Die
Crux in der Kunst
(hier
am spezielle Beispiel von Literatur und Film)
Nicht
auszudenken, eine Weltgeschichte der Literatur (gilt übrigens auch
für die Welt des Films) – OHNE Schilderung des eigenen Lebens der
Schreibenden – und damit verbunden deren persönliche Umfelder:
Familie, Beruf, eben die sie umgebenden Menschen, gemachten
Erfahrungen und deren Erlebnisse. Da bliebe nicht viel übrig,
glauben Sie mir.
Mir
fällt da soeben Berthold Brecht ein, der sinngemäß verlauten ließ,
für die Familie des Dichters sollten dessen Bücher verboten sein.
Ich hole weiter aus: Dem ganzen Umfeld des Schriftstellers sollte der
Zugang unmöglich gemacht werden, es wäre friedvoller. Es liegt doch
auf der Hand, alle wollen nur zu gerne alles wissen: Aber nichts so
wirklich über sich selber, fühlt sich doch gleich jede und jeder
falsch dargestellt, auch wer nur im Ansatz als Orientierung erkennbar
zu sein scheint (und der Knaller: manche erkennen sich selbst gar
nicht als Vorlage – aber hämisch die anderen drum herum!).
Fast
alle mögen Krimis – keiner würde aber gerne Täter oder gar Opfer
sein. Begeistert in die Töpfe anderer reinschauen, völlig klar, nur
„in mein Dippe aber schaut mir keiner!“ Es ist die Natur des
Menschen, neugierig zu sein, aber gerne die eigene Privatsphäre
weitgehend zu wahren. Es gibt hierzu wunderbare Anekdoten aus der
Literaturgeschichte (z.B. Thomas Mann am Krankenbett von Gerhart
Hauptmann, der sich später im Werk seines Nobelpreis-Nachfolgers
wiedererkannte, sich unvorteilhaft geschildert empfand und es diesem
bis ans Ende seiner Tage verübelte). Köstlich, noch in den höchsten
Regionen der Literatur diese Eitelkeiten! Niemand ist also frei
davon.
Ach,
Hand aufs Herz: Nahezu jeder Mensch sieht sich im Grunde gerne gut
wahrgenommen, doch bitte überaus positiv – möglichst im eigenen
Sinne.
Was
hierbei nicht bedacht wird, ist die nüchterne Erkenntnis, daß es
stets nur DIE EINE Wahrheit ist. Es gibt mehrere – nämlich so
viele, wie es Sichtweisen gibt. Und da rede ich noch nicht einmal von
künstlerischer Freiheit, vom Verfremden, von Phantasie, oder einfach
nur dem Hinzufügen oder Weglassen.
Es
ist wie bei einem Unfall mit den Zeugenaussagen: Jeder hat es anders
wahrgenommen, stellt Details anders dar, meint sich an etwas mehr zu
erinnern oder weiß von irgendetwas nichts – gezielt oder unbewußt
auslassend.
Nehmen
Sie eine einfache Liebesbeziehung zwischen ZWEI MENSCHEN (an dieser
Stelle bitte beachten: mein Bemühen, gendergerecht zu formulieren -
irgendeine Spitze muß schon sein) – an die gemeinsame Liebe ist
viel an beiden subjektiven Erinnerungen deckungsgleich, aber hören
Sie mal beide Seiten, wenn es den Bach runtergeht…objektiv geht mit
Sicherheit gar nichts!
Reine
Phantasie ist kaum machbar. Immer wird alles irgendwie und durch
irgendwas beeinflußt (nicht nur im Zeitgeschehen, dies gilt auch für
das Genre mit utopischen und weltfernen Irrealitäten). Denn der
Mensch, der schöpferisch tätig ist, kocht letzten Endes auch nur
mit Wasser. Aber irgendwo muß er es auch herholen. Niemand wird von
Luftsuppe satt. /
Nahezu ausschweifend
habe ich mich schon ganz früh hierzu ausgelassen*
Mit
anderen Worten: Für jedes GELUNGENE literarische Erzeugnis (gilt
auch für Filme) wird es Beifall geben, Lobhudelei auf breiter Front
– aber irgendwo in einer Nische… wird geschmollt. IMMER! Und mit
diesem Risiko leben AutorINNen (ich habe es wieder getan) wie
Filmschaffende. Und nun sage noch einer, es sei kein gefährlicher
Beruf!
*Über das Schreiben, die
Literatur und das Menschsein, Essays und Dissertation
(1969 - 1974)
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