Samstag, 22. Dezember 2018

The same procedure as every year

…wie jedes Jahr
(und bald ist es wieder soweit)
In den 60er Jahren ( ja-a, 1960er), ich saß noch mit Mutti und Papa auf dem Sofa, wir schauten auf unseren Fernsehapparat, und wenn sich dann Witzhelden um die Löffel hauten, dann lachten mein Vater und ich wie verrückt. Meine Mutter war entsetzt. Aber bei Heinz Erhardt war sie mit im Boot – und ihr absoluter Favorit: Silvester – DINNER FOR ONE – da waren wir einig.
Ich denke, die vielen Kopien, die es mittlerweile gibt, hätten ihr mißfallen, und auch des Englischen nicht mächtig, hätte sie niemals irgendeine deutsche Platt-Version akzeptiert. Egal, ich habe stets meine Freude daran.
Meiner Mutter zu Ehren, nun schon, mit einigen Tagen Anlauf, dieses Quiz.
Gesuchtes Lösungswort: ….. 2018
5 Buchstaben, die sich aus folgenden richtigen Antworten ergeben:
  1. Die berühmteste Version aus Deutschland mit englischem Text (Freddie Frinton und May Warden) stammt aus welchem Jahr?
           A) 1959 B) 1960 C) 1962 D) 1963
  1. Mit welcher Suppe beginnt die Sauforgie (Miss Sophie speist ja)?
L) Tomatoe M) Turtle A) Mulligatawny O) No Soup, James!


  1. Er stolpert bei seiner Runde stets über ein Fell, und zwar
F) Löwe J) Bär N) Tiger O) Eisbär


  1. Nach den verblichenen Lovern zu fragen (Sir Toby, Admiral von Schneider, Mister Pommeroy und Mister Winterbottom) finde ich unangemessen, in der Kölschen Version, spielend 2064, mit Ralf Schmitz und Annette Frier, sitzt Alfred Biolek mit am Tisch, ich habe ihn gegen einen anderen „Kölsche Jung“ ausgetauscht, wer also ist kein Gast:
K) Wolfg. Niedecken I) Hans Süper M) Reiner Calmund U) Dirk Bach


  1. Wie lauten die Schlußworte des Butlers
S) Wir schaffen das! W) Viagra, please!
E) Well, I’ll do my very best! P) Action!




Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern ein angenehmes Weihnachtsfest und ALLES GUTE für 2019!


HINWEIS (nur für unsichere Interessenten):
Es muß nicht unbedingt gegoogelt werden – wie immer ist der Originalverfasser verarmt gestorben, in den klassischen 20ern gab es schon das Stück von Lauri Wylie. Freddie Frinton, bei allem Vorbehalt gegen Deutschland, brachte es 8 Jahre nach Kriegsende zu uns, bestand aber auf den englischen Text und verstarb, bevor es mit ihm, wie geplant, in Deutsch und Farbe neu aufgenommen werden konnte. Ich habe bis heute noch keine Gelegenheit gehabt, diese scharfe Currysuppe zu kosten. Im Original war zunächst an einen Eisbären gedacht, nachdem Frinton aus Versehen gestolpert war und dies so besonders beim Publikum ankam; sein Standardrequisit mußte auf Grund der vielen Auftritte sogar geflickt werden (mit einem ähnlich anmutenden Leopardenfell), egal – er konnte nicht ahnen, daß ICH später einen Kölschrocksänger in ein Quiz einbauen würde. Ob er in der legendären deutschen Version (mit Otto als Miss Sopie und auch da schon Ralf Schmitz als saufendem Butler) überhaupt Moser, Lingen, Erhardt und Carrell gekannt hätte? Er wollte jedenfalls zum Schluß sein Bestes geben…wie dies meiner Mutter auf Deutsch gefallen hätte - ich weiß es nicht.

Samstag, 15. Dezember 2018

Leute gibt’s…

Der Clevere
(eine Anekdote)
Ein Aufnahmetermin, ich stehe dicht dabei, bekomme es hautnah mit.
Schnarchen? Ob ER schnarche? Also, ich sag mal so, meinte er, seine Frau habe umgehend das Ehebett verlassen – dann auch das Nebenzimmer, zuletzt habe sie das Stockwerk gewechselt. Im Haus wolle sie aber bleiben.
Oh, wirklich…
Es habe auch schon Beschwerden der Nachbarn gegeben – einmal sei eine Funkstreife gekommen, man habe gemeint, es werde jemand getötet.
Ach herrje…
Leute zwei Häuser weiter hätten neulich eine Unterschriftenaktion gegen ihn gestartet – nach einer neuen Dreifachverglasung sei es nun wirklich am Ende mit ihrer Toleranz.
IST JA GUT – Sie bekommen ja das einzige noch freie Einzelzimmer!
Schon am nächsten Tag kommt ihn seine Frau besuchen, ich höre, wie sie ihn vermisse, so allein in der Nacht …ich bin im Nebenzimmer mit einem empfindlichen Mitstreiter: wir haben uns alle Mühe gegeben, wir hören den cleveren Typ ganz und gar nicht.

