Teutsch, DEUTSCH,
Neudeutsch
(sprachliche Wirrnis,
ein Faß ohne Boden)
Daß ich mich
in diesem Gebiet wiederhole, geschieht zwangsläufig, vor allem, wenn es um
Eigenheiten geht, die nicht MEINEM Deutsch entsprechen. Ich darf das – bei mir.
Hier. Aber nun die neueste Nachricht: Auf Dauer kann man sich nicht gegenüber
Allem sperren, lebendige Sprache setzt Veränderbarkeit voraus. Wandel der Zeit
– aber eben nicht grenzenlos, nicht mit mir (z. B. dem wunderschönen deutschen
„ß“ gebührt bei mir genügend Raum, nach wie vor –niemals käme man in anderen
Ländern auch nur auf den Gedanken, die ihnen eigenen Sonderzeichen anzutasten).
Und schon gar nicht nach „Diktatur“ einer vergleichbar ominösen DUDEN-Redaktion, die bei uns seinerzeit
schon beispielsweise zu verklickern probierte, zwischen dasselbe und das Gleiche
bestehe kein Unterschied mehr. Anmaßende Willkür. Von der unsäglichen Reform
will ich gar nicht wieder anfangen. Weitestgehend völlig realitätsfern! Andererseits
hat es sich durch Volkes Kraft eingebürgert (sogar auf professioneller Ebene
vernehme ich es seit geraumer Zeit): dieses vermaledeite ‚Es macht Sinn‘ (kein Kraut ist mehr dagegen
gewachsen, es muß Sinn haben – interessiert kaum noch einen – wir von der
mickrigen Opposition, die erbittert dagegen halten, wir stehen auf verlorenem
Posten. Volksentscheid sozusagen. Es ist sinnlos geworden, dagegen zu Felde zu
ziehen. Es HAT einfach keinen Sinn mehr (ja, das mußte jetzt sein; ein
klägliches, letztes Aufbäumen).
Es gibt fragwürdige Tendenzen im allgemeinen
Sprachgebrauch, nur mal als Beispiele die Verkürzungen und Aufblähungen.
Ersteres diese unsäglichen Tschuldigung,
Tach und besonders schrecklich: sone – gruselig. Kaum noch abzuwenden: Anerkennung! Glückwunsch! Gratulation! Oder
das kreuzdämliche Grüß dich!“ (warum
sollte ich?) Das ist wirklich ein
Spiegel des Zeitgeistes und beweist die grassierende Beschränktheit. Bei Lieb dich! - übrigens eine interessante
Befehlsform (ist aber nicht als Aufforderung, sich dem Eigen-Petting hinzugeben,
aufzufassen) – hier scheint für mich in der Verkürzung eine zweckbestimmte absichernde
Unverbindlichkeit enthalten („Ich?
Wieso? Ich soll dir gesagt haben, ich würde dich lieben?“) - es ist die
Rücktritts-Garantie vorsorglich eingearbeitet! Auf jeden Fall: absolut zeitgemäß,
soviel ist gewiß.
Geschmackssache: die beliebteste aller „rhetorischen
Fragen“ – WIE GEHT’S? (How are you?, Ca va? Qué tal?) – und wie international
üblich – die Antwort interessiert überhaupt nicht, im Gegenteil, Positives wird
unhinterfragt vorausgesetzt, stets zu Gesprächszwecken floskelhaft gekontert
(„Alles Klärchen“ und solches Zeug). Also, ich frage es zumeist nicht, weil es
mich als überzeugten Einzelgänger nicht ernsthaft interessiert – frage ich es
jedoch, dann möchte ich auch wirklich Genaueres wissen – aber es ist und bleibt
ein Kampf gegen Windmühlen. Eine ernsthafte Frage, zur Floskel international
verkommen.
Ich erinnere (wen denn? Ach Dich selber
– dann sag es doch, Mensch!) – das reißt immer mehr ein. Oder: Jemand wird angefragt (sehr
gewöhnungsbedürftig für mich). Das Nachstellen von pur (das ist Aufregung pur)
– der reine Blödsinn, aber beliebt, das muß ich zugestehen. „Mega beliebt“, sozusagen. Na – und erst
die JA-Sager-Seuche, da greift ein Bazillus gnadenlos um sich und erfaßt den
willfährige Laber-Mob (früher, ja früher! sagte das …ja, niemand).
