Ich
bin nicht allein
(ich
habe ja mich)
Schon früher habe ich „polarisiert“ (ohne das Wort zu kennen) – man mochte mich, man mochte mich nicht. Geht irgendwie letztlich uns allen so. Das Kräfteverhältnis fiel bei mir sogar recht ordentlich auch, ich schätze mal so ungefähr 90 zu 10. Natürlich kann man nie jeden für sich einnehmen, aber doch reizt es mitunter.
Ich war überall der Kleinste, rührig bemüht, also hatte ich per Mitgefühl schon Sympathien – oder, zur Schulzeit, ganz üblich Gegner, die sich zu profilieren versuchten, weil sie Schwierigkeiten hatten, sich mit Gleichstarken zu messen und die Schwächeren suchten. Ich verstand es notgedrungen sowohl in der Schule als auch beim Militär, besonderen Personenschutz für mich zu gewinnen; schon bald verbrannten sich die Feiglinge die Finger, weil sie es zu büßen hatten, versuchten sie, mich zu unterdrücken. Ich bringe nun keine Geschichtchen von Vergeltungsaktionen, nur soviel: So mancher hatte es gar arg zu bereuen, sich meinen Unmut zugezogen zu haben.
Bei Vorgesetzten war es anders. Wer mich nicht leiden konnte, den konnte ich schlecht abwatschen lassen, also ließ ich mir was anderes einfallen. Mit Schläue und Gerissenheit nahm ich clever die Skeptiker für mich ein. Nur ein Beispiel: Bei der Bundeswehr war ein Oberfeldwebel, der mich gefressen hatte, und als er Spieß wurde, war er mir als dem erfahrenen Geschäftszimmer-Fuzzi ausgeliefert. Ich half ihm sehr – schon bald war er Hauptfeldwebel und als ich meine achtzehn Monate abgerissen hatte, brachte er mich wirklich und wahrhaftig unter Tränen vors Kasernentor: er verlor sozusagen einen Sohn. Ein Triumph. Ich konnte das, ich schaffte das.
Und genau das habe ich nicht mehr nötig. Warum soll mich jeder mögen? Da pfeife ich drauf. Ich habe es gar nicht nötig, um Gunst zu buhlen – aber das mußte ich erst mal begreifen lernen. Und überhaupt: Hans und Franz zu treffen, dafür war mir von jeher die Zeit zu schade. Quatschen als Zeitvertreib, um Gottes Willen nein. Ob positiv oder negativ, gereizt haben mich im Umgang stets nur die in irgendeiner Weise auffälligen Zeitgenossen.
In der allerschlimmsten Phase meines Lebens (Verlust der Ehefrau*) fühlte ich mich verlassen, getreu dem Sprichwort: Lach, und die ganze Welt lacht mit dir – weine, und du weinst allein. Wie wahr. Und die Therapie lehrte mich: Wenn du meinst, niemand ist dir gut, dann sei dir wenigstens selber gut. Und als ich das beherzigte, ging es wieder bergauf (und dann sogar wieder zu zweien, und dies nun seit 1993).
Ich lernte damals auch die Zielrichtungen von Kollegen, Bekannten und sogenannten „Freunden“ zu erkennen. Selbstloser Beistand ist ganz selten, man schaue nur genauer hin: Irgendein Ziel steckt hinter der Zuneigung. War das Ziel erreicht, dann merkte ich sehr schnell, was Bestand hatte – fast nichts. Nur ganz selten blieb die Nähe bestehen – so ist das Leben, für mich jedenfalls. Die Fähigkeit, andere durchschauen zu können gehört zu meinen wichtigsten Errungenschaften. Eigentlich schlimm, es schult das Mißtrauen – zahlt sich aber aus (aufgepaßt aber, man sollte nicht als Misanthrop enden).
Noch nie war das Leben so gut zu mir wie jetzt. Nur ganz wenige begleiten mein Leben – und die reichen mir auch. Befremdlich ist für mich von aller Welt zu hören, wie man begeistert ist, immerzu Leute kennenzulernen. Was wird da eigentlich erwartet? Bücher und Filme geben mir persönlich mehr.Der Umgang mit anderen ist heutzutage ganz allgemein schwieriger denn je. Immer bedarf es eines „Zeitfensters“ (und wie ich mit Erstaunen feststelle, beginnt es schon in und vor der Schulzeit – sich spontan zu treffen ist ohne Zweckrichtung nahezu ausgestorben; unbedarft kindliches Spielen stirbt vermutlich aus). Eine üble Entwicklung. Ich mochte noch nie gerne der Lückenfüller sein. Wenn alles andere wichtiger ist – dann gehe ich für gewöhnlich auf keine Terminvereinbarungen ein außer den unumgänglichen – und zwar dort, wo das hingehört (Facharzt oder so).
Und dann die Einschränkungen in dieser Wohlstandszeit: Dies mag jene nicht, das lehnt jener ab, sie verträgt dies nicht und er ist für jenes nicht zu haben. Jammern auf hohem Niveau gewissermaßen, selbstgeschaffene und -erwählte Lebenserschwernisse. Unverhandelbare Tabus, nie gekannte körperliche Defizite kennzeichnen die Neuzeit. Schlimme Zeiten. Muß ich mir das antun? Nein, muß ich nicht.
