Mein BEAT-Problem
In Betzdorf/Sieg bin ich aufgewachsen, ja ehrlich, wahrlich nicht gerade die Metropole zwischen Westerwald und Siegerland, und schon gerade nicht 1967, wohin ich nun zurückschauen werde. Ich war im 16. Lebensjahr – und in Betzdorf weitgehend verloren. Für die Jugend gab es einmal im Jahr das sogenannte Hotte-Bette-Hü-Fest in der Wolfer Halle (Wolf Gartengeräte, kennen Sie doch), ein Beat-Karneval-Nachmittag mit den örtlichen Beatbands. Und da es in der Kleinstadt noch keine Stadthalle gab, fand ab und an im Kolpinghaus ein Beat-Schwoof statt, mit der Band Selection: Gymnasiasten luden zu aktuellen Rhythmen ein. Das war dann die Gelegenheit, einmal ein Mädchen berühren zu können, bei den langsamen Titeln. Ich verpaßte unbeirrt diese Gelegenheit, einmal nachzufassen, was ich so beim Friseur und im Wartezimmer des Arztes in der Neuen Revue unter schwarzen Balken mysteriös aber naseverlängernd angedeutet bekam. Entschädigt war ich durch eine andere Leidenschaft: das Schlagzeug. Und was der Drummer da so zu einem brachial aber gekonnten Wipe-Out zusammentrommelte, das berührte mein Herz erheblich – ein Drum-Solo, das mir den Atem verschlug. Da hielt ich die Luft an, wenn Baß, Rhythmusklampfe, Leadguitar und Orgel aussetzten, die Typen die Instrumente zurückließen und den Drummer über 10 Minuten alleinließen - und ich vergaß das Atmen: Schlagzeug, das war’s!
Daheim installierte ich mein Omo-Schlagzeug, benannt nach den praktischen Kartonkübeln, als Trommel geradezu prädestiniert und auch schon so genannt. Hinzu kamen Kuchenbleche, eines mit einem Schlüsselbund belegt, des Snare-Effektes wegen, zu Füßen ein zur Seite gelegter Zinkbottich – das mit dem Fußpedal aus dem Trix-Kasten zusammengeschraubt, klappte gar nicht – so trat ich kurzerhand direkt ins Blech. Und da die schmalen Pinsel aus Vater’s Werkzeugkisten nicht so recht vibrieren wollten, mußte um so zügiger zu den vorhandenen Singles geklöppelt werden. Direkt nach der Schule ins Zimmer, Black is Black, With a girl like you, Early Bird , Summer in the city und Hanky Panky aufgelegt – meine ersten Singles vom letzten Geburtstag Oktober 1966, dann kamen neu hinzu: Stones, Hollies und Equals - und die Nachbarin! Wir wohnten schließlich zur Miete. Die melancholische Frau aus der Wohnung über uns bat, doch wenigstens den Lärm ( LÄRM! )bis 14 Uhr zu zügeln. Meine Mutter versprach es, ich wartete, und wartete und ... 14 Uhr! Feuer frei, das Hausinferno setzte ein. Ich mußte ja schließlich auch noch die MUSIK hören können, von manchen als solche nicht benannt, jedenfalls war es halt ein weniger lauter gestellt. Für meine Eltern kein Problem, eher für den pingeligen Direktor im Ruhestand – aus dem Haus gegenüber. Die Bravo-Bilder an der Wand erklärte er, bei einem Neugier-Hausbesuch, als Strohfeuer, vor meinen Ohren zu meiner Mutter überheblich geäußert. Wäre er nun nicht schon seit weit über dreißig Jahren tot, ich könnte ihm mehr erzählen ...
Bei den öffentlichen Beat-Schwoofs fielen Worte wie toll, irre, stark „schau“ und vor allem: eine Wucht. Und das sagte ich vom Schlagzeuger immer.