Ausweitungen haben wir als modernen
Sprachballast gerne zur Bekräftigung: Supergau,
vorprogrammieren, Rückantwort, Verständnisfrage, nachfolgen, herbeiprovozieren,
auseinanderdividieren, Okaaay, ja, so ist das…ja, heute. Für mich nicht weit weg vom berühmten WEISSEN SCHIMMEL. Aufblähen
mit diffusen Anhängseln - persönliche Reizbereiche für mich. Trübe, derbe – das ist wie SONE vergleichbar schrecklich. „Sone
Männer kenne ich“, „Das ist aber ganz schön derbe von Dir“ – kann ich nur
bestätigen! SOLCHE MÄNNER, DAS IST DERB. Meine Güte. Alles wohl die sogenannte
„Neu-Sprech“ …SPRECH! (da steht doch schon unverkennbar SPEACH Pate, meine ich).
Haste noch Worte, außer SPRACHE. Leider ja, hat man. Kein Ende in Sicht, bei
der Schöpfung neuer Blödsinnigkeiten.
Mit dem inflationär gebrauchten geil lebe ich schon länger, auch mit cool, ein Hammer – nicht mehr wegzudenken. Nur eine Frage der Zeit, und die
richtigen Schwachmaten-Parolen werden Gemeingebrauch: „Yo Mann, Alter - was geht ab?“ Bäääh. Hier scheiden sich die
Geister, wahrhaftig. Für mich grenzt es an mutwillige Gehör-Verletzung.
Dann der Bereich der Verschleierung – da wird
auf einmal auf FEIN gemacht mittels „Softmacher“, nur nicht raus mit der
Sprache: bildungsfern (für
ungebildet), minderbemittelt (blöd,
und nicht blöde!), fixieren (klingt nicht so fesselnd), adipös (fett), erfrischend originell (unberechenbar bis unheimlich). Ist es sowas
wie „das Beste draus machen, die positive Seite abgewinnen“? Und jetzt gerade
hochaktuell: Steuerneutralität
(Steuern zahlen? Nö!) oder noch besser: Steuervermeider
(kuschelig für den kriminellen Steuerhinterzieher).
Und nun zu
den Schmankerln, „Au-weia-Erlebnisse“ aus den „real existierenden“ NACHRICHTEN
der letzten Tage, also hochaktuell unter
der Woche (wie ich auf „Neudeutsch“ immer
häufiger hören muß):
„Den Namen erinnern Sie noch?“ (für:
Erinnern Sie sich noch an den Namen?)
„Es ist hier
neun Grad kalt“ (laut Meteorologie wäre kühl richtig, da über der Frostgrenze;
ach so, hier im Westerwald völlig daneben, da 9 Grad nur als WARM beschrieben werden können,
eindeutig).
„Der
Ebola-Patient ist in Deutschland verstorben, aber Entwarnung: scheinbar hat
sich niemand angesteckt.“ Das soll eine „Entwarnung“ sein – bei anscheinend wäre ich beruhigt, aber bei
scheinbar … (soviel zur fachlichen Qualität einer zeitgeistigen Journalistin).
„Er macht
nun häufiger Liegestützen.“ Was, verdammt, soll da das N??? (Es ist die Rede
von Liegestützen, aber in der normalen Mehrzahl sind es immer noch DIE
LIEGESTÜTZE!) – Nur bei beugender Abwandlung, zum Beispiel im „Fünften Fall Rolle rückwärts“ das N
bitte! Das „gehört so“.
„Es wird von
einer Millionen Opfern ausgegangen.“ (Und da bin ich noch nicht dabei, rechne
mich aber gerne dazu bei einer so tollkühnen Mehrzahl).
„Er benutzt
seine Krücken, als wären es Beine.“ (DIE
Krücken, also „sie“). Tja, das Mädchen, sie
schaut so traurig drein. Verstehe ich gut. Aber für meinen Geschmack
empfindet es die Volksseele …richtig. Ja wirklich. ES ist traurig.
„Auf den Tag
genau ist es zehn Jahren her.“ (das Jahr, die Jahre – es ist von Jahren die
Rede - die gleiche Chose, aber nicht
dieselbe).
„Ich bin bis
zuletzt im Wahlkampf, anders wie meine Konkurrenten!“ (Lieber Gott, laß diesen Ministerpräsidenten
nicht ins Kultusfach absteigen „als“ andere.
