Donnerstag, 23. Oktober 2014

MASKOTTCHEN

Das Maskottchen bin ich


Alle denken, ich sei ein Mann, ein sportlicher Junge, aber ich heiße Nicole. Bei meiner Zweitarbeit, na, eher ein Job, sieht mich niemand wirklich, also nicht mich persönlich – man sieht das samtige bunte Wuschelfell, die Riesenohren, eine knuffige Nase und die üblichen Vier-Finger-Patsche-Pfoten, mit denen ich ständig zu jubilieren habe. Gerade das nimmermüde Herumhüpfen schlaucht – wenn ich nach drei Stunden schweißgebadet aus der Maskerade herauskrieche, dann bin ich rechtschaffen am Boden zerstört. Wieder ein „Event“ abgearbeitet.

   Das angeblich Glück-bringende Stummelschwänzchen ist nicht nur Ziel der Kinder, das ginge ja noch, nein, je besoffener, desto roher der Zugriff der Krakeeler, Ich kann ihnen nicht immer ausweichen, dafür ist meine Maskerade zu groß und ungelenk. Sie finden mich immer, ohne mich zu suchen. Aber schnell rattert es in ihnen, „Da ist ja Wuschel-Dussel!“ - na, dem wird aber rubbeldiekatz das Schwänzchen gehalten!

   Wir kommen dabei oft zusammen zu Fall: Dann werden diese Sich-hervor-Tuer oft ausfallend, manche treten mich. Ich habe große Mühe, wieder auf die großflächigen Taps-Plotschen zu kommen, aber die Übung macht es, vor allem, wenn ich spüre, gleich gibt es wieder Tritte und Watschen gegen meinen Strahle-Grinse-Kopf.  

   Wenn sie dann das Maul laufen lassen, „Drecks- Eierbär“ und sowas rufen, dann geht es noch. Neulich schrieb einer in einem Leserbrief von MasKOTchen, genau so, damit das ganze als Scheiß abgehandelt werden sollte. Auf einmal mußte ich um meinen kläglichen Zuverdienst bangen.

   Aber es gibt auch diese anderen Momente, wenn Frauen gerührt den Kopf seitlich kippen, weil nach längerem Zureden das Kind schließlich doch den Mut aufbringt, mir befangen freundlich die Hand zu reichen. Dann mache ich ein paar hopsende Faxen und viele schauen glücklich. Auch gute Familienväter führen ihre Brut behutsam an mich heran, das gibt es noch trotz allem. Keiner kennt das Innenleben von „Wuschel-Dussel“. Von mir sieht man nur durch ein winziges Fensterchen indirekt einen Ausschnitt der Augenpartie. Leider ist mein Ausblick auch dementsprechend begrenzt. Von hinten werde ich oft erschreckt.

   Bei meiner eigentlichen Arbeit, wenn ich Sportgeräte herausgebe (die Leute haben den entsprechenden Chip von der Kasse in der Hand, ich sehe also, was sie wollen), erkennt mich ja im Grunde genommen auch niemand, dann bin ich ganz offen die wenig attraktive Nicole, die auch hier herum geschubst wird. Damit komme ich dennoch klar. Und das ist auch Routine geworden, ich brauche nämlich nicht zu fragen Womit kann ich dienen, Was darf es sein oder Noch etwas bitte? Und genau das, UND NUR DAS, war mir wichtig. Gold verdiene ich nicht damit. „Nie Kohle“, wie mal ein sogenannter Freund über meinen Namen witzelte.


   Allein der Gedanke, an Tische zu gehen, servil die Wünsche zu erfragen, jedem Drecksack zu Diensten zu stehen, das wäre nicht meine Welt. Ich finde, ich habe das kleinere Übel gewählt. Ich kann nicht klagen. Alle denken, ich sei männlich.

Sonntag, 19. Oktober 2014

Der weiße Clown

Menschen unter uns (2)

Der weiße Clown

Oder auch Weißclown – egal: DEN habe ich schon als Kind gehaßt, eigentlich hat er mich die Wut gelehrt, dieser arrogante Fatzke! Klassische Figur hin oder her.

   Ich saß rotwangig auf der Holzpritsche, ließ Akrobaten und entwürdigende Tiernummern über mich ergehen und wartete – auf die Clowns. Und dann endlich, die langersehnten Spaßmacher, da waren sie: mit großem Gedöns kamen sie in die Manege, vorne weg der überhebliche selbstherrliche Chef der Gruppe, mit weißem Gesicht. Hinter ihm zwei flapsige Schussel, ergötzliche Tollpatsche, lebensfroh und naiv hatten sie dem Boss auf den Leim zu gehen. Wie habe ich ihn verachtet, wenn er die liebenswerten Trottel in den Hinterhalt lockte, seine gemeinen Späße auf ihre Kosten vollführte. Nach Lust und Laune beherrschte dieser höhnische Fiesling die gutgläubigen Dussel. Mein Herz blutete für die mit riesig langen Schuhen herum watschelnden Rotnasen in monströsen Hosen. Eiskalt berechnend nutzte er sie in ihrer Begeisterungs-Bereitschaft sträflich aus. Ich hätte ins Sägemehl flitzen mögen und diesem Drecksack ans Schienbein treten. Aber sie ließen sich von ihm nicht unterkriegen. Erst im Laufe der Darbietung rächte es sich, so auf andere herab zu blicken, sie stellten ihm irgendwann ein Bein, und darauf wartete ich. Es gab letztendlich Gerechtigkeit!