Donnerstag, 1. November 2018

Halloween 2

Kein ÖSI-Gruß: Halloween!
(Weitere Erfahrungen aus der Provinz zum neuen Brauchtum)
Natürlich kann ich immer wochenlang zuvor nur schwer schlafen: Als was wird die wohl nach eigener Einschätzung alterslose Heidi Klum dieses Jahr gehen? Das sind die Probleme der Zeit, völlig klar. (Und das scheint alle Welt zu interessieren, was diese, für mich absolut nicht nachvollziehbare Popularität einer Frau, deren Lebensinhalt sich auf die Beherrschung der Werbeblöcke und das alberne Gestakse auf dem „Katzengang“ beschränkt – zuerst die lukrative Eigendarstellung, nun ausgiebig andere quietschig abzuschießen: „Ich habe aber heute kein Foto für Dich!“ – was die sich wohl dieses Jahr wieder mal Famoses hat einfallen lassen.)
Halloween, ich werde es wohl trotz immer weiter steigender Intensität niemals nachvollziehen, was das soll – von peinlich berührt bis angewidert reicht meine Beinahe-Totalablehnung, wären da nicht die Kinder, die mich amüsieren. Unvergessen letztes Jahr, als mir eine putzig-verwegene Schar „Süßes oder Saures“ verschämt entgegen krähte – und ich dann zum stummen Entsetzen entgegnete: „Och ja, was Süßes wäre nicht schlecht – was habt Ihr denn so dabei?“ Nach anfänglicher Schnappatmung fingen sie sich, unterdrückten ihre Empörung und belehrten mich, daß doch wohl ich es sei, der, und sie hatten sich doch aus diesem Anlaß aufwändig kostümiert, nun Besagtes unter Androhung von Gewalt herauszurücken habe. Ein schöner Moment. Mit ganzer Hingabe hatten sie sich vermutlich durch tatkräftige Unterstützung der angerührten Mütter aufgebretzelt, sogar die Hexen und Gespenster schauten goldig aus. Der Horror roch nach Ketchup.
Gestern Abend klingelte es nach 18 h, stockfinster längst – und dank der Germanen-Heidi hatte ich an den Anlaß gedacht, hatte schon Kinderschokolade bereit (für mich Schoko für Kinder, nicht von, clevere Werbung): In Anbetracht der vorgerückten Stunde (ja, ich gehöre zu den Hühner-Menschen, wird es hell, werde ich wach, wird es dunkel, beschließe in den Tag und widme mich im Morgenmantel dem lehrreichen TV-Programm, BRISANT und EXCLUSIV, ich will ja im Bilde sein) – kurzum: ich verzurre nochmals mein Gewand, um nicht selber zum Erschrecker zu werden, mache das Außenlicht an, öffne die Tür und setze zu meinem vorfreudig geplanten Schrei des Entsetzens an …da stehen vor mir zwei eindeutig ausländische Buben, sicherlich schon 10 oder 11 Jahre alt, ein Hauch von Kajal um die Augen, nicht mehr – aber große Jutetüten mit reichlich Beute schleppend. Nix von wegen scheu-verschämte niedliche Gruselprinzessinnen und so. Halb gelangweilt murmelten sie ein „Süßes oder Saures“ vor sich hin, bald schien wohl Feierabend zu sein; sie musterten mich und schauten sich dabei verstohlen an. Ich hatte ja das süße Zeug in der Hand, zum Gurkenglas war es zu weit …wir beendeten zur gegenseitigen Erlösung unsere Auftritte – Übergabe, fertisch für dieses Jahr.
Halloween ist auch nicht mehr, was es mal war.