Kurioserweise sind manche aufgeschmissen, wenn sie allein und auf sich gestellt sind. Verlorene Seelen: Um Himmels Willen, nur nicht allein sein! Ohne die sie zutextenden Laberer aufgeschmissen, ohne Smartphone schier nackt. Kein Unterschied zwischen einsam und allein. Wie erbärmlich. Ich bin nicht allein, schon gar nicht einsam, denn ich habe ja letztlich noch … mich. Ich bin sehr zufrieden, da ich mich in guter Gesellschaft wähne. Nichts ist mir wichtiger, als alleine klarzukommen (und zwar ohne abschottende Knöpfe in den Ohren!). Das ist ein Segen. Ich habe Zeit für mich. Andere sehr oft nicht. Sie daddeln zwar stundenlang täglich am Computer herum – und dann erkenne ich doch die Wertigkeiten. Schönen Dank auch. Die Antwort auf eine E-mail kostet wenige Minuten – aber man findet dafür keine Zeit. Schon klar.
Irgendwann treffe ich diese enttäuschenden Zeitgenossen zufällig auf der Geschäftsstraße wieder. Frohlockende Gesichter, jubelnde Arme, „ach HallOOOO – lange nicht gesehen“. Ich verstehe es, diese aufgrund meiner Erfahrungen als lästig empfundenen Begegnungen abzukürzen. Das führt doch zu nichts (denn danach geht es so weiter wie bisher – und zwar immer!). Das brauche ich mir nun wirklich nicht anzutun. Ich habe dann grundsätzlich keine Zeit: Ich habe (mit mir) noch etwas vor. ‚Nein, tut mir das nun aber leid‘…IHR könnt mich mal kreuzweise – und dafür sind bei mir viele Termine frei.
*verarbeitet
in dem Roman UNSER SCHWARZGRAUWEISSER REGENBOGEN
[... Warum soll mich jeder mögen? Da pfeife ich drauf. Ich habe es gar nicht nötig, um Gunst zu buhlen... ] Genau so sehe ich es auch und auch in anderen Meinungen von dir kann ich mich wiederfinden. Musste es auch erst lernen, und auch wenn vorab ein Misstrauen da ist, ich finde diesen "Schutz" gut. Glaube auch daraus lernt man dann einige Menschen zu durchschauen, schon alleine weil man zuerst immer auf dem "Beobachtungsposten" steht. Menschen kennenlernen-gerne-aber auch ich zähle mich zu denjenigen Personen die nur wenige ganz nah an sich ranlassen, die alles von mir wissen aber die ich wirklich als Freunde bezeichnen kann. Für einander da sein, in jedem Moment und ohne auf eine Gegenleistung zu warten, das ist es was es auszeichnet.
AntwortenLöschenTja, und das allein sein, also da kann ich immer nur sagen: besser mit seiner Person allein zu sein als in einer Partnerschaft. Gibt es ja leider zu oft und diese Einsamkeit macht krank. Einen Menschen um sich zu haben mit dem man gute Gespräche führt, Gemeinsamkeiten hat und viel lachen kann ist gut für die Seele. Selbst wenn es eine Fernbeziehung sein sollte, schliesslich muss man sich ja nicht immer auf der Pelle hängen^^
Was mich persönlich so erschreckt ist wirklich dieses "Phone-Verhalten" der Menschen. Wie bitteschön kann man sich davon so abhängig machen? (immer noch im Besitz eines Pre-Paid-Handys ohne Funktionen). Habe ich letzte Woche Freitag erst wieder gut beobachten können: Einen Termin in Puerto war ich mal wieder viel zu früh dran, und da mein Magen knurrte und ich schon bestimmt seit zwei Jahren keinen Burger a la Mc gegessen habe bin ich dort rein. Gleich an zwei Tischen konnte ich junge Paare sehen wo jeweils Männlein sowie Frauchen auch so ein Ding in der Hand hatten und nur darauf rumtippselten. Kein Wort zueinander, ihr Essen nebenher "verschlungen" und die einzigsten Frage war dann nur wie man denn aufs WC kommt (Code für die Tür auf dem Kassenbon).
Einfach nur schlimm und ich bin überzeugt dass so einige Bücher die ich gelesen habe Wirklichkeit werden, und das sogar schneller als uns lieb ist.
Boa....heute wieder meinen Kaffee mit Sabbelwasser aufgebrüht, hoffe ich dass du mich ertragen konntest *grins* Ach, und bevor ich es vergesse: ich kann bis dato sagen dass ich dich mag, freue mich jedes Mal wenn ich wieder was von dir lesen kann.
Liebe Grüssle von der Insel auf die Insel und natürlich auch an Bine
N☼va
Ganz herzlichen Dank, liebe Nova - ja, wir ticken wohl recht gleich (gut zu wissen) - die Grüße an SaBine gebe ich gleich weiter (heute schwerer Tag: Sabine Zahnarzt, und das geht noch - aber unsere kleine Chica, die Hündin, voller Hautkrebs - wir sind sooo besorgt (wochenlang hat sich Sabine hingebungsvoll "alternativ" bemüht, nun werden wir sie doch dem Messer ausliefern müssen, falls nicht schon zu spät) - bis bald und nochmals DANKE
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