   Und sowas prägt. Wenn mir in späteren Jahren auf der Geschäftsstraße bemühte Pantomime-Schüler begegneten, sich an der endlos nervigen „ich bin von einer Glasscheibe eingesperrt“ –Nummer verausgabten, dann läuft mir bis heute so ein Peinlichkeitsschauer den Rücken runter. Sie sind im Grunde genommen nicht verkehrt, aber das weiße Gesicht reicht schon, mich innerlich aufmucken zu lassen, auch wenn sie angenehm schweigen (ich wünschte früher dann immer statt des Glases eine echte Mauer herbei, so mit dicken grauen Steinen und so). Geschenkt. Die ganze Mischpoke der weißen Fratzen nervt mich unausgesetzt.

   Eine Arbeitskollegin liebte den Harlekin, das Motiv beherrschte ihr ganzes Büro, vollgepfropft mit unzähligem Nippes – na gut, der traurige Clown, ein gutes Motiv, das Herz malträtierend mit seiner Fiedel – aber leider mit weißen Gesicht. Schon kommt es mir wieder hoch. Die Erbschuld sitzt tief.


   All das Gebaren geht wohl auf den klassischen Pierrot zurück, von mir aus. Ja, in Frankreich war er als herrisch und unsympathisch kreiert, na also. Dann die unterschiedlichen Abwandlungen, bis ins mitleiderregend Tragische hinein. Das ganze Gewese um diese Figur läßt mich kalt: Ich mag keine gekalkten Masken, bitte kein weißes Gesicht! 

Freitag, 17. Oktober 2014

Menschen unter uns

Menschen wie (vielleicht) DU
aber(bestimmt) nicht ich

Annette
Sie heißt Annette – und ist auch „a Nette“. Ein liebes Wesen. Aber sie verfügt über eine Eigenart, die für mich auffällig, da sonderbar, ist. Sie tanzt. Aber die Umstände sind besonders (nicht so wie in dem bekannten Video, wo vor der Operation die Patientin das ganze OP-Team animiert und alle zusammen tanzen, bevor es ernst wird, ein tragikomischer Clip, der mir sehr gefallen hat).

   Bei Annette ist es anders. Sie geht mit uns ins Rock-Café, bezahlt Eintritt für einen seit Jahr und Tag angesagten Star, der auf Tour hier vorbeischaut, geht vor den Bühnenbereich, und tanzt. Sie ist groß und schlank, und sie kann das auch. Die meisten wiegen sich im unbestuhlten Bereich oder vor einer der Theken mit dem Glas Bier in der Hand und schauen dem Sänger mit seiner Band zu, andere, wie ich, sitzen weiter hinten an Tischen und wir erbauen uns daran, endlich diesen Tour-Veteranen auf der Bühne LIVE zu sehen.

   Nicht so Annette. Sie vollführt ihre ausufernden Bewegungen mit geschlossenen Augen in abgewandter Selbstvergessenheit, wirbelt mit Schlangenarmen um sich, kreist die aparten Hüften und würdigt die Bühne keines Blickes. Ihr Mann kennt das, er ist völlig gelassen, im Grunde unbeteiligt.

   Schön. Oder nicht so, wie man es sieht. Es ist durchaus sehenswert, wie sie sich zu bewegen versteht. Nur meine Bedenken gehen dahin – warum macht sie das? Zunächst dachte ich, um auf sich aufmerksam zu machen – aber da wäre doch eine Diskothek hilfreicher. Die Darbietung des Stars zu begleiten, warum? Annette hat daheim durchaus Schallplatten und CDs, sie wohnt nicht zur Miete und kann also richtig aufdrehen. Lästerer unter uns giften, sie müsse sich halt produzieren – für Groupie-Dienste sei sie dennoch schon zu alt.


   Wenn wir nach der Veranstaltung in der Gruppe heimwärts ziehen, ist sie wie neu geboren. Wir sind begeistert, den Star mit seinen Musikern erlebt zu haben. Ich bringe es nicht fertig Annette zu fragen, ob sie weiß, wer heute gesungen hat. 

Sonntag, 12. Oktober 2014

Kritik 3

Kritik III

-ein Nachtrag -

Nun trage ich nach, nachtragend bin ich, natürlich, aber das muß ich einfach noch ausführen: Bei der typisch deutschen Einschätzung von U und E hier also unter Zuhilfenahme des verständlichen Beispiels aus dem Fußball eine Werteskala, die jeder für sich auf Autoren und Werke umdeuten kann.

