schon: Trinksprüche von KOPP IN DEN NACKEN und SO JUNG KOMMEN WIR NICHT MEHR …all das, was so schön gleichmacht und verbindet) – und wir hier unten sagen anerkennend von denen da oben: „Der macht alles mit, der ist einer von uns!“ Und der Chef, der Großkotz, kann sich die Hände reiben – er hat dem Fußvolk verschwörerisch einträufelnd versichert, ganz normal geblieben zu sein. Sie glauben es nur zu gerne. Herrlich, einfach nur schön zu beobachten. Das Wir-Geschmier. Pakt und Bündnis für die, die es glauben.

   Pardon, ich kann nicht mehr. Ich muß nun schließen – mir ist schlecht von all den Bildern vor Augen, ich muß kotzen – gaaaanz cool, Leute!

Freitag, 18. April 2014

Fachsprache

Wer sagt das denn?

(die besonderen Kniffe im Alltag)
Dies hier ist nicht umfangreich recherchiert – aber für einen kleinen Blog soll es erst mal ausreichen. Ich fuhr dieser Tage runter ins Tal zum großen Oster-Lebensmitteleinkauf, da bewegte sich Orange am Straßenrand. Ich wollte gerade Gas geben, dachte „och, sind doch bloß Holländer“, da merke ich, es sind Straßenarbeiter – na, für die bremse ich doch gerne.

   Fähnchen, Blinklämpchen und dann aber das Schild Holzfällung. Hm, denke ich, und der olle Hochzieher in mir meldet sich, es werden doch Bäume gefällt – und dann erst (Vorsicht, Gag:) „fällt“ Holz an. Obwohl, der Beruf heißt ja Holzfäller (uralter Witz hierzu siehe unten). Aber, da bin ich jetzt mal vorsichtig: Das könnte ja Fachsprache sein …

   Wir denken dran: der Germanist sagt Rechtssprechung, die Jurisprudenz nimmt aber das eine S raus und begnügt sich mit Rechtsprechung (die wollen wohl Zeit sparen, meine ganz besonderen Spezis, die Juristen). Gewerkschaftler nennen sich Gewerkschafter. Kommen auch ohne Dehnung aus. Na, meinetwegen, wie sie wollen.

   Der Elektriker sagt nicht Glühbirne – der nennt unsere Birne Lampe. Bei der Pflege von Menschen heißt es nicht füttern, sondern Essen anreichen oder so, die Frisörin mag Friseuse gar nicht, so wie auch der Schuhmacher zumeist den Schuster nicht akzeptiert etc. pp.

   Überall die Eigenheiten. Ich schrieb vor einiger Zeit schon von dem großen Schriftsteller Martin Walser, der damals bei der großen „Reform“ unserer RECHTschreibung (Änderung wohl, Verbesserung erkenne ich wirklich kaum)– er würde niemals rauh ohne H schreiben. Ich habe mich sofort nach der Ruhestandsversetzung entschlossen, muß nie und nimmer mit zwei S zu schreiben. Denn nun sagt mir keine oberste Dienstbehörde mehr, wie ich als Verwaltungsbeamter im gelobten Rheinland-Pfalz gefälligst schreiben muß … ich bin nur noch PRIVAT (Herr meiner Zeit / nie mehr fremdbestimmt, unbezahlbar!). Wie schön, in Freiheit zu leben.

   Ach so, zum Thema Holländer runde ich noch ab – ich liebe Amsterdam! Wunderschön, wäre es nur nicht in den Niederlanden. Na gut, alles geht halt doch nicht. ;-)
Mit giftzwergigem Ostergruß - Wolfgang „von Nauort“
Ach ja, noch der versprochene (uralte) Witz:

Kommt ein kleiner, unscheinbarer Mann und bewirbt sich im Forstbetrieb als Holzfäller. Der alte Oberförster will ein Gutmensch sein und den kleinen schwächlich ausschauenden Kerl nicht verletzen, bietet ihm zur Probearbeit einen mitteldicken Baum an, den solle er mal fällen, er käme später wieder…dreht um und will gehen, da hört er nach rasendem Gehacke „Fertig!“. Er ist völlig von den Socken, bringt den Wicht zu einer dicken Fichte – und wiederum: kaum hat er sich umgedreht, ist das Männlein fertig. „Sagen Sie mal, wo haben Sie das denn gelernt …das ist ja unglaublich!“ Der Kleine schwingt die Axt auf die Schulter und sagt: „Ich komme doch aus der Wüste.“ „Was, fragt der Holzfäller-Kommandeur, aus der Wüste??? Dort gibt es doch gar keine Bäume!“ „Tja“, entgegnet der Kleene zackig -„JETZT NICHT MEHR!!!“ 

Samstag, 12. April 2014

Deutsch-Sprech II


Deutsch-Sprech II

Ich habe mich mal umgehört …

( ein optimierter 2014er Do-it-yourself-Kurs)

 Für no cash biete ich here and now  einen Schnellkurs für das life today  an, damit nichts wrong  läuft – understand? Nehmen Sie sich am weekend ein wenig time – Sie können sich in the meantime fast upgraden, you know? Und es muß nicht auf - ja! -international English angepaßt sein, auch in purer Heimatsprech ist es möglich, im today mitzuhalten. Ganz easy, fügen Sie folgende Floskeln und Phrasen in den next smalltalk ein:
- Wie geil ist das denn?

