Talentbühne
(auch
in DIR schlummert ein Star)
Eigentlich
wollte ich das gar nicht mehr schauen – aber die vermaledeite
Zapperei trieb mich zu dem Sender: und ich erkannte den jungen Mann.
Die
entsetzliche Jury: der großfressige Musikproduzent, der aus jeder
Scheiße Geld macht, sein „Neger“, der ihm den Speichel leckt und
jede Gelegenheit zu einer selbstherrlichen Darstellung für sich zu
nutzen weiß, und als Drittes eine wie Plastik anmutende
Holland-Barbie in der Jury – Leute zum Kotzen. Der eine redet
unablässig primitiven Dreck, die beiden anderen tun, als könnten
sie kein Deutsch und radebrechen mit ihren aufgesetzten Akzenten. Das
ganze künstliche Brimborium hatte mich schon vor längerer Zeit in
die Flucht geschlagen – doch nun sah ich den Buntkopf als
Kandidaten, den ich aus einem Drogeriemarkt in der kleinen
Nachbarstadt kannte. Amüsiert hatte ich ihn schon mit grünem und
blauem Haarschopf gesehen und mich gewundert, daß dies in der
Geschäftskette geduldet wurde. Freundlicher Kerl, engagiert – also
warum nicht, er war noch so jung. Und nun „tanzte“ er hier im
Fernsehen – also es sollte eine tänzerische Darbietung sein.
Verbissene Mühe strahlte er bei seinen linkischen Gebärden aus, es
war ein hoffnungsloses Unterfangen. Ein Fall zum Fremdschämen.
Das
Publikum war gnadenlos – zaghaftes Pfeifen schwoll an zu großem
Unmutstamtam und lautstarkem Spott – und die Jury genoß das
lebhafte Volk, schürte Häme und Verachtung, goß unablässig
Brandbeschleuniger über die entflammte Meute – der Junge ging
kläglich unter, mußte aber weitermachen, weil einer der drei Buzzer
noch nicht gedrückt war – kein Erbarmen: er mußte sich restlos
selber hinrichten.
Ich
merkte ihm seine Verzagtheit an – das war niemand, der einfach
seine berühmten fünf Minuten suchte, egal, um welchen Preis, völlig
ohne Scham und Peinlichkeitsgrenze: dieser hier hatte sich was
getraut, was ihm aber leider absolut nicht lag; es wurde natürlich
nicht anerkannt, es wurde gnadenlos zerrissen und vernichtet –
nicht nur seine mißlungene Darbietung, auch der Junge selber. Mit
Schimpf und Schande wurde er von der Bühne gebuht – das war’s
für ihn. War da kein intaktes Umfeld, das ihn rechtzeitig zu warnen
verstanden hatte?
Ich
schaltete aus. In der Woche kam ich in die Stadt; ich parke stets in
dem Gebäudekomplex, wo ich immer in einem der Läden auf dem Rückweg
etwas kaufe und dann den Parkschein entwerten lasse – somit keine
Gebühr. Ich ging in den besagten Laden für eine Tube Zahnpasta, sah
viele Leute zu einer Traube versammelt, und vor ihnen räumte der
„bunte“ junge Mann Regale ein. Kichern, Lachen – Selfies. Er
machte gute Miene zum sich langsam böse entwickelnden Spiel. Er
sollte zum Hohn aller Anwesenden in bestimmten Posen agieren. Die
Woche drauf sah man keine bunten Haare mehr, sondern er trug eine
Mütze, aber es pilgerten immer noch Gaffer zu ihm, nun schon
unverfroren Fotos schießend, rotzfreche Forderungen für extreme
Verrenkungen fordernd, alles offenkundig gegen seinen Willen. Ein
mißmutiger Filialleiter versuchte, echte Kundschaft von
sensationsgeilen Glotzern zu trennen. In der dritten Woche, als ich
gezielt hereinkam, lief er gerade davon, es war eine Hetzjagd im
Laden und in der vierten Woche war wieder Ruhe im Geschäft: er war
nicht mehr da.
Ich
hatte diesmal neuen Rasierschaum gekauft, ließ nach Bezahlen mein
Kärtchen entwerten und da sich niemand hinter mir befand, fragte ich
den Filialleiter, der persönlich an der Kasse aushalf, was mit dem
„Bunten Mitarbeiter“ sei. Er winkte ab, der sei nicht mehr da,
unerträglich sei es geworden, unsägliche Zustände. Er soll wohl
kahlgeschoren in der Landeshauptstadt jobben, habe er erfahren –
hier war für ihn jedenfalls nichts mehr zu holen. Sowas sei einfach
nicht mehr zumutbar, ich wüßte schon….
Ich
fragte nicht nach, für wen.
Ich gebe zu dass ich es mir anschaue, und es gibt schon auch wirklich sehr gute Talente bei denen ich sogar Gänsehaut bekommen kann. Die aber im postiven Sinn.
AntwortenLöschenAllerdings frage ich mich auch immer was manche Menschen sich dabei denken wenn sie meinen ein Talent zu haben. OK, ein Talent haben sie bestimmt aber nicht das was gezeigt wird. Diese Leute sollten sich doch auch darüber im Klaren sein was es für Folgen haben kann. Sich so öffentlich zum Deppen zu machen...oh weia. Interessant aber mal hier bei dir zu lesen wie es sich dann tatsächlich auswirken kann. Hätte er vielleicht die Flucht nach vorne gewagt hätte es auch positiv werden können.
Wünsche dir ein schönes Wochenende und schicke liebe Grüsse rüber
N☼va
P.S. Schön wieder von dir zu lesen, gerne öfters wieder ;-)
Ganz ehrlich: ich schaue auch, weil es lohnt, die Perlen zu entdecken - famos sind manche Leute; und manche Typen haben es auch verdient, mit Schimpf und Schande rauszufliegen - aber es gibt auch die Tragik, wie immer im Leben!
AntwortenLöschenVielen Dank für Deine Ermunterung - ich bin mit Romanprojekten und Drehbucharbeiten beschäftigt - wird vermutlich nix - aber für mich ist es wichtig. Und wer nicht wagt...Schönen Sonntag, liebe Nova
So ist es und finde ich ja interessant^^
LöschenKönntest ja auch mal ein Buch über bzw. mit Handlung auf La Palma schreiben. Da könnte ich dir dann (wenn nicht dort auch vorhanden) hier einen Verlag auf Teneriffa empfehlen. Werde demnächst mal ein neues Buch vorstellen.