   Es gibt eine sogenannte „Weltauswahl“ – von der Journaille benannte auffällige Spieler aus sattsam bekannten Nationalteams zusammengewürfelt. Offizieller schon die Nationalmannschaft – und bleiben wir im Lande und schauen uns die Abstufungen genauer an: Bundesliga, dann sogar Liga 2 und wohl auch 3 soll es da geben (mir persönlich aber auch sowas von wurscht), verständlicher für mich dann Regionalliga, Oberliga, Verbandsliga, Ortsklassen mit Theken- und Hobbymannschaften, alles, was in der Lage ist, einen Ball zu erkennen und mit Gejohle und beherzt drauflos zu bolzen.

   Was ich damit sagen will: Nicht jeder Schreibende ist ein „Nationalspieler“! Nicht jedes Werk zeitigt den Verdacht, die Literaturgeschichte nachhaltig zu erschüttern. Auch ist nicht immer von den Allergrößten alles GOLD. Aber sich von „unterhaltsam“ und „ernst“ zu lösen wäre schon mal ein Anfang. Ein Jeder schätze ein nach persönlichem Gusto. Und es für sich selbst zu behalten ist auch kein Unglück.
„Das Beste“ sei gerade gut genug. Nur: Das gilt nicht für jeden Konsumenten – denn: Wer entscheidet denn, was gut ist? Ist das nicht jede/r Einzelne, der sich erlaubt, persönlich seine Wahl zu treffen, seine Entscheidung aufgrund von Bildung, Erfahrung und Geschmack zu bilden? Und was, bitteschön, ist wirklich und wahrhaftig „eigene, unbeeinflußte Entscheidung“?

   Ich habe hierfür ein weiteres und bewährtes Anschauungs-Beispiel. Ich habe es als „literarisches Ereignis“ in einer Autorengemeinschaft kennengelernt. Ich nenne es hier mal nicht „Surprise-Box“, weil ich einen englischen Begriff nicht als notwendig erachte, ich sage „Text in der Kiste“  dazu – das unbekannte Stück / Werk.

   Die schreibende Zunft versammelt sich in einer hoffentlich großen Runde, jeder hat einen Text, Maschinenschrift (heute also PC-Ausdruck) und maximal eine Seite, dabei. Und Viiiiiiiiel Zeit! Dieses anonyme Blatt wandert in ein Behältnis, in dem alle abgegebenen Texte durch Weitergabe gemischt werden und anschließend wie Lose reihum gezogen werden (sollte man den eigenen Text erwischen, bitte austauschen). Dann liest sich jeder den ihm unbekannten Text durch und es wird begonnen, einen nach dem anderen zu verlesen und somit namenlos zu besprechen. Es wird also ungeachtet der Person des Verfassers die eigene Einschätzung spontan geäußert, die anderen geben bemessen ihren Senf dazu. Es empfiehlt sich, hier eine vereinbarte Zeit einzuhalten, dann weiter zum nächsten Literatur-Erzeugnis. Es ufert sonst aus. Ist die Runde absolviert, gibt man die Texte von Hand zu Hand weiter und es behält am Schluß jeder „seinen“ Text. Man könnte das Spiel hier beenden, aber würziger ist es, wenn nun jeder noch mal seinen eigenen Text vorliest und sich dazu äußert, wenn er möchte (eine Möglichkeit zur vielleicht als notwendig erachteten Klarstellung). (Keiner soll nur Schlucken, ohne sich auch Auskotzen zu dürfen!)

   Die Erfahrung zeigt, daß es immer Teilnehmer gibt, die gerade und ausgerechnet jetzt keinen Text dabei haben („leider vergessen“– macht nichts, ich fülle dann mit prominenten Kurztexten auf, die aber für gewöhnlich nicht zwangsläufig bekannt sind (es findet sich immer was in solch kurzem Umfang bei Hesse, Brecht, oder ganz neuen hochgelobten Namen) – es sollte für jeden in der Runde ein Text vorhanden sein (aus der Erfahrung – am Ende habe ich zumeist zahlreiche Blätter in der Hand, denn es gibt so einige, die sich dieser Herausforderung zu stellen nicht den Mut aufbringen. Schade irgendwie, aber so ist das unter Menschen; es werden nur zu gerne andere zerpflückt, sich selbst aber vorurteilslos zu stellen, das kann nicht jede/r).

   Sie würden staunen, wie oft beliebte Autoren aus der Runde – und aus der Weltliteratur!  - bekrittelt werden! Und wie Außenseiter, Neulinge, „Namenlose“ zu Ehren kommen.


   Viel Spaß – mehr brauche ich nicht zu beweisen.