Und dann im Sommer das Schützenfest, mit dem nervigen traditionellem Feine-Pinkel-Umzug der Kleinstadt Honoratioren – jedenfalls der Beat-Nachmittag war im Festzelt das Sommerziel schlechthin. Und 1967 spielte, laut Plakat, eben eine mir nicht bekannte regionale Band. Den Namen habe ich vergessen. Ich war schon beim Aufbau zur Stelle, wie ein klapperiger VW-Bus entladen wurde, Boxen, Verstärker, Kabel und Instrumente reingeschafft wurden, sogar Mädchen packten an, dann wurde alles lautstark angeschlossen, es quietschte, dröhnte, ein One-Two setzte unermüdlich ein, Tonfetzen vibrierten in der Luft. Das Schlagzeug kam, ein Mädchen trug die Trommeln hinein, die Helfer (die noch gar nicht wußten, dass sie Roadies hießen), befestigten die Ständer mittels eingeschlagener Nägel im Holzpodest – gegen selbständiges Fortmarschieren. Und dann wurde das Schlagzeug eingerichtet, will sagen eingespielt – ein Mädchen saß an den Drums! DAS Mädchen!
Und nun blieb mir doppelt die Luft weg, das war ja unerhört, ja geht das denn überhaupt – toll, irre ...schau – und als die komplette Schießbude stand und alle Abstände passend justiert waren, drosch sie sich ein. Mein armes Herz.
Ich hatte nicht mehr das Geld für den Eintritt ( wegen aktueller Singles-Käufe war alles fort, selbst die nun benötigten Zwofuffzig ), aber wegen der flirrenden Sommerhitze war die Plane hinter dem Podium hochgeschlagen. Und um 14 Uhr legten sie los ( wohl wie überall ), 14 Uhr erfolgte Freigabe des geordneten LÄRMpegels. Ich habe den Namen vergessen, nicht aber den Anblick der Band – nicht uniformiert, wie so viele in ihren Glitzerjacken und Paillettenhosen – diese hier zogen sich erst gar nicht um – und sie spielten beherzt drauf los, sie begannen mit meiner neuen Lieblingssingle: I’m a believer – und hängten gleich die schlagzeuglastige B-Seite dran: I’m not your steppin‘ stone. Und wie sie sich einhämmerte, diese brünette Mietze, wie sie das Gesicht von der Anspannung verzog ( ich sah ihr schweißglänzendes Gesicht nur, wenn sie sich seitlich zu meiner Richtung drehte - weil da zwischen uns die Stand-Tom-Tom aufgestellt war.
Ich war begeistert, gebannt – und in der Pause, keine Sau achtete mehr auf Armhändchen oder Stempel auf dem Handrücken, glitt ich mit ins schwüle Getümmel. Ich sah die Band von vorne – und ich gelangte seitlich an das Podest und sah SIE mit den anderen zurückkehren. Sie trug keinen BH .... das T-Shirt war feucht, klebte ...und ohne gebändigt zu sein, schickte sie die kecken Zwillinge auf eine rhythmische Reise der Unruhe. Ich war erstarrt, gebannt schaute ich von den Trommel hoch und wieder kurz runter und wieder hinauf, Schlagzeugerin und Schlagzeug ... es war aufregend, atemberaubend ..es war verwirrend und irritierend und ... es war mein Beat-Problem: Ich wußte in aller Irritation nicht mehr, wohin schauen, ein neuer Konflikt war in mein Leben getreten. Ich sah ein gut geführtes Schlagzeug, ich sah, sicherlich mit offenem Mund, dieses freudig erregt hüpfende Doppel ... und es wurde ein Problem, dieses Beat-Problem, ich war so von den Socken ...