- Wonach sieht es denn aus?

- Das macht voll Sinn!

- Ja! (nach kurzem Zögern den Satz fortsetzen)

- Alter …(als Anrede, egal ob Männlein oder Weiblein!)

- Boah ey (könnte bereits veraltet klingen, scheint aber noch zulässig)

- ……okaaaay (wenn Sie interessiertes Zuhören playen- voll crazy, right?)
  Wenn Sie es schaffen, eine dieser Formulierungen in einem talk von one minute unterzubringen (sofern es Ihnen nicht ohnehin by the way unterläuft, dann brauchen Sie daran nicht zu worken) - dann sind Sie schon spitzenmäßig im Sprachtechnischenangekommen, well. Es sind erlesene Sprüche, ohne die es heute einfach nicht mehr geht, really.
   Damit verfügen Sie über einen soliden ground, auf dem sich beliebig fortune gründet – basicly

Congratulations! Sie sind on the top!  Und never: Nur nicht loosen!!!

das geht gaaar nicht!

Sonntag, 6. April 2014

WUTBÜRGER

Verpißt Euch!

- ein ungeplanter Horrorfilm –

Ja wirklich, ich pausiere nun. Es ist ungewollt gekommen, aber ich denke, es ist auch besser so, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Schief gelaufen ist es mit dem doch gut gemeinten Kurzfilm, den ich drehen sollte, geehrt hatte ich mich gefühlt, daß man mich damit betraut hatte. Und ich bin dann auch ein wenig hochnäsig an die Sache herangegangen, das räume ich ein, wollte vor allen Beteiligten erfahren und souverän wirken – ich war guten Mutes …

Um es kurz zu machen, ich wollte ganz bewußt nicht lange proben; spontan sollte es kommen, aus einem Guß sozusagen. Die Kameras hatte ich wohlbedacht auf verschiedene Blickwinkel einstellen lassen, die Gesamtaufnahme für das offene Lokal in der Einkaufspassage aus zwei Richtungen bestens erfaßt, die Feineinstellung auf besagten Tischbereich des Schnellrestaurants ausgerichtet. Keine Sprechproben nach vorgegebenem Text, keine penible Zuteilung der Zeitanteile - frei Schnauze eigentlich, das war alles kühn überlegt. Der letzte Schliff dem Schnitt vorbehalten, fertig und aus.

Und dann waren wir bereit, den „Wutbürger“, den Mann von nebenan loszulassen, den unscheinbaren Jedermann, der Zivilcourage zeigt, seinem Herzen im Sinne der Zuschauer mutig Luft macht. Der kleine, ältere, dicke Herr sollte in das weitläufig überschaubare Lokal entspannt hereinkommen, sich kurz umschauen, vereinbarungsgemäß betroffen stutzen und kurzentschlossen zielstrebig auf den Tisch mit der radikal ausschauenden Bande zugehen und loslegen, wie es ihm zumute war. Verstört sollte die Gruppe der gewalttätig Anmutenden reagieren, betreten und fassungslos konsterniert letztlich das Feld räumen. Couragiert Klartext reden, soweit die Vorgabe, so war es gedacht mit diesem Werbespot über die unerhört tapfere Wehrsamkeit des vermeintlich eingeschüchterten Bürgers. Und dann ging es los.

Der Laiendarsteller kam hereingeschlendert, schaute sich souverän um, erblickte sein Ziel und ging spontan zielstrebig …auf den falschen Tisch zu. Unsere postierte Gruppe der tätowierten Skinheads befand sich doch zwei Tische weiter! Es war in der Zwischenzeit eine Gruppe Neonazis hereingekommen, hatte Platz genommen; manche Gäste waren postwendend aufgestanden und hatten das Weite gesucht …und nun, unser Darsteller trat an den Tisch mit den kahlgeschorenen Schwarzträgern und hielt nicht hinter dem Berg, mit seiner Standpauke: „Verpißt Euch, aber dalli-dalli, Ihr gottverdammten Kanalratten – ab, macht Euch bloß aus dem Staub, sonst setzt es was! Sowas dulden wir hier nicht, aber zackig, Ihr …“ und ab da war er nicht mehr zu verstehen.

Seine Tochter sagt uns, sie habe ihn eindeutig wiedererkannt, auf der Intensivstation, sie meint es jedenfalls. Beschwörend hat sie es uns glaubhaft versichert. Und die Geräte zeigen auch an, daß er lebt!

Ich glaube, ich mache keine Kurzfilme mehr – jedenfalls nicht in realer Umgebung. Nicht alle Leute sind reif für die Kunst. Perlen vor die Säue, sage ich nur!