Samstag, 11. Oktober 2014

Kritik 2

Kritik

-         Teil 2 -

   Negative Reaktion

Das ist natürlich der interessanteste Bereich, die Ablehnung von Anfang an. Eigentlich unwichtig, verärgert es dennoch. Hier lernt man als Autor andere Menschen durchaus noch einen Tick besser kennen. Da sind zunächst die, die einem gut wollen. Eine Minderheit. Sie haben etwas entdeckt und sie halten damit nicht hinter dem Berg – das kann hilfreich sein, für beide Seiten, denn manchmal unterliegen sie ja einem Irrtum (oder sie helfen dem Schreibenden wahrhaftig weiter – das ist aber nur allzu selten). Sie haben halt eine andere Sichtweise. Ich denke da nur an leblos verstiegene Philologen („Heinrich Böll ist ja der größte Schriftsteller, der nicht schreiben kann“ – vergesse ich bis heute nicht, und das war unmittelbar vor dem Nobelpreis) – gefühlig verkümmert in ihrem sterilen Elfenbeinturm. Empathiefreie Verbildete sozusagen. Sie würden selber so gerne, halten sie sich doch für Elite, sie können aber nicht. Kreativität kann man schließlich nicht lernen. Und das geht diesen armselig Bemühten völlig ab.

   Dann die Selbstdarsteller, denen es um ihre Person geht, und nichts als sie selbst (die kennen wir alle z.B. aus dem Fernsehen, da schaffen es einige sogar zur Berühmtheit, aus welcher Berechtigung heraus auch immer – ich verbessere: sie sind eher berüchtigt). Nein, das kritisierte Buch spielt in Wahrheit, wenn man ganz genau hinhört, wirklich nur eine untergeordnete Rolle: Hier wird vollmundig hingerichtet, aufgrund nebulöser Eigenermächtigung und eines ominösen Sendungsbewußtseins eine Exekution betrieben, die an Selbstverliebtheit nichts zu wünschen offen läßt.

   Und so begegnen sogar dem minder erfolgreichen Autor/der um Anerkennung bemühten Autorin auf freier Wildbahn die Klugscheißer, Korinthenkacker und Nervensägen, die ja nun etwas ganz genau wissen und ihre ungefragte Verlautbarung nicht zimperlich verkünden  – warum auch, sie wollen doch letztlich in Erscheinung treten! „ICH hingegen meine aber …“ - interessiert kein Schwein. Weil es keinen Sinn hat!

   Und die Boshaften, die es einfach brauchen, andere ans Bein zu pinkeln, denen das Verletzen, das Niedermachen das Zerstören ein finsteres Bedürfnis ist. Bleibt zu hoffen, daß sie einen guten Halt finden. Wäre doch schade um die fehlgeleitete Bildung, sogar so ein Mensch kann unter Umständen einen Wert darstellen. Es muß dieser Versagerin/einer solchen Niete ein sinnvolles Gebiet zuteil sein, dann könnten sie sich durchaus als nützlich erweisen. Solche Krankheiten sind therapierbar! Es muß diesen verblendeten, verkorksten Zeitgenossen nur gesagt werden. Gott sei mit Euch, dröge Nörgler und armselige Verhärmte und verkniffene Miesmacher. Ein gutgemeinter Rat: Mißgunst, Neid und Erkennen des eigenen Versagens sind kein guter Anschub. Bei allem erbitterten Bemühen nicht.

   Gerade Leute der sogenannten ‚Bildungsschicht‘ entpuppen sich nur allzu oft als Fachidioten: in ihrem Metier haben sie durchaus etwas erreicht, in der Gesamtschau aber letztlich entpuppen sie sich als unbeseelte Theoretiker; bestimmte Bereiche ihres erbärmlichen Daseins im Frust sind verkümmert, unterentwickelt geblieben. Bei der Vergabe der positiven Emotionen wurden sie schmählich übergangen (Jaja, ich lasse mich jetzt gehen – aber wenn nicht hier, wo dann? Schauen Sie mal, wie mein blog heißt!)

* * *
   Ich hatte viele Veröffentlichungen, Lesungen, Treffen mit anderen aus dem gleichen Literaturzirkus (einige Jahre als geschäftsführender Vorsitzender des zweitgrößten Autorenverbandes erlebte ich so Einiges, und es wurde mir auch allezeit viel zugetragen – vgl. mein Buch „Aufzeichnungen eines Nestbeschmutzers“). Was für eine Aufregung in den eigenen Reihen über mein ungezügeltes Plaudern aus dem Nähkästchen: Versteinerte Mienen, Abkehr, Bann! Und beileibe nicht nur bei wenigen Einzelnen, wohlgemerkt.

Gewiß, ein richtiger Durchbruch ist mir nicht gelungen (die 3.000 von eigenen Büchern in ein paar aktiven Jahren mit Lesungen sind noch nicht überschritten), aaaber: redlich ernährt sich der Giftzwerg, oder so. Und ein tröstlicher Blick auf den Buchmarkt: z.B. Lyrik-Auflagen übersteigen selten die Tausend. Müßte ich davon leben, ich wäre sehr schlank, tja – ich bleibe dran. Für mich ist das Erleben, ein Buch fertiggestellt zu haben, unvergleichlich. Ein einzigartiger Hauch von Glück. Und das Gefühl möchte ich niemals missen. Da wird die Veröffentlichung letztlich zur Nebensache.

