Freitag, 12. Oktober 2018

Jeder darf mitmachen ...

Talentbühne
(auch in DIR schlummert ein Star)


Eigentlich wollte ich das gar nicht mehr schauen – aber die vermaledeite Zapperei trieb mich zu dem Sender: und ich erkannte den jungen Mann.
Die entsetzliche Jury: der großfressige Musikproduzent, der aus jeder Scheiße Geld macht, sein „Neger“, der ihm den Speichel leckt und jede Gelegenheit zu einer selbstherrlichen Darstellung für sich zu nutzen weiß, und als Drittes eine wie Plastik anmutende Holland-Barbie in der Jury – Leute zum Kotzen. Der eine redet unablässig primitiven Dreck, die beiden anderen tun, als könnten sie kein Deutsch und radebrechen mit ihren aufgesetzten Akzenten. Das ganze künstliche Brimborium hatte mich schon vor längerer Zeit in die Flucht geschlagen – doch nun sah ich den Buntkopf als Kandidaten, den ich aus einem Drogeriemarkt in der kleinen Nachbarstadt kannte. Amüsiert hatte ich ihn schon mit grünem und blauem Haarschopf gesehen und mich gewundert, daß dies in der Geschäftskette geduldet wurde. Freundlicher Kerl, engagiert – also warum nicht, er war noch so jung. Und nun „tanzte“ er hier im Fernsehen – also es sollte eine tänzerische Darbietung sein. Verbissene Mühe strahlte er bei seinen linkischen Gebärden aus, es war ein hoffnungsloses Unterfangen. Ein Fall zum Fremdschämen.
Das Publikum war gnadenlos – zaghaftes Pfeifen schwoll an zu großem Unmutstamtam und lautstarkem Spott – und die Jury genoß das lebhafte Volk, schürte Häme und Verachtung, goß unablässig Brandbeschleuniger über die entflammte Meute – der Junge ging kläglich unter, mußte aber weitermachen, weil einer der drei Buzzer noch nicht gedrückt war – kein Erbarmen: er mußte sich restlos selber hinrichten.
Ich merkte ihm seine Verzagtheit an – das war niemand, der einfach seine berühmten fünf Minuten suchte, egal, um welchen Preis, völlig ohne Scham und Peinlichkeitsgrenze: dieser hier hatte sich was getraut, was ihm aber leider absolut nicht lag; es wurde natürlich nicht anerkannt, es wurde gnadenlos zerrissen und vernichtet – nicht nur seine mißlungene Darbietung, auch der Junge selber. Mit Schimpf und Schande wurde er von der Bühne gebuht – das war’s für ihn. War da kein intaktes Umfeld, das ihn rechtzeitig zu warnen verstanden hatte?
Ich schaltete aus. In der Woche kam ich in die Stadt; ich parke stets in dem Gebäudekomplex, wo ich immer in einem der Läden auf dem Rückweg etwas kaufe und dann den Parkschein entwerten lasse – somit keine Gebühr. Ich ging in den besagten Laden für eine Tube Zahnpasta, sah viele Leute zu einer Traube versammelt, und vor ihnen räumte der „bunte“ junge Mann Regale ein. Kichern, Lachen – Selfies. Er machte gute Miene zum sich langsam böse entwickelnden Spiel. Er sollte zum Hohn aller Anwesenden in bestimmten Posen agieren. Die Woche drauf sah man keine bunten Haare mehr, sondern er trug eine Mütze, aber es pilgerten immer noch Gaffer zu ihm, nun schon unverfroren Fotos schießend, rotzfreche Forderungen für extreme Verrenkungen fordernd, alles offenkundig gegen seinen Willen. Ein mißmutiger Filialleiter versuchte, echte Kundschaft von sensationsgeilen Glotzern zu trennen. In der dritten Woche, als ich gezielt hereinkam, lief er gerade davon, es war eine Hetzjagd im Laden und in der vierten Woche war wieder Ruhe im Geschäft: er war nicht mehr da.
Ich hatte diesmal neuen Rasierschaum gekauft, ließ nach Bezahlen mein Kärtchen entwerten und da sich niemand hinter mir befand, fragte ich den Filialleiter, der persönlich an der Kasse aushalf, was mit dem „Bunten Mitarbeiter“ sei. Er winkte ab, der sei nicht mehr da, unerträglich sei es geworden, unsägliche Zustände. Er soll wohl kahlgeschoren in der Landeshauptstadt jobben, habe er erfahren – hier war für ihn jedenfalls nichts mehr zu holen. Sowas sei einfach nicht mehr zumutbar, ich wüßte schon….
Ich fragte nicht nach, für wen.

3 Kommentare:

  1. Ich gebe zu dass ich es mir anschaue, und es gibt schon auch wirklich sehr gute Talente bei denen ich sogar Gänsehaut bekommen kann. Die aber im postiven Sinn.

    Allerdings frage ich mich auch immer was manche Menschen sich dabei denken wenn sie meinen ein Talent zu haben. OK, ein Talent haben sie bestimmt aber nicht das was gezeigt wird. Diese Leute sollten sich doch auch darüber im Klaren sein was es für Folgen haben kann. Sich so öffentlich zum Deppen zu machen...oh weia. Interessant aber mal hier bei dir zu lesen wie es sich dann tatsächlich auswirken kann. Hätte er vielleicht die Flucht nach vorne gewagt hätte es auch positiv werden können.

    Wünsche dir ein schönes Wochenende und schicke liebe Grüsse rüber

    N☼va


    P.S. Schön wieder von dir zu lesen, gerne öfters wieder ;-)

    AntwortenLöschen
  2. Ganz ehrlich: ich schaue auch, weil es lohnt, die Perlen zu entdecken - famos sind manche Leute; und manche Typen haben es auch verdient, mit Schimpf und Schande rauszufliegen - aber es gibt auch die Tragik, wie immer im Leben!
    Vielen Dank für Deine Ermunterung - ich bin mit Romanprojekten und Drehbucharbeiten beschäftigt - wird vermutlich nix - aber für mich ist es wichtig. Und wer nicht wagt...Schönen Sonntag, liebe Nova

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. So ist es und finde ich ja interessant^^

      Könntest ja auch mal ein Buch über bzw. mit Handlung auf La Palma schreiben. Da könnte ich dir dann (wenn nicht dort auch vorhanden) hier einen Verlag auf Teneriffa empfehlen. Werde demnächst mal ein neues Buch vorstellen.

      Löschen

Danke! ;)