Donnerstag, 25. Oktober 2018

Duden 2

Du…Du…Duden, Du!
(das hier könntet IHR doch noch machen)
In Anbetracht unserer alles andere als „heilen Welt“ (Natur, Politik) sind meine Empörungen natürlich die wahren „Peanuts“, das räume ich sicherlich ein, es ist ein Jammern auf hohem Niveau, wie man heute so gerne sagt. Das ist auch mir klar.
Eine von mir wertgeschätzte „German(ist)in“, mit der ich zumeist einen fernen Kontakt pflege, die sich aber nicht öffentlich äußern möchte, meint, es werde noch dazu kommen, daß wir uns am Süden unseres Sprachbereichs ( Bayern, Ösi-Land) zu orientieren haben. Die dort K für CH sprechen (China, Chemie; na gut, Chemnitz ist nicht auf dem dortigen Mist gewachsen) – also im FREISTAAT BAYERN hat sich durch die jüngsten Wahlen nur zeitlich etwas verzögert, aber in der Schriftsprache werden sie, ist zu befürchten, auch bald übergriffig.
Immer häufiger hören wir schon WÄGEN, DRÜCKE,VERBRÄUCHE und solche schrecklichen Begriffe und irgendwann nehmen wir sie als selbstverständlich und dann ist es auch nicht mehr weit und die Duden-Dödel, also die Düdel, greifen es beherzt auf – au ja, das machen wir nun als neues „Gesetz“.
Es schmerzt schon in meinen Ohren, wenn ich es in Nachrichten, Magazinen, aus allen Richtungen zu hören bekomme. Und das wirkt nachhaltig, das schleicht sich ein. (Ich will nun nicht wieder meine Dauererreger aufzählen, jeder hat da ja seine persönliche Schmerzgrenze.) Einen nur: „UNTER der Woche“, wenn ich das schon höre…..wie eine Pest greift das seit einiger Zeit um sich, schlagartig. Vor Jahren wäre im normalen Deutschland absolut niemand auf eine so hirnrissige Formulierung gekommen. Nun allerdings: allüberall. Begeistert wird es nachgeplärrt.
Lebendige Sprache also – und ich verschließe mich ja auf die alten Tage nicht kategorisch. Von jedem Grundsatz gibt es Ausnahmen, kenne ich aus meinem Arbeitsleben nur allzu deutlich. Was mir aber nach wie vor übel aufstößt, das ist die verquere Satzstellung, wohl am Englischen orientiert: „ein paar mehr Euro“, statt nachgestellt: ein paar Euro mehr. Heute würde man also den Filmklassiker umbenennen:
Für ein paar mehr Dollar. Ich sehe schon die rosa Colts. Meine Güte.
God shaves the Bundeskanzlerin. Ey Alter, alles voll cool oder was…
Aber nun etwas, das mir aus dem Süden kommend sogar einleuchtet, ja, das gibt es tatsächlich: die Umschreibungen mit SEIN statt mit HABEN.
Ich habe im Wald gestanden – da finde ich es naheliegend, wenn auch ein wenig neuländisch: ICH BIN IM WALD GESTANDEN. Da könnte ich eventuell, vielleicht eines Tages, unter Zurückstellung von Bedenken durchaus in Erwägung ziehen – dies als relativ ebenbürtig anzuerkennen, da es mir logischer erscheint – aber ich würde es niemals übernehmen. Nicht in diesem Leben. Schon aus Prinzip nicht.
Wir sind eben auch wir“ – oder besser. WER!
Und werbegetreu ausrufen: DANN GEH DOCH NACH BAYERN!!!

Freitag, 19. Oktober 2018

Alles Duden oder was?

Duden-Redaktion – DANKE!
(es ist jetzt einfach mal an der Zeit)
Mir ist zum Heulen, ich bin völlig angefaßt, zu Tränen gerührt: ich habe nachgelesen, daß es uns die Duden-Redaktion „erlaubt“, Anreden auch in Briefen, kleinzuschreiben. Es ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Ich meine die grundsätzliche Gnade des Entgegenkommens, nicht jetzt diesen wieder mal speziellen hirnrissigen Blödsinn.
Wie kam es? In meinen monatlichen Zeitschriften zur Rockmusik (ja, wat mut….) ist mir aufgefallen, daß man dort Anreden nunmehr kleinschreibt. Und für mich, alte Schule, schaut das befremdlich aus – ist mir in den Heften im Grunde genommen aber wurscht, weil mir der Inhalt zu meinen alten Helden um ein Vielfaches wichtiger ist. In Büchern nervt es mich hingegen schon eher. „Was haben sie dagegen?“ – ja also – wer denn jetzt? Und der Hammer, wenn es mal so und mal so ist, also nicht konsequent durchgezogen: eine albtraumhafte Verwirrung (und das nicht nur bei einem einzelnen, schlecht redigierten Buch).
Ich forsche nach und siehe da, meine Augen haben mich nicht getäuscht, schon seit einiger Zeit habe ich es auch in neueren Büchern gesehen: nicht nur in Briefen, auch in wörtlicher Rede: du, ihr, sie, euch – alles durch die Bank nunmehr Kleinzeug.
Perplex bin ich da. Das Aus für die Höflichkeit? Wie ist das nur gekommen? Sagenhaft, die Macht dieser…(die Verfluchungen spare ich hier mal aus) – ich mag die dort einfach nicht. Was bilden DIE sich eigentlich ein! Gottgleich, weil auch Ihm die Ehre gebühret. Allmächtige Heilige Dudenredation, Gemeinschaft der Beschränkten.
Ich mag Sie / sie / dich / Euch nicht!“ Beschimpfungen per SIE sind wie das Abspreizen des kleinen Fingers beim Pinkeln. Also – diese selbsternannte Regierung der Schriftsprache, diese DÜDEL sind nahezu unerträglich.
Mag der eine oder die Andere (Hosianna - beides darf ich, juch-huh!) sagen (gut, hier nun schreiben), „der Altersstarrsinn hat ihn nun wohl voll erwischt“, also „meine Wenigkeit“ (ähem, und ja: ich habe gezögert, Ihn zu schreiben um ein Zeichen zu setzen); geschenkt: ich habe es schon öfters ausgeführt – deren Hickhack ist so peinlich wie lächerlich wie ärgerlich. Bungt, wie es im Ösiland heißt. Und überhaupt, wenn ich mal in den englischen Sprachraum schaue: zu keiner Zeit käme dort jemand auch nur auf den Gedanken, „I“ (also: ich) kleinzuschreiben. Große Umwälzungen: nur hierzulande, aber natürlich!
Wie schon öfters ausgeführt – ich bleibe bei meiner teilveränderten, eigenen Schriftsprache. Das gönne ich mir redlich. Denn dieser selbstherrliche Duden „WOLLT IHR DEN TOTALEN SCHEISS???“ – ohne mich. Warum? WEIL ICH ES JETZT KANN!
Hallo Duden: ich bin es, hier unten – DU kannst mich mal – und IHR beim Duden – allemal! Leckt mich, Ihr…. Düdel.