   Jede und Jeder ist ein eigener Kritiker. Betrifft weniger die Eigenkritik, der sind die allerwenigsten fähig (außer beim beliebten „Fishing for Compliments“, aber das (ver)urteilende Meinungsbilden, das gehört zum Leben. Das kann eines Tages durch Besinnung korrigiert werden, das kann aufgrund von Bestätigung beibehalten werden, es öffnet oder verschließt sich, je nachdem.

   Es ist nur eine Frage des Charakters, wie man sich „kritisch“ verhält. Darin die Kernfrage: Was bezwecke ich damit?

   Ein Jeder darf Kritiker sein – für sich. Jeder hat das Recht auf seine Meinung; wen sie interessiert, ist eine ganz andere Frage. Es ist und bleibt letztlich alles eine Frage des persönlichen Geschmacks! Der Bildungsgrad weicht von X zu Y ab, ernster Anspruch (E) und reine Unterhaltung (U) haben parallel ihr Recht (übrigens eine nur allzu typisch deutsche Unterscheidung) – die Belastbarkeit tut ein Übriges. Wer völlig abgemolken ist, von der Arbeit geplättet nur noch Entspannung ersehnt, dem ist kaum zu verdenken, den Kunstanspruch erst mal ruhen zu lassen. Das ist niemandem zu verdenken! Nur ein großer Bereich des Künstlervolkes reibt sich daran (von der Warte ihrer ‚erhörten Berufung‘ her doch eher echter Arbeit abhold).

   Und die Beckmesserei von Betreibern der schreibenden Zunft untereinander kann Bände füllen. Die Literaturgeschichte ist voll davon. Ansichtssache und Streit sind so alt wie die Menschheit, und seit der Mensch schreibt, kommt er gut oder weniger gut an. Nicht jeder Erfolg trifft bei allen auf Begeisterung, nicht jeder Mißerfolg ist voll und ganz verdient. Es ist und bleibt alles ein unkalkulierbares Unterfangen. Wir haben in Deutschland um die neunzigtausend (!) Neuerscheinungen pro Jahr – und das sind nur die mit ISBN versehenen Bücher. Die unzähligen Eigenverleger, die sich nicht registrieren, sondern nur beherzt ihr Kleinod drucken lassen, kommen noch hinzu!


   Aber eines ist klar: Wer sich offenbart, liefert sich aus. Und da das auch den erfahrenen Schreibenden bekannt ist, sollte nicht alles für bare Münze genommen werden. Autorinnen/Autoren wissen schon, was sie tun! Kreativität verwebt Reales und Phantasie – das ist der Reiz – und nur darum geht es.

Freitag, 10. Oktober 2014

Kritik 1

Kritik

Erfahrungsmuster über erlebte Literatur-Kritik

Das nehme ich mir nun einfach mal heraus, nach über 45 Jahren literarischer Arbeit habe ich viele Begegnungen gehabt, so manche Kritik erfahren (da sammelt sich einiges an, staut sich auf, beflügelt, verärgert, alles … (“das ganze Programm“, wie Dittsche sagen würde). Man kann den Umgang damit lernen – aber wie immer im Leben, man lernt nie aus.
Und so möchte ich meine Erfahrung darstellen:

   Keine Reaktion
Das ist der Regelfall. Warum auch – Leser haben bezahlt, Leser bilden sich ihre Meinung. Und wenn sie kein Buch gekauft, sondern kostenlos gelesen haben, so wurde doch mit Zeit ‚bezahlt‘, fürs Lesen (oder Zuhören). Ist doch was. Es gefällt, man liest anschließend etwas anderes, kommt auch zur nächsten Lesung wieder. Es gefällt nicht, man steigt sofort aus und „gut is“. (Aktuelles Beispiel eigener Wertschätzung: Martin Walsers Das 13. Kapitel – für mich „nahezu ungenießbar“, und was habe ich von dem genialen Autor schon großartige Bücher gelesen!). Andererseits finde ich momentan Juli Zeh mit Nullzeit grandios (und, milde gesagt, wie verhalten wird dieses Buch der vielfach preisgekrönten Autorin in den offiziellen Kritiken besprochen).

   Positive Reaktion
Ein Lob erfolgt, zumeist mündlich, mitunter schriftlich. Doch Vorsicht, hier ist der Regelfall dergestalt, daß die Lobpreisung nicht uneigennützig erfolgt, man will etwas. Es werden einem Vorschuß-Lorbeeren zuteil, die ganz schnell die Wupper runtergehen, wenn man sich nicht erkenntlich zeigt. Es geht um geistige Ergüsse des Gegenübers, erwartungsvoll das ‚Hausgemachte‘ übergebend oder ankündigend: „Bitte eine ganz offene Meinung, schonungslos“ – und es wird sich erwartungsfroh um Beteiligung an der eigenen Begeisterung bemüht, zumindest doch wohl gehöriges Beeindruckt-Sein vorausgesetzt. Und wehe, man springt als Autor nicht darauf an, auf die erwiesene Gnade, einbezogen zu sein – gestrichen wird das Lob, nachhaltig: Das habe ich leider oft erlebt, glauben Sie mir. Vergeltungsszenarien kühnster Prägung mitunter. Oder, in einem späteren Stadium, wird gar ein fauler Handel angeboten: Gute Buchbesprechung gegen … gute Buchbesprechung.
   Aber es gibt auch zufriedene Zeitgenossen, Leser oder Zuhörerinnen, denen man ein wenig Unterhaltung geboten hat – und sie danken es, folgenlos. Und schon gerade „Konkurrenten“: Die schweigen aus Prinzip. Was auch immer dahinter stecken mag.


