Lisa S.
Nun war mein
Bestseller auch in den USA angekommen; ich genoß diesen Ruhm und saß, wie jeden
Tag, morgens für zwei Stunden in der Bar Parada in Fuencaliente. Die
Kaffee-Haus-Tradition, ich hatte sie für mich auf meine Insel mitgebracht; hier
saß ich noch relativ unbehelligt, notierte, grübelte, beobachtete. Die Palmeros
kamen für ihren Cortado und ein paar Tapas vorbei, die Wandergruppen machten
Halt, um die wundervollen Almendrados (Mandelplätzchen aus eigener Herstellung)
zum empfohlenen Cafe con Leche zu genießen – und so fiel an diesem Morgen mein
Blick aus dem Fenster auf einen Rover mit einem Wohnanhänger, deutsches
Kennzeichen, der gegenüber auf den Randstreifen zirkelte. Das Kamerateam hatte
ich zuvor schon gesehen und dann kam es mir auch schon bekannt vor: Man filmte
Kai Pflaume, der hier jemandem eine Videobotschaft überbrachte – toll, das
mußte ich sehen!
Und zu allem Glück kamen sie zu uns in das
alt erhaltene Ambiente, fragten den jungen Wirt mit der dunklen Brille und die
verwirrt aufgekratzte kurzhaarige Frau am Tresen – und diese zeigten auf mich
in der Fensterecke. Ich hatte gar keine Zeit lange zu überlegen, unter
vorgehaltenem Licht mit begleitender Kamera kamen sie zielstrebig auf mich zu.
Kai steuerte direkt mit großem Mikro meinen mit Manuskripten belegten Tisch an;
er wollte - zu mir!
Ich kam in diesen Sekunden gar nicht zum
Nachdenken, was? wie? von wem? ich? versteh ich nicht! Ich beantwortete
irritiert die Fragen nach meinem Namen, ob ich der Autor sei, ob er Platz
nehmen dürfe, er habe eine Videobotschaft für mich. Von wem, wolle er noch
nicht sagen, aber informiert sei er von meiner Lebensgefährtin – und es sei
eine reizvolle Aufgabe an ihn herangetragen worden. Ich sollte mal spekulieren,
und ich verfiel auch sogleich auf Witzelei, fragte, ob sich Verona des
Blindgängers Franjo entledigt habe, sich Nadja Uhl um mich bemühe, ob meines internationalen
Erfolges Sophie Morceau, Isabelle Adjani, Sandra Bullock oder Catherine Zeta-Jones
von mir erfahren hätten; ich gebe mich blödsinnig selbstbewußt. Kai sagt, zuletzt habe ich regional nicht
schlecht gelegen, und so komme ich noch mal drauf zurück, ob die Sache mit
Michael Douglas zu wackeln anfange und Madame CZJ nun die Insel wechseln wolle,
also von der Karibik zu den Kanaren – da lenkt mich der Liebesbotschafter auf
meine Inselfrau zurück, und sofort vergehen mir diese Abschweifungen, was habe
ich hier herumzuphantasieren - bleibe
daheim und nähre Dich redlich …das konnte auch gar nicht sein, wie
schwachsinnig war das jetzt vor der Kamera …
Nun eskortieren sie mich aus dem Lokal, wir
schlängeln uns an den verdatterten Palmeros vorbei, treten ins Freie,
Neugierige umringen uns. Wir gehen über die Straße, er läßt sich noch mal
bestätigen, daß doch gelb meine Lieblingsfarbe sei und ich bin und bleibe völlig
verwirrt.
Und dann reden wir noch ein wenig in dem
kleinen Heimkino (die haben wirklich die tagelange Fahrt mit der Fähre und auch
den Transfer von Deutschland durch Frankreich runter ins spanische Cadiz
gemacht! Um zu mir zu kommen!) – nun wird das Rätsel gelöst. Er spielt die
Videobotschaft ein. Und da ist sie,
das gelbe Mädchen mit der Sternfrisur und der weißen Perlenkette, dem roten
Kleidchen der ewigen Jugend, Strahleaugen glubschen mich verlegen an und sie
spricht ein wenig anders; sie ist nicht synchronisiert, dies ist ihre
Originalsprache, und ich verstehe nicht alles. Kai hilft aus, erklärt mir, daß
mich Lisa Simpson bei David Letterman gesehen
habe, daß man in Springfield über mein Buch diskutiere, na gut, weniger der
leicht debile Vater Homer und auch nicht ihr verbiesterter Bruder Bart, aber
ihre Mutter Marge lese sogar Schmatze-Maggie aus meinem Bestseller vor. Lisa
druckst herum - sie möchte mich kennenlernen. Dieser Schritt sei ihr nicht
leicht gefallen.