Ich lockere abschließend mit Heinz Erhardt auf, der da sagte:
Das weiß ich nicht – ich bin doch nicht Herr Duden – obwohl meine Frau immer sagt, was weißt duden.“
;-)

Freitag, 12. Oktober 2018

Jeder darf mitmachen ...

Talentbühne
(auch in DIR schlummert ein Star)


Eigentlich wollte ich das gar nicht mehr schauen – aber die vermaledeite Zapperei trieb mich zu dem Sender: und ich erkannte den jungen Mann.
Die entsetzliche Jury: der großfressige Musikproduzent, der aus jeder Scheiße Geld macht, sein „Neger“, der ihm den Speichel leckt und jede Gelegenheit zu einer selbstherrlichen Darstellung für sich zu nutzen weiß, und als Drittes eine wie Plastik anmutende Holland-Barbie in der Jury – Leute zum Kotzen. Der eine redet unablässig primitiven Dreck, die beiden anderen tun, als könnten sie kein Deutsch und radebrechen mit ihren aufgesetzten Akzenten. Das ganze künstliche Brimborium hatte mich schon vor längerer Zeit in die Flucht geschlagen – doch nun sah ich den Buntkopf als Kandidaten, den ich aus einem Drogeriemarkt in der kleinen Nachbarstadt kannte. Amüsiert hatte ich ihn schon mit grünem und blauem Haarschopf gesehen und mich gewundert, daß dies in der Geschäftskette geduldet wurde. Freundlicher Kerl, engagiert – also warum nicht, er war noch so jung. Und nun „tanzte“ er hier im Fernsehen – also es sollte eine tänzerische Darbietung sein. Verbissene Mühe strahlte er bei seinen linkischen Gebärden aus, es war ein hoffnungsloses Unterfangen. Ein Fall zum Fremdschämen.
Das Publikum war gnadenlos – zaghaftes Pfeifen schwoll an zu großem Unmutstamtam und lautstarkem Spott – und die Jury genoß das lebhafte Volk, schürte Häme und Verachtung, goß unablässig Brandbeschleuniger über die entflammte Meute – der Junge ging kläglich unter, mußte aber weitermachen, weil einer der drei Buzzer noch nicht gedrückt war – kein Erbarmen: er mußte sich restlos selber hinrichten.
Ich merkte ihm seine Verzagtheit an – das war niemand, der einfach seine berühmten fünf Minuten suchte, egal, um welchen Preis, völlig ohne Scham und Peinlichkeitsgrenze: dieser hier hatte sich was getraut, was ihm aber leider absolut nicht lag; es wurde natürlich nicht anerkannt, es wurde gnadenlos zerrissen und vernichtet – nicht nur seine mißlungene Darbietung, auch der Junge selber. Mit Schimpf und Schande wurde er von der Bühne gebuht – das war’s für ihn. War da kein intaktes Umfeld, das ihn rechtzeitig zu warnen verstanden hatte?
Ich schaltete aus. In der Woche kam ich in die Stadt; ich parke stets in dem Gebäudekomplex, wo ich immer in einem der Läden auf dem Rückweg etwas kaufe und dann den Parkschein entwerten lasse – somit keine Gebühr. Ich ging in den besagten Laden für eine Tube Zahnpasta, sah viele Leute zu einer Traube versammelt, und vor ihnen räumte der „bunte“ junge Mann Regale ein. Kichern, Lachen – Selfies. Er machte gute Miene zum sich langsam böse entwickelnden Spiel. Er sollte zum Hohn aller Anwesenden in bestimmten Posen agieren. Die Woche drauf sah man keine bunten Haare mehr, sondern er trug eine Mütze, aber es pilgerten immer noch Gaffer zu ihm, nun schon unverfroren Fotos schießend, rotzfreche Forderungen für extreme Verrenkungen fordernd, alles offenkundig gegen seinen Willen. Ein mißmutiger Filialleiter versuchte, echte Kundschaft von sensationsgeilen Glotzern zu trennen. In der dritten Woche, als ich gezielt hereinkam, lief er gerade davon, es war eine Hetzjagd im Laden und in der vierten Woche war wieder Ruhe im Geschäft: er war nicht mehr da.
Ich hatte diesmal neuen Rasierschaum gekauft, ließ nach Bezahlen mein Kärtchen entwerten und da sich niemand hinter mir befand, fragte ich den Filialleiter, der persönlich an der Kasse aushalf, was mit dem „Bunten Mitarbeiter“ sei. Er winkte ab, der sei nicht mehr da, unerträglich sei es geworden, unsägliche Zustände. Er soll wohl kahlgeschoren in der Landeshauptstadt jobben, habe er erfahren – hier war für ihn jedenfalls nichts mehr zu holen. Sowas sei einfach nicht mehr zumutbar, ich wüßte schon….
Ich fragte nicht nach, für wen.