-         Und morgenTeil 2: Negative Reaktion -

Samstag, 4. Oktober 2014

Liebe – kurz und bündig

Verwirrung in der Liebe


Er hatte ihr ergeben erklärt: „Ich habe mich in Dich verliebt.“

Sie war zufrieden angetan. Und sie erwiderte: „Du – ich mich auch!“

Er war trunken vor Glückseligkeit. Erst viel später ging ihm auf … sie hatte gar nicht ihn gemeint.


Traurig, so eine Mann/Frau-Geschichte. Mehr gibt es jetzt eigentlich nicht zu sagen.

Donnerstag, 2. Oktober 2014

25 Jahre II


Kopf hoch, Ossis: Auch Wessis sterben aus!

   - Bilder, die im Kopf bleiben, Teil 2 –


Die Mauer fällt
Ich war im Autorenverband, gehörte zeitweise dem Vorstand an. Wir hatten sehr viele Mitglieder aus dem östlichen Teil Deutschlands in unseren Reihen, Lehrer, Journalisten und viele andere mehr. Sie hatten allen Grund zu erzählen, wie es ihnen drüben ergangen war. Ich erfuhr aus erster Hand von den Schicksalen, den Schikanen, dem Berufsverbot, dem Kaltstellen, dem Ausgrenzen, von Flucht und Austausch. Ich wußte von den vielen Toten, die die Mauer zu verantworten hatte: Menschen, an der Mauer von Landsleuten erschossen! Ich hörte von verratenen Bürgern, die ein drangsaliertes Dasein gefristet hatten.
   Die Mauer fiel, letztlich irgendwie überraschend, und umgehend hatte unser Vorsitzender ein Wartburg-Treffen arrangiert. Westdeutsche Autoren trafen solche von dort. Ich lernte nun sehr viele andere Leute kennen. Ganz andere. In der riesigen Runde mit um die einhundert Schreibenden war alles vertreten, was die Psychologie hergibt. Besserwisser – und zwar auf beiden Seiten, Schleimer und Wendehälse, unbeugbar Halsstarrige, die sich sofort in verbale Kämpfe begaben und hochnäsige Paroli-Bieter von uns, die ihnen klar zeigten, wo es in Zukunft langgehen wird (von wegen „wo bekommt man jetzt Schreibaufträge“ – wir lachten herzlich). Ex-Majore, die um Anerkennung buhlten, Dissidenten, die auf Klarstellung und letztlich Abrechnung beharrten - die erlittenes Unrecht anzuprangern verständlicherweise nicht müde wurden. Gerade die konnte ich sehr gut verstehen. Ein Rudel westlicher Lyrikerinnen trocknete angefaßt die geflennten Krokodils-Tränen eines reuigen Militärpoeten (Vopo-Offizier!) aus einem der neu entstehenden deutschen Bundesländer, vorgebend, nun ganz den Halt verloren zu haben. Irrwitzige Szenen, die ich nie vergessen werde.
   Mauerspechte verteilten Gesteinsbrocken, Farbsprengsel darauf. Für im Westen wohnhaft gewordene Rübergemachte wie Kleinode. Berührende Autorinnen erzählten von ihren Demos, zeigten unter echten Tränen auf, was sie beherzt angegangen waren, was sie erreichten – WIR SIND DAS VOLK – und so langsam gewann ich erste zaghafte Sympathien hinzu, eherne Vorbehalte wurden brüchig, es begann das Zerlegen der inneren Mauer, und das wird noch lange dauern. Wir brachten damals mit diesen Mitmenschen umgehend eine gemeinsame Anthologie heraus. Es hatte etwas ganz Neues seinen Anfang genommen. (Hach, und im Sport – erste Hochrechnungen für die zu erwartenden glänzenden Medaillenspiegel!). So manch alteingesessener Nachbarn im Westerwald frotzelte: „Und wo ist bitteschön mein Begrüßungsgeld?“
      Nach den offiziellen Begegnungen trafen wir uns privat, Spaziergänge zu Füßen der Burg in tiefstem Schnee, und bei den weiteren Wartburg-Treffen in den Folgejahren auf einmal die ersten Farbtupfer unserer freien Welt! In dem Städtchen Eisenach bereits im Folgejahr, noch aber dominant grau in grau, weiterhin auch stinkig-qualmig die Luft durch die lärmigen Autos dort. Die Stadtbilder änderten sich mit zunehmender Geschwindigkeit – hoffentlich bleiben die wundervollen Alleen erhalten, dachten wir Besucher.
