It’s only
Beamtendasein
but I like it
Über Nacht war der Erfolg da: Von Null auf Nummer Eins war unser Amt als Komet des Jahres in den Charts der beliebtesten Behörden geschossen! Nicht von ungefähr kam dies, denn der neue Gebührenbescheid war der totale Renner.
Am Morgen ging es schon los. Als wir zum Dienst kamen, hechelten Menschentrauben lechzend an unseren Windschutzscheiben. Der Hausmeister hatte bereits eine Sicherungseinheit der Polizei angefordert, da er alleine nicht mehr den Andrang der überdrehten Masse zurückhalten konnte.
Als das Amt geöffnet wurde, ging es zu wie beim Schlußverkauf, alle außer Rand und Band. Sie wollten uns Live sehen, wir wären der Top-Act, der Headliner, die absoluten Chartbusters.
Aber natürlich war dieser Erfolg nicht dem Zufall überlassen worden. Wir hatten genau studiert, worauf die Kids standen, unser Outfit stand und es gab keine unkalkulierten Auskünfte und Abgabenachrichten mehr: Es saß alles nach Maß! Bei einigen der höheren Beamten waren in den Vorgärten schon Fans gesichtet worden, doch man war sich einig, alles nur auf Behördenebene zu vollziehen – Privatleben sollte außen vor bleiben. Dennoch kam es in den Mittagspausen hin und wieder zu dem leicht verunsichernden Effekt: „Da, das ist doch der Oberinspektor, nein, der Hauptsekretär, äh nein, Moment, den kenne ich wirklich, ja, das ist Regierungsrat Pustelos!“ Dann setzte das Hinterhergeflitze ein, durch Kaufhäuser, an den angesteuerten Imbißbuden vorbei und mitten durch die Parkanlagen.
In einer Mittagspause hatte sich ein Groupie in meinen Aktenrollschrank einschließen lassen. Als ich erschöpft in meinem Büro ankam, Krawatte, Socken und Manschettenknöpfe als Souvenirs mehr oder weniger freiwillig in der fleddernden Meute am Portal des Amtsgebäudes zurückgelassen, traf mich der Schlag: Das quirlige Geschöpf wollte ein ganz persönliches Stündchen mit mir verleben und wünschte sich ein Autogramm – mit Dienstsiegel auf die Backen ihres Allerwertesten. Dafür hatte sie schon die notwendigen Vorkehrungen getroffen …
Irre vor Begeisterung, mich wirklich und leibhaftig vor sich stehen zu sehen, stammelte sie, daß sie meine Verwaltungsakte besonders schätze, gerade der Abhilfebescheid habe es ihr angetan – keiner würde so erotisch stimulierende Formulierungen wie zuständigkeitshalber und ordnungsgemäß wie ich in den Amtsschreiben unterbringen. Der neue Gebührenbescheid sei einfach super, der schlage alles bisher Dagewesene, was sich Behörden sonst so leisten.
Als ich dann noch meinen Kugelschreiber und eine Handvoll Büroklammern mit auf den Weg gab, verabschiedete sie sich stotternd und mit rotglühenden Wangen: „Daß ich Sie …Sie …Sie so direkt, so unmittelbar, so Auge in Auge, also so vor mir sehen und anfassen, richtig live erleben durfte, das muß ich sofort meinen Freundinnen erzählen!“ Jauchzend lief sie zum Aufzug und drückte dem Amtsboten, der ihr schreckensstarr im Flur begegnete, einen sich rot abzeichnenden Kuß auf die Wange.
Jetzt trage ich mich mit dem Gedanken an eine Solo-Karriere, vielleicht als Rechnungsprüfer?
An diesem Abend mußten wir noch zweimal zurück ins Amt und uns am Fenster zeigen, jedesmal ein Aufschrei, ein ohrenbetäubendes Kreischen! Der Applaus, der Ausnahmezustand in der Einfahrt zur Behörde, das Skandieren von „Su-per-amt, Su-per-amt!“ wollte nicht enden.
Wir hatten es geschafft. Doch der Kampf ist brutal, die Konkurrenz schläft nicht. Das Polizeiamt plant eine Verordnung nie gekannten Ausmaßes, das Ministerium fühlt sich mißverstanden, denn ohne dessen Verwaltungs-vorschriften und Erlasse wäre es nie zu diesem Erfolg gekommen! Sie alle wollen künftig genannt werden. Der nächste Bescheid wird mit drei Seiten Auflistung von Namen und Dienstgraden ergänzt, die alle irgendwo direkt oder indirekt daran mitgewirkt haben, ähnlich dem Abspann bei Filmen. So ist das mit dem Kuchen, alle wollen sich ihr Stückchen davon abschneiden.
Eine Tournee durch alle Bundesländer –einschließlich Westberlin- ist geplant, der Innenminister will uns persönlich managen und holt somit den Veranstaltungsmogulen den Wecker aus der Tasche.
It’s only Beamtendasein – but I like it!
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