Samstag, 11. August 2018

"Sowas" von Deutsch

So etwas von Deutsch

(ein Nachschlag)

Wir haben doch alle persönliche Schwachpunkte in unserer gewiß schwierigen Sprache; bei mir z.B. das Quiz, das Virus, aber der Tunnel und der Kiosk: für andere sicherlich schwer nachvollziehbar, aber es ist halt so. Bei anderen verbessere ich selten, außer ich halte es für wichtig, beispielsweise wenn die Frisörin das Pony sagt und nicht das kleine Pferd meint, sogar bei mir als klassischem „Oben-Ohne-Model“ ein Thema, wenn auch eher als „Running Gag“ (also: der Pony kann so bleiben, er wird bei mir nicht so schnell grau etc.).
Kiebig hingegen werde ich bei Sprachprofis (Moderatoren, Reportern, Journalisten) – da wurmt es mich total. Wir haben hier einerseits das übertriebene Verdoppeln (vorprogrammieren, zurückerinnern, Supergau). Andererseits, wenn auch in der Kürze die Würze liegen soll, so nervt es mich total, wenn linkisch verkürzt wird: Ich erinnere (ja wen denn, verflixt?), oder an der Börse es ändert (sich, Mensch – sich!), aber die Anglizismen REMEMBER und CHANGE haben alles infiziert; die angestrebte Internationalisierung ist für die vertraute Sprache eine schlimme Seuche. Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie haben die saudämlichen Söldner im Fußball viel Dreck ins Land gebracht (isch hab Vertrag)- gruselig. Und mit dieser beharrlichen Blödheit stecken sie uns auch noch an; zunächst unsere heimischen strunzdoofen Kicker, die flächendeckend auf die Rückbezüglichkeit verzichten. Internationales Importgut – aber wir haben auch eigene „Koniferen“, wie diesen kaum erträglichen Oliver Kahn, seines Zeichens Abiturient und Eiermann – bei der WM kommentierte er jüngst, es werde gehandelt „mit Power UND Kraft“. Damit ist er dicht an: „Ohne Fun kein Spaß“.

Kinder sagen „Darf ich ein Eis?“ Das kann witzig sein. Aber ich fürchte, Kinder und Ausländer „lernen uns“ neues Deutsch. Und wir machen mit, vieles wird als erfrischend neu übernommen. Neulich habe ich noch in einer Doku-Soap vernommen: „Isch helfe, wo geht!“ Eine halbherzige Stenosprache, und die greift dann als neue Umgangssprache rasant um sich. Gut, das wir seinerzeit die Ossilanten („Brüdern und Schwesters“) nicht mit ihrem Abkürzungsfimmel einverleibt haben.
Zurück zum Börsenbericht, den muß ich vor den Nachrichten in Kauf nehmen – und sie sprechen nicht frei, sie haben ihren Text ablesbar vor sich. Und was steht da? Das ist eine schwierige Frage (ich bin sicher, auch wenn ich nicht vom Fach bin, die Frage ist nicht schwierig, die Antwort hingegen fällt schwer…Und die Eigenheit, vom gestrigen, heutigen und morgigen Tag zu reden – da fehlt mir nur noch das wochenendige Wochenende.

Und immerzu die dubiosen Anhängsel (also nicht die mediterranen „eees, äääs, iiis“): beileibe nicht immer nur von Fremdsprachlern, ich meine die allerkühnsten Mehrzahlen eigener Prägung. Knaller der letzten Zeit von ReporterInnen: Sex ohne KondomeN, Andere MütterN haben auch schöne Töchter – so in etwa diese Liga. Ich zucke bei der unheilvollen Steigerung im unsauberen Sprechen nur noch zusammen (mitunter gibt es für mich Tage, da ist es wie Schüttelfrost). Wie eine Pest, für offene Ohren immerzu und überall vernehmbar.
„Vielen Neubürgern erinnert Vertrag“ – fast eine Quizvorlage: Welches Wort ist fehlerfrei gesetzt? Ich weiß nicht, was soll es bedeuten. Der sprachliche Flurschaden ist immens.

Verständnis aus formaler Logik könnte ich ja noch haben, wenn von einem Mädchen die Rede ist und ihr Kleidchen statt sein Kleidchen gesagt wird (oh, die automatische Rechtschreibprüfung bemängelt in diesem Moment tatsächlich nicht IHR sondern SEIN; interessant). So weit sind wir also schon. Kindermund läßt einen lächeln, aber meiner Mutter war vor sechzig Jahren gar nicht zum Lachen, als ich nach Hause kam und erzählte, was uns „die Frollein“ beigebracht hatte. Ich war wohl meiner Zeit voraus. „Sie lernte uns“ – ob meine Mutter auf „ES lehrte uns“ berichtigt hätte – „ich erinnere nicht“.

Gewiß, Deutsch ist nix für Deppen (Isch lerne dir guten Deutsch!). Aber erkläre mal eine/r einem Ausländer die abweichende Betonung bei folgendem Satz: Michael Jacksons Hochzeit fand in der Hochzeit des King of Pop statt. Und die Finessen unserer Groß- und Kleinschreibung (mein unsterbliches Allzeit-Lieblingszitat): Ich hatte in Heidelberg liebe Genossen …oder Liebe genossen. Auch amüsant, irgendwie. Aber doch so wichtig für die Klarheit im Schreiben (gelesen, in der Betonung, klare Sache)!