…weil es
einer der wenigen öffentlichen Orte waren …( über eine Bilder-Ausstellung in KULTURZEIT, wirklich wahr!) - der Bundespräsident hat einen
gleichlautenden Klopper IM LAUFE DIESER WOCHE gelandet, bei Live-Antworten, das
kann passieren. Sei es drum, auf ihm wird schon genug herumgehackt). Solange er
nicht lauter Überbrücks-Jas vom Stapel läßt.
„Das Ehepaar
war mit ihrem PKW unterwegs.“ (Mit wessen? Wer ist die Unbekannte?)
„Die Radler
traten heftig in die Pedalen!“ (wohl zuviel Radler intus, wen schert da schon
eine richtige Mehrzahl?)
„Ich sehe
viele Läufer wie er.“ (Ohne Worte) – oder doch: Hier steht IHN wohl neben sich.
„Verona“-Deutsch.
„Der
Polizeipräsident Koblenz meinte es so.“ (Und er heißt nicht Koblenz, ich weiß
es, ich habe mit vier Typen leben müssen, alle hießen anders, aber der Bereich
Koblenz ist Zuständigkeitsbereich geblieben, FÜR den er einzutreten hatte, VON
dem er kam, der Behördenleiter). Liebes Innenministerium: die Behörde ist das
Polizeipräsidium, diese Neubenennung DER POLIZEIPRÄSIDENT (unter Beifügung des
Ortsnamens) – das ist für die Bevölkerung nicht nur irreführend, es ist auch an
sich blödsinnig!
Was mir fehlt, ist eine Ergänzung zu dem Wort
Qualität (hat GÜTE abgelöst, das Wort wankt auch in der
psychologischen Bedeutung). Qualität hat für mich einen positiven Beigeschmack,
denn „die Foltermethoden haben eine ganz
neue Qualität erreicht“ – für mich klingt das schon zynisch, irgendwie abartig.
Und dann seit Jahr und Tag die „Kärcher“-Sprache:
immerzu wird „in die Kassen gespült, unter Hochdruck gearbeitet“. Nervig finde
ich das, öd und abgedroschen.
Aussterben wird das Wort „vermutlich“ – wenn
ich Sportmeldungen vernehme, es gibt nur noch vermeintlich. Das ist beklagenswert. Sie raffen es fast alle nicht,
daß vermeintlich nur irrtümlich angenommen wird.
Immerzu ist alles heute spannend (keine Sau redet
noch von aufregend oder erregend). Interessant ist was anderes. Langweilig,
wenn alles spannend ist. Immer ist alles sogleich waaahnsinnig (und sie haben keinen Schimmer, was sie da sagen). Aus
einem Krankheitsbild wird ein Spaß.
Also, am
besten alles mit Humor ertragen: „Umgangssprache wird ja sehr oft gesprochen,
im Alltag ist sie irgendwie, ja, auf dem Vormarsch, irgendwie – geschrieben sieht das optisch nicht so
prickelnd aus. Von der Emotion her habe ich aber ein gutes Gefühl, okaaay. Ja,
nun bin ich ganz, ja, unter uns.“ Voll krass modern, oder wie? Und wenn ich mich umhöre - keine Unterhaltung
mehr ohne dramatische Ausrufe wie:
Wie geil ist das denn?/ Nicht
wirklich / Mach Dir keinen Kopf / Das geht gaaar nicht …dann lieber Kurzformen wie isso, nix und mach hinne.
Das
vereinnahmt uns alle früher oder später im Rahmen von NEUDEUTSCH, es MACHT SINN
(in Gottes Namen). Und dieses Neudeutsch besteht ja weitgehend aus armseligem
Nachäffen, was man so daherschwätzt. Das ist wie früher die Floskeln: Kein Geringerer als, meine Wenigkeit, die
Seele baumeln lassen, den Traum leben, er läßt es sich nicht nehmen, und so
weiter – nur der Überdruß heilt uns auf Dauer davon. Irgendwann sind diese
Phrasen ausgelutscht und vergehen von allein. Nur früher war es halt …besser. Es
war nicht so platt, es gab noch einen
Hauch von „Anspruch“. Roundabout, das
ist stilvolle Dämlichkeit aus der Manager- und Bonzenwelt (zirka, rund,
ungefähr – es gibt genug Begriffe, aber nein …der Dämlichkeit wird kein Ende
zuteil).
Man muß nicht alles machen, was man kann –
und man muß auch nicht alles mitreden, bloß weil es üblich ist und modern, es
zu sagen.
Und das stimmt mich letztlich hoffnungsfroh.
Ja doch, der Gedanke hat Sinn.
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