   Kleine Episode am Rande: Im Brentanohaus in Winkel/Rheingau empfingen wir eine Bus-Delegation zum Gegenbesuch aus Anlaß unserer gemeinsamen Anthologie. Wir stießen an und eine Lady des Ostens schnarrte in ihrem Idiom, um kecke Verwegenheit bemüht: „Mit dem Auto sind Sie da? Bei uns gilt ja die 0,0 Promille! Aber Besser-Wessis dürfen das hier ja wohl.“ Und darauf ein befreundeter Professor: „Wieso diese Verdoppelung – Wessi ist bessi!“ Arrogant, aber …herrlich. (Ungezählte solcher klingenscharfen Bonmots gibt es zuhauf in meinen Tagebüchern. Aber ich will nun nicht abschweifen.)
   Ich war unterdessen öfters „drüben“, auch in Stralsund, wo wir über einen neuen „Highway“ nahezu unbedrängt „hinüberglitten“, indes der Soli unseren heimischen Straßenerhalt vergessen ließ. Tausenderlei Dinge, die nicht so liefen, wie gedacht – aber was war das auch für eine Umwälzung.
   Wir sind nun immer mehr gewahr geworden, die Menschen dort schauen weiterhin in die über sie angelegten STASI-Akten und werden verständlicherweise nicht müde fassungslos zu staunen, was die lieben Mitmenschen (Kollegen, Nachbarn, Familienmitglieder!) so nebenher betrieben: Ausspähen, Abhören, der „informelle Mitarbeiter“ (IM) von nebenan, die Verstrickungen unermeßlich. Wir lachen hier über Bananenwitze, wenn wir das Gesächsel hören, deren typischen Abkürzungs-Fimmel, zum Piepen. Vorbehalte sind zunächst einem abgründigen Humor gewichen. Es braucht seine Zeit. Wir wachsen zusammen, ganz allmählich. Ich habe neue Wörter gelernt!
   Schon bald die undankbaren Klagen, daß es nichts sei mit den versprochenen „blühenden Landschaften“, immerzu war zu vernehmen „Jetzt sind wir aber mal dran!“ – und natürlich die Wildwestler, die geschäftstüchtig knallhart wirkten und sich bereicherten. Willkommen in der Freiheit! Nicht alle kamen damit klar, das wächst sich aus (in Geschäften in Stralsund schlug mir feindselige Haltung entgegen, ich fühlte mich an Holland erinnert). Ich muß es leider immer noch sagen: Einer durchaus abweichenden Arbeitsmoral begegne ich auch heute noch auf Schritt und Tritt (die verräterische Sprache bezeugt es). Nein, gewiß, hier in den alten Bundesländern ist nicht alles gut und vorbildlich – aber tauschen hätte ich zu keiner Zeit mögen. Und meine Hochachtung gilt diesen beherzt aufmuckenden Menschen, die friedlich den Umsturz erzwangen – eine ganz große Leistung! Nun kippt leider manchmal die Betonung der Parole – das stolz proklamierte WIR SIND DAS VOLK ist zu einem gesamtdeutschen „Wir sind ein Volk…“(Kopfschütteln) verkommen.
   Ich war wiederholt in Berlin, habe von jüngeren Menschen anhand Museums-Besuch mehr über den Alltag dort erfahren. Kindheitserinnerungen, wie alles so gewesen ist. Verklärung auch dort. Ganz parallel. Verständliche Nostalgie, spezielle Ostalgie. „Es war doch nicht alles schlecht“ – nein, aber in der Nazizeit angeblich auch nicht.
   Die materielle Mauer ist schnell gewichen, die Mauer in den Köpfen kann nur durch Aussterben beseitigt werden – wir alle tragen unsere Erfahrungen mit uns herum, ganz vorbehaltlos kann nicht alles gelöscht sein. In keinem Kopf, hüben wie drüben. Es ist eine Frage des fairen Umgangs: Und das ist auf beiden Seiten (ja, die gibt es noch) verbesserungswürdig. Ich will gerne daran arbeiten, habe seit Jahr und Tag einer Flut liebenswerter Menschen die Hand gereicht, aber vergessen möchte ich nichts. Und mir ist völlig klar, ich war letztlich nur indirekt betroffen. Aber Betroffenheit ist ein starkes, ein prägendes Gefühl.
   Ach, ich hänge einfach noch mal den zentralen Ausspruch aus meinem Lieblingsfilm an: Am Ende wird alles gut. Und wenn nicht alles gut ist, ist es auch noch nicht das Ende.

Danke fürs Lesen, und bitte stets beachten: ES SIND MEINE Eindrücke.

25 Jahre Mauerfall


Kopf hoch, Ossis: Auch Wessis sterben aus!