1960 wurden wir in die Sexta eingeschult. Wir lernten gleich zu Beginn die zehn Wortarten, z.B. Hauptwort /Substantiv, Eigenschaftswort /Adjektiv, Tätigkeitswort /Verb etc. – und die erste Wortart, die hieß: Artikel. Nur Artikel – denn „Geschlechtswort“ war irgendwie unerhört. Heute herrlich komisch und ich frage mich nun allen Ernstes: wieso hieß die Klasse „Sexta“ – uiuiui! Da hatte man aber irgendwie nicht so ganz in der herrschenden Prüderie aufgepaßt. Nur muß ich zugute halten: das Thema SEX kam damals irgendwie noch gar nicht vor – und Simsalabim! …trotzdem sind wir, o Wunder, alle entstanden.

Freitag, 6. Juli 2018

Ja, wo bleiben sie denn?

Ja, wo bleiben sie denn? *

Jede und jeder, also man könnte auch ALLE sagen, die mich näher kennen, wissen um meine unendliche Menschenliebe. Besonders Leute mit einem hartnäckigen missionarischen Eifer sind mir eine Gabe Gottes, da lacht mir gleich die schwarze Seele.

Früher, wenn sie im überschaubaren Rudel schellten, riß ich die Haustür auf und schmetterte ein „Grüß Gott – ohje – oh mein Gott….“ und schloß die Pforte. Wenn ich auch ihre frömmelnde Blässe nicht durch das Glas meiner mich wieder mal schützenden Tür erkenne, so ist mir die Familienaufstellung im begrenzten Rahmen sogleich Information genug. Aha, die schon wieder.

Manchmal sagte ich schon in einer undefinierbaren Sprache mit eingestreuten Brocken Kauderwelsch vom Feinsten: „Kawa la bugli?“ Ich lasse dann ein wenig Zeit zur Besinnung, fahre aber selber fort, indem ich auf mein Türschild weise und erkennend Verständnis heuchele: „Ah, BÄÄÄcher, Becher nix da – ich Gäääärtner!“ Und dann sehe ich ihre demütigen Äugelein zu dem sie umgebenden, ich kann es nicht anders beschreiben als „Dschungel“, durchaus irritiert umher schweifen – sie weichen betreten, nachdem ich nun meiner Auskunftsbereitschaft Genüge getan habe. Diese Form der Begegnung erfuhr vor einiger Zeit eine neue Dimension, als, für mich ein wenig überraschend, einerseits der Bote der Selbstgerechtigkeit zur andererseits Modeikone der frühen Fünfziger im Russland-Deutschen-Chic sagte: „Komm, der verarscht uns doch nur.“ Und ich, vom Schlag getroffen zusammenzuckend, die Augen zunächst verengend, dann aber mehr und mehr weitend: „Arsche? Arsch…ick???“ Und dann ein Stakkato der finalen Art all meiner Buchstabensuppen-Bilanz: „Pukrtzczkowiszikipolamo-„KRZTSCHIKAMBOLIZDASZIM!!!“ – ich kann es nicht mehr so ganz genau wiedergeben.

Gerade „Pocher and Friends“ sind ja von der hartnäckigen Sorte. Dieses Paarlaufen macht betroffen, und schon gerade nach dem Limburger Fuzzi der eigenen aus Dusseligkeit bis dato beibehaltenen Couleur ist mir auch praktizierendes Fußvolk jedweder Richtung ein Dorn im Auge. (Wenn sie im Stillsteher-Stil an städtischen Ecken nicht im Weg sind und nur ihre Zeit runter reißen, geht es ja noch – aber zurück an meine Haustür der Begegnung.)

Meine ganz neue Masche, Beglückt neige ich nach Öffnen meiner Pforte der Gegenbekehrung den Kopf zur Seite, lächele allerliebst und hauche in meiner bekannt gütigen Art: „Willkommen, Schwester und Bruder – lasset uns zunächst ein Gebet sprechen“ – ich falte die Hände und ehe die völlig Verdatterten ihre neue Botschaft auch nur ahnen, kommt sie auch schon: „Herr, unser grundgütiger Herrscher und liebender Gott – bitte nimm unverzüglich diese ungerufene Plage von meiner Tür!“

* Versuch eines sehr freien Zitates

Dienstag, 6. März 2018

die Elastizität des Herzens

Herz(stöhn)

Höre auf dein Herz
(grübel)
Hinterfrage dein Herz
(seufz)
Sei voll des Herzens
(ächz)
Folge deinem Herzen
(hechel)
Erleichtere dein Herz
(kotz)
Sei frohen Herzens
(jodel)


(Und lebe deinen Traum)
YIPPIE!!!

