Montag, 8. Oktober 2012

Mein Deutsch



Mein Deutsch
Teil 1
Ich bin deutsch aufgewachsen, rundum. Ich vergesse nie den herausragenden Fehler in meinem allerersten Diktat in der Volksschule – Eimer – ich schrieb es nicht nur mit zwei M, statt des E hatte ich einer inneren Täuschung zufolge eine 3 geschrieben. Und meine beiden Sitznachbarn, was aber auch für ein Wunder, ebenfalls. Das fiel auf – von da an fiel ich immer auf. 3mmer.
   Ich kann nun Eimer schreiben. Gelernt ist gelernt. Weiterhin lerne ich unausgesetzt dazu – und das verdanke ich dem genialen Sebastian Sick, meinem Schriftsprache-Erquicker, der amüsant und lehrreich schreibt. Ganz großartig; nie würde ich es wagen, hier in Konkurrenz zu treten. Aber ich erlaube mir, eigenen Notizen folgend einige Anmerkungen.
   Eine meiner ausländische Freundinnen fühlt mir mitunter auf den Zahn; dabei werde ich nachdenklich, denn begründen kann ich unsere Sprache mitunter nicht. Es heißt Jubiläum, Ä und U gesondert gesprochen – und nicht“Jubileum“ (ja, gut: ist aber doch eingedeutscht) – wir sagen aber Bäume und Käufer, und nicht Bä-ume und Kä-ufer (also echte deutsche Wörter). Seltsam. Wieso ist ein älterer Mann jünger als ein alter Mann? Es geht mir besser – aber nicht gut. Die Kopfschmerztablette ist nicht dafür, sondern dagegen. Die Fremdsprachen, in die ich ein wenig Einblick habe, sagen zwanzigunddrei, und nicht dreiundzwanzig. Und das andere erscheint mir logischer, erst die Zehner, dann die Einer. Im Sport zu siegen heißt, jemanden schlagen – man hat den Kampf gewonnen, aber in der Regel ohne Glück obsiegt. Es gibt unendlich viele Beispiele – da wird man ganz kirre. Ich möchte in Deutschland kein Ausländer sein (schon allein der Gedanke, von jetzt an diese Sprache erlernen zu müssen).

   Oh ja, wir hatten ja eine Reform – und dann die Reform der Reform und so weiter. Was für ein Hickhack, welch eine vertane Chance. Die Autoren wehrten sich, die Großen – und wir kleinen auch. Gottlob muß ich keinen Rotstift mehr fürchten – und mein Leben als aktiver Beamter, der in Rheinland-Pfalz mit der Neuregelung verbindlich drangsaliert wurde, ist vorbei (mit Grauen denke ich an die Schriftsätze des Schreibdienstes zurück, abzeichnen ging ja noch, aber was ich selber unterschrieb, es war wie eine Nötigung). Das ist endgültig aus und vorbei. Walser sagte, er werde niemals rauh ohne H schreiben. Und ich Wicht(iger)Autor niemals muß  mit Doppel-S – gerade wieder die wichtigtuerische Rechtschreibkontrolle – rot natürlich – ist mir wurscht!!! Ich gebe mir meine eigenen Regeln, höre nur auf den „Heiligen“ Sebastian – s.o. – und das genügt mir. Letztlich kann ich mich nunmehr auf die literarische Freiheit berufen. Mein unschätzbarer Freibrief.
    Das ganze Szenario lief unter „Ändern um jeden Preis“, allerorts eine Seuche der heutigen Zeit, Optimieren heißt das unselige Schlagwort, ob was besser wird, scheint zweitrangig – es ist mitunter zu lachhaft. Korrigierte Korrekturen, so manchen sinnentstellenden Unfug nahm man unter öffentlichem Druck, welch noble Anwandlung, zurück. Ich will hier nicht ins Detail gehen, sage nur Getrennt- und Zusammenschreiben Den Mist, keine Unterscheidung mehr zu machen zwischen auseinandersetzen und auseinander setzen, frei/halten, zusammen/fallen und so weiter. Ich habe in Heidelberg Liebe genossen oder liebe Genossen. Wie wichtig Groß- und Kleinschreibung ist!
   Es gab aber auch positive Veränderungen, die ich gerne annehme: Nummerieren also mit zweimal M – zu meiner Erleichterung (ehrlich!) nicht beim Eimer! Unrecht muß weiter bestraft werden, jawohl!  In bezug auf und mit Bezug auf – beides nun groß (ach schau da – kein Doppel-S: bei mir ohnehin nicht!). Es lebe unser ß! Im Grunde genommen „Scheiß drauf“  oder auch scheiß drauf! (Aufforderung zur Aufsässigkeit). Fetttriefend, Gräuel – das war und ist sinnvoll. Als und wie zu unterscheiden, derselbe und der gleiche – gut.
   Das hat alles Sinn – und nicht MACHT Sinn – dazu demnächst mehr (danke, Sebastian – aber dieser Blödsinn setzt sich durch; wir werden verlieren, gegen die Amerikanismen ist kein Kraut gewachsen, vor allem kein deutscher Kraut). Diese wortwörtlichen Übernahmen von Anglizismen ist eine Pest. Man schaue sich nur mal im Bahnhof um – wo sind wir eigentlich?
   Demnächst werden wir wohl auch die Umlaute streichen, bei ae, oe und ue hat ja schon eine schleichende Unterwanderung begonnen, in der internationalen Maschinerie gehen wir da eh unter. Käme eigentlich je ein Franzose auch nur auf die Idee, seine Akzente zu opfern?
   Ach ja, bei uns „in deutsche Land“ heißt es dann ganz schnell ….
Das erkläre ich nun mit einem schönen erlebten Witz eigener Hausmarke. Ich schicke voraus, wir hatten einen Kater, pechschwarz – nur auf der Nase einen weißen Strich, total niedlich. So nannten wir ihn auch NASI. Eine unserer polnischen Freundinnen kam uns besuchen; der Kater stiefelte auf sie zu und sie rief ganz verzückt:
„Der Nazi!!! Ja, Nazi – da bist Du ja, ach Du süßer kleiner NAZI!!!!“
Tja, manches vergeht nie. Jedenfalls sind die polnisch-deutschen Kontakte deutlich verbessert, finde ich.

1 Kommentar:

  1. Ach, wieder so schön geschrieben und mir aus dem Herzen sprechend. Der Irrsinn der neuen Reform an die ich mich teilweise auch nicht gewöhnen bzw. umerziehen lassen möchte.

    Im Zeitalters des Internets kommt es irgendwann vielleicht doch das nur noch klein geschrieben wird. Hoffentlich aber nie dieser Groß-und Kleinbuchstaben-Mix.

    Finde es übrigens schön dass du schon bald wieder hier bist....klasse für Bine und zudem klasse für mich...



    ...dann brauch ich mich nicht so strecken wenn ich winke *lacht*


    Liebe Grüssle

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Danke! ;)