-    Bilder, die im Kopf bleiben –

Mauer-Zeit
Vielleicht bin ich ja nur den falschen Menschen begegnet, allerdings: immer wieder. Und wenn sich eine Erfahrung wiederholt, kann es dann nicht sein, daß es gar kein Vorurteil ist?
   Ich habe aus dem aktuellen Anlaß (Mauerfall, 25 Jahre) von den Befindlichkeiten der nachgewachsenen Generation gelesen. Klagelieder üblicher ostzonaler Tonart, nun mal mit neuer Attitüde, aber unter dem Strich flunschige Verletzung, die sich schnippisch, rebellisch, vorwurfsvoll und altbekannt empört liest. Ich bin Jahrgang einundfünfzig, also 1951 (hahaha), soviel Klarheit muß sein, und habe einiges persönlich erlebt, mit den „Brüdern und Schwestern“ von drüben. Und es wirkt nach, glauben Sie mir. Es würde ein Buch füllen (und eigentlich tut es das auch schon), hier in diesem kleineren Rahmen soll es bei ein paar Kostproben unvergeßlichen Erlebens bleiben.
   Als kleiner Junge fuhr ich mit meinen Eltern im Käfer durch die Ostzone, Berliner Verwandtschaft WEST zu besuchen. Ich vergesse nicht die ängstlichen Blicke meiner Eltern. Und dann die uniformierten vergrätzten Typen, die Spiegel auf Wägelchen unter unser Auto schoben, überall herumschnüffelten, und nicht nur die Hunde. Die angespannten Dialoge dieser „Grenzer“ – es waren Deutsche, soviel hatte mir mein Vater erklärt, und daß ich nichts sagen dürfe, nur nicht! Es war eine ungeheuerlich bedrückte Stimmung, die mir mein ganzes Leben lang unvergleichlich geblieben ist. Und sie sprachen so sonderbar und immerzu dieses „DDR“ und „BeErDEE“. Es war unheimlich. Den Begriff KLASSENFEIND vernahm ich schon sehr früh.
   Mit der Verwandtschaft suchten wir Aussichtspunkte auf, schauten über Grenzanlagen: Hohe Mauer, Todesstreifen, Stacheldrahtverhaue. Hier trafen sie mitunter andere Familienmitglieder – auf der anderen Seite. Sie beschrieben uns, wie sie verstohlen winkten. Ich war Kind, hatte schon Nazis in Filmen gesehen – dies war ein ganz neuer, echter Film!
   Viele, viele Jahre später fuhr ich mit dem Zug nach West-Berlin, meine Frau aus dem Hunsrück sah das alles erstmalig. Ich hatte sie vorbereitet. Dann stieg Personal „von denen“ hinzu für die Durchquerung von deren SBZ-Territorium. Unsere Landsleute aus den anderen Abteilen waren frohgemut, angesäuselt sagte einer zu so einer Uniformierten: „Na Muttchen, wie wäre es mit einer kleinen moralischen Aufrüstung?“ und reichte ihr eine kleine Schnapspulle. Ich dachte, das war‘s, die koppeln nun unseren Waggon ab. Nix, in dieser für solche Leute nur allzu typisch schnippischen Haltung entgegnete sie patzig: „Nein danke, aber ich freue mich, wenn es Ihnen schmeckt.“ Immerhin, auch eine Form von Schlagfertigkeit. Wie mochte es in dieser Person aussehen? Ich begeistere mich für diese erteilte Ohrfeige an die verklemmt gefrustete DDR-Uniformierte noch heute!
   In den Folgejahren immerzu im Sport diese zwei Trikots, UNSERE weiß mit rotem Brustring, DIE VON DRÜBEN mit blauen weißgesäumten Hemdchen. Freundliche Begegnungen auf den Siegerpodesten von freimütigen Westdeutschen wurden von verschlagen blickenden Ostdeutschen mißachtet oder wenn, hohnverkniffen, quittiert. Was für ein Menschenschlag …also diese linientreue giftige Grundhaltung – ich schätze, ich wäre ein guter Ossi geworden (kleiner Scherz).
   Aber dort Beamter – nein danke. In der Verwaltungsschule erfuhr ich die westliche Sicht fundiert, und sie leuchtete mir auch ein. Die Präambel zum Grundgesetz (auch für die, denen die Mitwirkung versagt ist) lernte ich schematisch, denn es berührte mich wirklich nicht. Was gut von denen war, das war die für meine Ohren deutlich überlegene Melodie der Hymne – das war so das einzige, was ich schätzen konnte (Eisler hatte zwar naßforsch abgekupfert, was soll’s  – und der Text: ausgerechnet „Becher“-Hymne, was für ein seltsamer Zufall, ein gewisser Johannes R. als Namensvetter, der diesen Unfug verantwortete – na gut, welche Hymne enthält keinen Schwachsinn?). Nein, dieser real existierende Unterdrückerstaat – da war ich sogar hin und wieder froh über die Mauer. Der Antifaschistische Schutzwall schützte irgendwie auch UNS.
  

(morgen dann Teil 2- ja doch, es wird anders)