Da ich völlig überrollt bin, wird eine
Drehpause gemacht und wir besprechen dann das weitere Vorgehen. Ich könne
später antworten, habe den ganzen Tag Zeit, ich solle mir alles für eine Reaktion
durch den Kopf gehen lassen. Mit Sabine sei eine Insel-Tour geplant, das
Kamerateam freue sich schon, er, Kai,
natürlich
auch, man werde den ganzen Tag herumgondeln (Piratenbucht, Strände in Puerto
Naos und Tazacorte, zur Hauptstadt Santa Cruz, das anheimelnde San Andres, das
nahezu verlassene El Tablado; gut, die Zeit reiche nicht für eine Wanderung in
der Caldera de Taburiente oder auf der Vulkanroute, aber meine Partnerin, so
der entzückte Kai, habe sich eifrig angeboten, das malerische La Palma den Fernsehzuschauern
zu offerieren. Die Geschichte mit dem gelben
Mädel, nein, da stehe sie drüber.
Man werde mich anschließend wieder abholen,
ich könne bei den Tieren meiner Lebensgefährtin einhüten, und gespannt seien
alle bis zum Anschlag. Das kann ich mir auch gut vorstellen, ich weiß noch gar
nicht, was ich denken soll …
* * *
Der Tag
verging, ich hatte den schwätzenden Beo Paule mit seiner großen Voliere vors
Haus gerollt, die eigenwillige Katze Mieschka versorgt und war oberhalb des
Atlantiks sonnenbeschienen mit der kleinen kältezittrigen Podenco Hündin Chica
und dem blödelnden Wolfshund Benno zum Mirador del Time gewandert, meinte auch
unten in den Serpentinen das auffallende Mobil kurven zu sehen, schaute auf den
Hafen und hatte letztlich den Brief fertig. Die Tiere … ja auch meine Partnerin
… doch, meine Entscheidung war gereift
und gewissenhaft getroffen.
Nein, einer Ausstrahlung stimmte ich nicht
zu, ich wollte es Lisa S. ersparen. Wegen der Lesbarkeit hatte ich mit Laptop
eine Antwort verfaßt, in Deutsch, sollte sich Springfields Elite (vielleicht
unter Leitung des geschniegelten Ansagers Kent Brockman) daran versuchen.
Liebe, bezaubernde, kluge Lisa,
keiner kann sich seine Familie
aussuchen und jeder muß auch seine Realität annehmen, wie sie sich einem
stellt. Ich habe über uns, uns alle nachgedacht und finde, daß es keine Zukunft
geben kann, geben darf. Du würdest Deinen Arbeitsplatz in Hollywood nicht
verlassen – und ich möchte nicht weg von La Palma.
Du bist eine bezaubernde intelligente
kleine Frau, von ewiger Jugend gesegnet, das Trickleben verlangt Dir viel ab.
Ich weiß nicht, ob eine Beziehung gegen den Jugendschutz verstieße (greift der
auch bei nimmer endender Jugend?),zudem bin ich mit Deinem Springfield und vielen
Einwohnern vertraut - das ist auch nicht
so viel anders in meiner Welt: der fiese
Kernkraftwerkbetreiber Burns mit dem schleimigen Wayton Smithers, der fromme
Klugscheißernachbar Ned Flanders mit seiner sektenähnlichen Familie, der
verschlagene Mo in der Bar mit seinem rülpsenden Dauergast Barny, der dubiose
Clown Krusty mit Tingeltangel-Bob, die gestrenge Lehrerin Frau Krabappel und der
aufrechte und dadurch nervige Rektor Skinner, der Kwik-E-Mart-Betreiber Apu,
der oberkorrupte Polizeibeamte Chief Wiggum und Doktor Monroe. Vom Sehen kenne
ich Euch alle in diesem kleinen Spiegelbild der Welt, und ich hätte bald den
lieben Hund Knecht Ruprecht vergessen – ja, das ist alles sehr reizvoll.
