Sprachlicher Schnickschnack
So lange ich
mich erinnere, und da kommt schon was an Jahrzehnten zusammen, war es zu jeder
Zeit so, daß sich die Sprache aktuell anreicherte, lebendiges Deutsch also; dem vermag kein Mensch „in diesem unserem
Lande“ zu entgehen. Meine Mutter amüsierte sich, wenn ich zum Wochenende nach
Hause kam und „moderne Sprüche“ klopfte wie „Das hältst du im Kopf nicht aus“.
Und mir war das gar nicht bewußt – das sagte man halt so.
Den Zeiten später mit geil und voll krass
vermochte ich dann doch bewußt zu widerstehen (bei „echt“ war ich noch im
Rennen). Aber allem kann man sich nicht entziehen, auch als sogenannter
Erwachsener nicht. Es ist Aufmerksamkeit angesagt, will man sich dagegen
wappnen. Ich fange mal zaghaft an:
Nervig könnte man beispielsweise die
Doppelungen finden – Rückantwort, Verständnisfrage, vorprogrammieren, zurückerinnern,
ferner die dümmlichen Bekräftigungen wie: es regnet draußen, schnell rennen,
die flapsigen Formulierungen „nee, oder?“, „das glaub ich jetzt nicht“, „wie
toll ist das denn?“ etc. - Gut, gefeit sind wir da alle nicht.
Ich bin wenigstens
auf der Hut, wie Sie merken. Nun heftiger:
Unausrottbar sind die von Unsicherheit
gesteuerten Sprachverzögerungen. Freies Sprechen, garniert mit viel äääh und der Knaller in meinem Bekanntenkreis:
Da sagt einer stets ömmm – und nun
raten Sie mal, wie intern sein Spitzname lautet. Ja genau, der Ömmm. (Wie – ich
stecke wohl dahinter? Das glaube ich jetzt nicht! Das ist voll nicht wahr,
schwöre!)
Ich komme nun zu den aktuellen JA-SAGERN
– ein echter Hit, wenn man mal drauf achtet: Es ist wie eine Pest. Jedes
Interview, speziell bei Sportlern, die es stets noch nicht wirklich realisiert haben - sobald mit der Sprache kurz
innegehalten wird …ja, dann beginnt man so das ganze … ja, fortzusetzen. Einer
der Spitzenvertreter hierbei ist unser Sebastian Vettel - aber nahezu kein Satz
ohne Übersprungs-Ja! Und ich bin sicher, er weiß das gar nicht, sowas schleicht
sich ein, und dann pflanzt es sich fort, einem Virus gleich. Allerorten von
jedermann höre ich das mittlerweile. Ich neige zu der sarkastischen Empfehlung:
„Wenn Du nichts zu sagen weißt, sag doch einfach …JA!“
Das kommt dem Schweizer Satzanhängsel oddrrr? schon nahe, nicht wahr? Bleiben
wir im Lande: Gell? Woll? Ne? In jeder Region was anderes, aber allen gemein –
es wird vom Sprecher im Grunde gar nicht bemerkt. Und wehe, man achtet darauf –
ein subtiler Terrorismus.
Ich selber leite Telefonate gerne mit JA
ein, ich wähle, dort meldet sich eine Stimme und ich beginne mit Ja, Becher,
Hallo und guten Tag. Ich bin verwundert, daß mir noch kein Fremder/ keine
Fremde mit „Schönen guten Tag, Herr Jabecher“ geantwortet hat. Aufgemerkt: Immerhin
habe ich es schon persönlich bemerkt!
Verknappungen sind auch so eine Geschichte
für sich: „Entschuldigung“, das hat sich schon fest eingebürgert, „Glückwunsch“
ist auf dem Weg (klingt so persönlich und freundlich wie „Feierabend“). „Grüß
Dich!“ (Wieso sollte ich?)
Der neueste Horror, den ich unsäglich finde,
weil ich den Fehler begehe, es unablässig zu bemerken, ist dieses langgezogene Okaaay in Unterhaltungen. Achten Sie mal
drauf (warum sollte es Ihnen besser ergehen). Es wird was erzählt, und der
andere fügt ab und an sein OKAAAY bei (und es heißt dann sowas wie – ich bin
immer noch wach; komm zum Punkt; muß ich immer noch zuhören?). Es heißt doch
eigentlich nichts anderes als Ja und? Bei
Loriot kam das besonders lustig rüber – der pflegte Ach was? einzuflechten – mehr Desinteresse geht nicht.
Die Leute brauchen solche Orientierungen der
Neuzeit im Neuland, sie sind doch modern auf Augenhöhe – eigentlich wird blindlings
nachgeplappert, das läuft unterschwellig ab, infiltrierend. Diese Infizierung
geht klammheimlich und schleichend vor sich – Rette sich wer kann. Wirklich
dagegen gefeit ist Nobody. Es bleibt
die Hoffnung, daß es wieder mal eine befristete Marotte ist und es sich von
selber legt …ja, ausstirbt sozusagen. Das
macht Sinn, meine absolute Reizformulierung (nichts anderes als die
wortwörtliche Übernahme des vermaledeit einflußreichen US-Englisch, „making
sense“)*, aber darüber hatte ich mich schon einmal ausgelassen, es ist hoffnungslos, das hat
sich so eingebürgert und das steht unverrückbar da und macht auch wirklich vor
niemandem Halt. Also nicht wirklich („not really“).
Ach, ich kriege dann immer das Zipperlein,
ich schaffe es nicht, das hinzunehmen …ja, das halte ich im Kopf nicht aus.
*falls Sie nun gezögert haben – Sinn haben, nicht Sinn machen heißt es
(noch immer) auf Deutsch oder das gute alte sinnvoll sein, aber das
wird nun zielsicher abgelöst.