Montag, 18. September 2017

Besondere Eigenheiten

Marotten, Macken, Spleene, Ticks
(die kleinen Unterschiede)
Bei Kolumnen gerät man schnell ins Labern, Gedanken frei Schnauze absondern, auch grobe Klarheiten nicht nur für andere locker bekakeln. So geht es mir hier um die Gleichheit der Menschen. Ja, Grundgesetz: Alle Menschen sind gleich – der Gleichheitsgrundsatz – was aber bedeuten soll, daß alle von gleichem Wert sein sollten. Kühnes Ansinnen, aber daß sich alle gleichen, ist eh eine Phantasie. Ich will nun gar nicht mit Fingerabdruck, Iris und was es sonst noch so an individuellen Merkmalen gibt anfangen, es reicht, die einzelne Kreatur zu betrachten: „NiemandIN“ (der mußte nun sein, wie gesagt, Kolumne) gleicht auch nur sich selber (die zwei Hälften des Menschen: absolut nicht symmetrisch). Und das sind ja nur Äußerlichkeiten. Was hier mein Thema sein soll, sind lediglich die inneren „Werte der speziellen Art“.
Vor vielen Jahren hatte ich ein launiges Gespräch mit dem Personalchef, der verbal die Hände über dem Kopf zusammenschlug, was für ein schräger Vogel sein Vater sei: der decke abends immer schon den Tisch für morgens …Teller, Tasse, Besteck – ein Ritual in einem Zeitwert von rund zwanzig Sekunden oder so. Er lachte über seinen alten Herrn; daß er dessen Verstand aber in Zweifel zog, war unüberhörbar.
Ich hörte es mir an, dachte an meinen Vater, der als letztes Familienmitglied zu Bett ging, zuvor aber noch an der Wohnungstür, leise zählend, fünfmal die Klinke runterdrückte und rüttelte, was das Zeug hielt. Meine Mutter fiel mir ein, die auf wenig im Leben bestand, allerdings Wert darauf legte, daß die Küchenuhr, IHRE UHR, stets zehn Minuten vorgestellt zu sein hatte – und da verstand sie keinen Spaß, wenn man auch nur wagte, daran zu rühren ( ihre Begründung war der sie so gnädig erleichternde Moment: „Mein Gott, schon sooo spät – ach nein, sind ja noch zehn Minuten mehr Zeit!“). So lebten wir – und damit lebten wir. Wem schadet das?
Ich kommentierte das vorwurfsvolle Entsetzen des vorgesetzten Beamten nicht weiter, warum auch, gehörte er doch zu denen, die ich auch heute noch im nostalgischen Berufsrückblick allgemein als erträglich bezeichnen kann (und das ist gewiß eine gehobene Kategorie).
Ich erwähnte meine Eltern also in dem Moment nicht, was mit Sicherheit ein beflissener Radfahrer spornstreichs arschkriecherisch getan hätte. Viel naheliegender war für mich ihm klarzumachen, daß ich das prima fand, das mit seinem Herrn Vater – und daß ich es auch so handhabe (was damals, ehrlich zugegeben, noch nicht zutraf). Er erschrak ein wenig, da ihm auch nur der Ansatz zur Einsicht in das befremdliche Verhalten völlig abging. Ich erklärte es ihm: Wenn man ein wenig zur Melancholie neigt, und ich rede hier nicht von Depression, dann ist dies ein momentanes Gefühl der leichten Befriedigung sich zu vergegenwärtigen, es ist schon etwas „vorbereitet“ – man fängt also den Morgen nicht bei NULL an, es ist schon etwas zu sehen, bereits getan. Der alte Herr hat sich selber den Anstoß für den Tag gesichert. Ich rieb ihm nun nicht unter die Nase, daß sein Vater schließlich Witwer sei, ob er daran gedacht habe. In meinen Augen verschaffte sich der gute Mann damit eine kleine Lebenshilfe, eine Krücke.
Natürlich begriff es mein Gegenüber nicht, und so vertieften wir es auch nicht – es ist wie der Streit um Kunst, Geschmack schlechthin – es bringt nichts. ManIN (noch mal so ein kleiner Kick!) fühlt es – oder auch nicht.
Wann ich wirklich begann, abends und seit einigen Jahren sogar in der Nacht, Vorbereitungen für den kommenden Tag zu treffen, weiß ich nicht mehr genau zu sagen – aber es hilft mir: Ich helfe mir also selber. Ich saufe nicht, rauche rein garnichts, ich schlucke auch keine nennenswerten Pillen, aber ich verfüge über meine eigene Lebenszeit nach meinem Gutdünken.
Schön, keine Rechenschaft schuldig zu sein / reine Vernunft offenbaren zu müssen. Der Wert, den auch nur so eine kleine Eigenheit hat, den kann eine außenstehende Person ohnehin nicht nachvollziehen – also. „so what“, wie es so schön neudeutsch heißt.

1 Kommentar:

  1. Jetzt habe ich Tränchen im Auge, denn das hat mich an meinen verstorbenen Daddy erinnernt. Auch er hat es immer gemacht und als ich in D. war wurde es auch weiterhin so gemacht (Frühstückstisch für Mum und mich). Ich selbst bereite ab und zu was vor d.h. am Samstag wenn ich zum Rastro fahre steht schon die Thermoskanne parat, meine kleinen Wasserflaschen sind aufgefüllt...aber das eigentlich weil ich keine Hektik am Morgen mag und es halt schon vorbereitet ist.

    Alles was ein gutes Gefühl macht sollte man machen, gell^^

    Liebe Grüsse

    N☼va

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Danke! ;)