Donnerstag, 22. Februar 2018

Zuverlässig geregelte Alltagserwartung

Der Heimkehrer
Wenn ich von einem Winteraufenthalt zurückkehre, begegne ich früher oder später meiner Nachbarin aus Thüringen. Und so kommt es seit Jahr und Tag zu einer regelmäßigen Wiederholung. Diesmal habe ich es erweitert – es wird nicht wieder geschehen…schätze ich mal.
Ach, Herr Becher, Sie sind wieder da? Waren Sie wieder in MaLLorca?“
Erstens ja, zweitens nein: ich war, wie immer, AUF La Palma.
Ach ja stimmt, Las Palmas – ich kann es mir so schlecht merken. Manchmal sage ich ja auch Teneriffa, nicht wahr?“ (kicher, kicher)
Ich bin ehrlich gesagt schon froh, wenn Sie nicht Madagaskar oder Borkum sagen.
Aber schön braun sind Sie! Es war bestimmt schööön sonnig?“
Ja, das ist so in der Sonne, dort. Aber ich habe eh eine Grundbräune, mein Migrationshintergrund.
Wie?“
Nun ja, meine Eltern – Ostpreußen und Schlesien – der braune Osten.
Aber…“
Pardon, nicht Osten – Ferner Osten natürlich. Oder sollte ich sagen: Entfernter Osten?
Ich hab noch zu tun.“


Samstag, 3. Februar 2018

Depressionen

Die Sache mit dem verschlossenen Haus
(ein kurzer Abriß zur Verständlichkeit)
Depression? Kopf hoch, einfach mal zusammenreißen – fertig. Danke, das hilft ungemein, muß einem ja nur mal gesagt werden.
Heutzutage wird schon mehr verstanden, dennoch mache ich hier nun den Versuch, es ganz einfach zu erklären. Und was läge näher, als sich der Materie mit einem uralten Witz zu nähern: Was ist der Unterschied zwischen geistiger und seelischer Erkrankung? Der Geisteskranke antwortet auf die Frage, wieviel ist zwei und zwei : „Es ist Quadratur aus der Tomate Bio-total 123xy45 aus der Quotientenwurzel Hauptbahnhof minus Pi hoch 0,wx5“ …und endlos so weiter. Verrückt. Der seelisch Kranke antwortet:“Zwei und zwei ist vier….aber (seufz) das macht mich soooo ungeheuer traurig…“
Ich schildere es zumeist so, was Depression ist: Der Erkrankte schließt sich im Haus ein und wirft den Schlüssel aus dem Fenster auf die Straße. Unverständlich, natürlich, es ist ja auch krank und diese Form der Erkrankung nicht gegenständlich „begreifbar“ wie beispielsweise Aids, Krebs, Herzleiden oder Lähmung. Es ist nicht faßbar, nicht körperlich – und genau das macht es so verdächtig. Und wenn uns etwas suspekt erscheint, da machen wir einen Bogen, schauen weg, wir können nicht damit umgehen, weil wir es uns nicht vorzustellen vermögen. Da liegt also ein Schlüssel auf dem Weg, der nicht groß bemerkt wird, und es wird darüber gefahren, hinweg gehastet, ab und an weicht jemand aus. Manchmal legt ihn irgendwo jemand auf ein Mäuerchen, dann weiter im Trott. Der Therapeut, es ist ja sein Beruf, hebt den Schlüssel auf, steckt ihn ins Schloß, öffnet, ruft und erstellt die Rechnung – und es liegt am Erkrankten, ob er das Haus verläßt.
Und dann gibt es noch die ganz wenigen, erlesenen Menschen, die kommen herein und begleiten mit vollem Herzen den Eingeschlossenen aus dem Haus heraus.
Und für EUCH, die ich zuletzt geschildert habe, schreibe ich. Alle, die mögen, können meine Texte lesen – aber gewidmet sind sie diesen besonderen Menschen.