Weniger erbaulich, liebe Lisa, finde
ich Deine Schwärmerei für den aalglatten Troy McClure – gut, der ahnungslose Brillengickel
Milhouse hat es irgendwie auch nicht anders verdient, eine Alternative ist er
sicherlich nicht. Aber was findest Du so begeisterungswürdig an den
horrorharten Trickfilmen mit Itchy & Scratchy – ist das nicht eher die Welt Deines mißratenen Bruderherzens Bart
allein, mußt Du denn da wirklich mit einstimmen? Ich fasse es nicht. Höre auf
Deine Mutter Marge, die Dich unablässig zu warnen nicht müde wird. Wenn auch
der salbadernde Pfaffe Reverend Lovejoy Dir keine Hilfe ist, orientiere
Dich wenigstens an Deiner Mutter!
Und ehrlich gesagt, ich mag mir gar
nicht gerne einen Besuch auf meiner heilen Insel mit Deiner Mischpoke
vorstellen …Wenn ich mir durch den Kopf gehen lasse, wie Dein Vater vergeblich Duff-Bier
zu bestellen versucht, die Donuts vermißt. Auch ohne seine Kumpels Lenny und Carl
sich die Zeit vertreiben muß. Nicht auszudenken, wenn Deine Tanten Patty und
Selma die Insel verqualmen – ach, ich könnte das gar nicht ab, der Ärger wäre
vorprogrammiert. Bart würde unsere Tiere drangsalieren, Eure dusselige Töle
Knecht Ruprecht unsere Katze Mieschka jagen und letztlich unseren Hundis den
letzten Schliff in einer Blödelausbildung verschaffen. Der schlechte Einfluß
wäre allerorten …die Guardia Civil würde oben in La Punta bei uns ein- und
ausgehen, ein schrecklicher Gedanke.
Ich weiß, liebe Lisa, wie Du
schwärmen kannst – als Saxophonspielerin war Dein Traum die Begegnung mit
Bleeding-Gums-Murphy, der hatte den Blues und es rührte Dich. Und das ging auch
an mir nicht spurlos vorüber.
Ich will Dich nicht verletzten, liebe
Lisa, aber jeder sollte dort seinen Mann, pardon, seine Frau stehen, wo er, also
sie, hingehört – nicht alles im Leben drängt nach Erfüllung, wir tun dort
unsere Pflicht, wo wir eingesetzt sind. Du bist ein Mustermädchen, moralisch
untadelig und einwandfrei.
Verzeih mir, Lisa, ich kann unserer
Verbindung kein grünes Licht geben, eine positive Antwort ist mir nicht
möglich. Alles Gute für Dein Leben,
Wolfgang
Ach, die arme Lisa...wie traurig muss sie, nach Übersetzung diese Worte, gewesen sein. ;-)
AntwortenLöschenEine klasse Story GiftZwergMäään, dachte man doch zuerst wirklich an ein Treffen und eine besondere Überraschung. Als ehemalige Simsons-Schauerin wusste ich auch mit den Personen etwas anzufangen, und habe mir bildich dein beschriebenes Szenario vorstellen können^^
Ach, einfach herrlich einen Sonntag Morgen so zu beginnen :-)
Liebe Grüssle und lass es dir gutgehen
Nova
Und was Sabine schon so alles wegstecken mußte, herzzerreißend - Ihr Mädels von heute seid schon eine starke Spezies!
LöschenDie Simpsons habe ich auch nur ein paar Staffeln lang geschaut, man kann nicht alles sehen. Die zum Teil schwierigen Namen entnahm ich einem Taschenbuch, verfaßt von Philosophie-Professoren, die die in gelb gespiegelte Welt messerscharf auf ihre geistig hochtrabende Art analysieren - absolut köstliche Unterhaltung.
Schönen Sonntag und danke für die freundliche Zuschrift, Wolfgang