Black
lives matter – aber hallo!
(„Schwarzsehen“
im Wandel der Zeit)
Vorausschicken
will ich dies: Meine Oma, ich erwähnte an dieser Stelle schon häufig
die für mich große Philosophin Martha Becher, murmelte vor ihrem
Fernsehgerät bei jeder passenden, sich bietenden Gelegenheit: „Ach,
die armen Neger.“ Ihre
Stimme kippte – sie war herzberührt – aber bitte, wir sind zwei
Generationen weiter, das ist heute nicht mehr politisch korrekt, auch
ich lerne dazu (wenn ich auch eidesstattlich versichern könnte, es
lag keine Hochnäsigkeit, keine Verachtung, kein zu vermutender
Rassismus in diesem aufrichtigen Bedauern – es war grundehrlich,
das garantiere ich). Gut, das will heutzutage keiner hören, schon
klar.
Vorhin,
es ist vierzehn Uhr, ich habe eine kleine deutsche Rentner-Siesta
eingelegt – sehe ich gegenüber einen schwarzen
Paketzusteller. Die Nachbarn sind jetzt mit dem Hund unterwegs, woher
soll er das wissen, also signalisiere ich ihm am Fenster, zu mir
herüber damit. Ich latsche die Treppe hinab, räuspere mich, denn
ich weiß, bei diesem dunkelhäutigen Boten muß ich das gute
Deutschland präsentieren, also reiße ich die Tür auf, recke die
Faust in die Luft und brülle: „Black lives matter!!!“ Er ist
derart zurückgezuckt, daß er an mein Auto vor der Haustür mit
seinem Rücken anschlägt. Die legendären Augäpfel ziehen sich
allmählich bei ihm wieder zurück, und das Päckchen - es wirkte
einen Moment, als wolle er damit jonglieren - aber jetzt hat er auch
dieses wieder fest im Griff.
„Ja,
also…äh – yes, alles klar.“ Er zückt nach Handhabung seines
Kontroll-Gerätchens die eine Hand auch freundlich in die Höhe,
lächelt erleichtert, legt mir die Postsendung wegen Corona auf die
Schwelle, mustert mich, zum Gehen gewandt, unablässig. Also muß ich
noch einen draufsetzen: „Welcome in Germany.“
„Ja,
also…äh – danke, thank you.“
Mit
„Have a nice day, my friend!“ lasse ich ihn dann auch schon
ziehen.
„Ich
bin aber auch Deutscher, also, äh…“ sagt er noch zu mir betont
freundlich lächelnd – und ich tappe nicht in die Falle, von wegen,
klar doch, mag sein,
aber Ihre Eltern, die Familie und so, wo kommen die denn wohl
her…nein, das
wird nicht gerne gehört, weiß ich aus aktuellen Interviews mit
Menschen, die erkennbar einen Migrationshintergrund haben.
Ich
behandele ihn ganz normal, ganz einfach wie jeden anderen Deutschen
auch. Ist doch klar.
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