Donnerstag, 11. Januar 2018

Mein Onkel, der olle Stromer

Mein Onkel, der olle Stromer

Vor Jahren besuchte ich meinen Onkel Heribert im betreuten Wohnen – und ein Abgrund tat sich auf. Vorausschicken muß ich, daß er dort seit einigen Jahren eine kleine Wohnung im Seniorenzentrum mit seiner Lebensgefährtin Olga teilte (Tante Irmi hatte er bereits entsorgt – ja, klingt heftig, aber er war auch eine schlimme Nummer, eine harte Nuß sozusagen), und Olga hatte es sich auf die Fahne geschrieben, ihn zu überleben, aus welchen Gründen auch immer. Sie war acht Jahre jünger, die Chancen schienen gut zu stehen. Aber dann kam dieser dezente Hinweis von ihr am Telefon, ich sollte mal kommen um zu schauen, mehr wollte sie nicht sagen.
Es war der zweite Weihnachtsfeiertag. Ich war bei Onkel Heribert schon viel gewohnt, wir pflegten die letzten Jahre so einen lockeren Kontakt, seit ich in den Ruhestand gegangen war, und der nun Achtundachtzigjährige war auch immer für amüsante Überraschungen gut. Es war Nachmittag, wir aßen Kuchen, auf dem Adventskranz flackerten die bläulichen Flämmchen, alles schien gut. Sonderbar war nur diese kurze Illumination des Christbaumes – also: ich sollte hinschauen, er steckte den Stecker in die Dose, fragte: „Gesehen?“ und schon zog er ihn wieder heraus. Nun gut, wir hatten ja die 4 Kerzen, aber schade, das Tännchen hätte doch weiterleuchten können an diesem trüben Tag. Und es war doch noch Weihnachten! Dann stand ein alter Rühmann-Film an, ich hatte eben die Balkontür wegen des Rauches der Kerzen geöffnet, als mir auffiel, wie er auf seine Armbanduhr schaute und zackig die Stromverbindung herstellte, der Film begann punktgenau. (Das hatte sich übrigens gegenüber früher geändert: Was hatte ich stets gelacht, wenn er die Tagesschau anmachte, auf die Sekunde und sich aufregte, wenn die erste Meldung schon lief…“ Die haben wieder früher begonnen!“ Für mich ein sich garantiert wiederholender Witz.) Wir schauten jetzt verbissen die alte Komödie, wohl eine unmißverständliche Bedingung von Olga, obwohl er meinte, den schon gesehen zu haben und entsprechend unruhig auf seinem Sessel herumrutschte. Jedenfalls war klar, gleich war er zu Ende, da stand Onkel Heribert schon neben der Steckdose – exakt mit Beginn des Abspanns riß er den Stecker raus. Danach erst drückte er den Schalter am Fernsehgerät, und damit ließ er sich dann Zeit.
Es setzte so langsam die endgültige Dämmerung ein, aber mein dezenter Hinweis auf ein wenig erhellende Unterstützung mittels Lampe wurde schnell übergangen mit: „Geht doch noch!“ Nun ja, an den Silhouetten erkannte ich, wer sich wo befand. Schwieriger war es für mich, das Klo, nach innen gelegen, aufzusuchen. Ich hatte den Schalter für das Licht unbesorgt angeknipst, saß noch nicht richtig, da ging das Licht aus und er reichte mir eine Laterne hinein. Die sollte ich mit rausbringen, das machten sie immer so. Nun tauschte ich, soweit erkennbar, Seitenblicke mit Olga, die hinter seinem Rücken mit dem Kopf nickte; ‚na, was habe ich gemeint‘ sollte das heißen, und es wurde mir immer mehr bewußt: Wir befanden uns in einer ganz neuen Dimension. Wir saßen nun um die unbestreitbar schöne Lichtquelle herum. Als wir den Tisch abräumten, nein, kein Licht anmachten: die Laterne stellte er seitlich auf die Arbeitsfläche, wo die Stecker von Toaster, Radio, Kaffeemaschine und Mixer aufgereiht lagen: vor den Steckdosen. Als ich ihn darauf ansprach fragte er mich, ob ich es denn nicht in der Verbrauchersendung gesehen habe: Stecker stets ziehen, sie holen auch bei nicht eingeschalteten Geräten Strom! Sein Thema wohl, er klang beschwörend. Er sei geradezu ein Feind dieser unseligen „Stand-by“-Kontrolllämpchen! Das plättete mich nun doch ein wenig. „Ja, Waschmaschine, sogar Nachttischlämpchen – alles ohne direkte Verbindung zum Stromlieferanten!“ es klang aus dem Munde von Olga tragikomisch. Sein Credo: Erst Stecker ziehen, dann den Ausschalter. Ich mußte tief durchatmen, damit der Lachanfall sich löste. Ernüchtert war ich, als ich erkennen mußte, daß er es gar nicht als Spaß meinte, sondern weiterpredigte, daß es nichts mit Geiz zu tun habe, selbst den Umweltschutz hatte er nur nachrangig in seiner Begründung: Es gehe ihm darum, ein Beispiel zu geben für die anderen Wohneinheiten. Sein Ziel war der geringste Stromverbrauch des ganzen Blocks. Er liege an zweiter Stelle, gleich nach Wohnung zwölf. Olga erklärte, diese stehe leer wegen dringender Renovierung. Nur ab und an werde dort ein elektrisch betriebenes Werkzeug angeschlossen. Das klang nun mächtig beeindruckend.
Eine zweite Laterne mit Teelicht war ihr Geschenk für ihn, er soll sich noch nie so über seine Weihnachtsüberraschung gefreut haben. Ich stellte mir vor, wie die alten Leutchen, ohne Deckenlampen einzuschalten, abends mit Laternen herum wandelten. Sie erwähnte, nicht ohne eine Spur von Spott, daß sie ihm die Fackel, die er anfangs zum Einsatz brachte, schon hatte austreiben wollen – und nach dem Zimmerbrand war es ihm auch beschwörend von der Hausverwaltung nahegelegt worden. Auch dürfe er nicht die Glühbirnen aus den hauseigenen Lampen entfernen! Offenbar war man hier so einiges gewöhnt – von Heribert im Besonderen.
Ich stellte mir vor, er würde mein Haus sehen, diese ganze Technik mit all den Lichtlein – es wäre zu viel für ihn, mit Sicherheit. Ich verabschiedete mich. Beim Verlassen des Wohnzimmers erleuchtete ich noch mal den Weihnachtsbaum. Er kam spornstreichs herbei gehechtet, ratz, Stecker raus, ich hätte doch den Baum schon gesehen – und es klang enttäuscht, ob ich denn so gar nichts begriffen hätte. „Ich wollte ihn nur noch mal sehen“, grinste ich und beendete meinen Besuch.
Sie brachten mich mit der Laterne zur Tür, wir verabschiedeten uns und der Tausch der Blicke mit Olga beinhaltete ihrerseits so ein ‚Ich laß mich nicht unterkriegen‘ und ich mußte auf einmal süffisant denken, wenn sie ihn mit Beharrlichkeit bezwungen hatte, also überlebt – ihr würde wirklich und wahrhaftig ein Licht aufgehen.