In Betzdorf/Sieg bin ich aufgewachsen, ja ehrlich, wahrlich nicht gerade die Metropole zwischen Westerwald und Siegerland, und schon gerade nicht 1967, wohin ich nun zurückschauen werde. Ich war im 16. Lebensjahr – und in Betzdorf weitgehend verloren. Für die Jugend gab es einmal im Jahr das sogenannte Hotte-Bette-Hü-Fest in der Wolfer Halle (Wolf Gartengeräte, kennen Sie doch), ein Beat-Karneval-Nachmittag mit den örtlichen Beatbands. Und da es in der Kleinstadt noch keine Stadthalle gab, fand ab und an im Kolpinghaus ein Beat-Schwoof statt, mit der Band Selection: Gymnasiasten luden zu aktuellen Rhythmen ein. Das war dann die Gelegenheit, einmal ein Mädchen berühren zu können, bei den langsamen Titeln. Ich verpaßte unbeirrt diese Gelegenheit, einmal nachzufassen, was ich so beim Friseur und im Wartezimmer des Arztes in der Neuen Revue unter schwarzen Balken mysteriös aber naseverlängernd angedeutet bekam. Entschädigt war ich durch eine andere Leidenschaft: das Schlagzeug. Und was der Drummer da so zu einem brachial aber gekonnten Wipe-Out zusammentrommelte, das berührte mein Herz erheblich – ein Drum-Solo, das mir den Atem verschlug. Da hielt ich die Luft an, wenn Baß, Rhythmusklampfe, Leadguitar und Orgel aussetzten, die Typen die Instrumente zurückließen und den Drummer über 10 Minuten alleinließen - und ich vergaß das Atmen: Schlagzeug, das war’s!
Daheim installierte ich mein Omo-Schlagzeug, benannt nach den praktischen Kartonkübeln, als Trommel geradezu prädestiniert und auch schon so genannt. Hinzu kamen Kuchenbleche, eines mit einem Schlüsselbund belegt, des Snare-Effektes wegen, zu Füßen ein zur Seite gelegter Zinkbottich – das mit dem Fußpedal aus dem Trix-Kasten zusammengeschraubt, klappte gar nicht – so trat ich kurzerhand direkt ins Blech. Und da die schmalen Pinsel aus Vater’s Werkzeugkisten nicht so recht vibrieren wollten, mußte um so zügiger zu den vorhandenen Singles geklöppelt werden. Direkt nach der Schule ins Zimmer, Black is Black, With a girl like you, Early Bird , Summer in the city und Hanky Panky aufgelegt – meine ersten Singles vom letzten Geburtstag Oktober 1966, dann kamen neu hinzu: Stones, Hollies und Equals - und die Nachbarin! Wir wohnten schließlich zur Miete. Die melancholische Frau aus der Wohnung über uns bat, doch wenigstens den Lärm ( LÄRM! )bis 14 Uhr zu zügeln. Meine Mutter versprach es, ich wartete, und wartete und ... 14 Uhr! Feuer frei, das Hausinferno setzte ein. Ich mußte ja schließlich auch noch die MUSIK hören können, von manchen als solche nicht benannt, jedenfalls war es halt ein weniger lauter gestellt. Für meine Eltern kein Problem, eher für den pingeligen Direktor im Ruhestand – aus dem Haus gegenüber. Die Bravo-Bilder an der Wand erklärte er, bei einem Neugier-Hausbesuch, als Strohfeuer, vor meinen Ohren zu meiner Mutter überheblich geäußert. Wäre er nun nicht schon seit weit über dreißig Jahren tot, ich könnte ihm mehr erzählen ...
Bei den öffentlichen Beat-Schwoofs fielen Worte wie toll, irre, stark „schau“ und vor allem: eine Wucht. Und das sagte ich vom Schlagzeuger immer.
Und dann im Sommer das Schützenfest, mit dem nervigen traditionellem Feine-Pinkel-Umzug der Kleinstadt Honoratioren – jedenfalls der Beat-Nachmittag war im Festzelt das Sommerziel schlechthin. Und 1967 spielte, laut Plakat, eben eine mir nicht bekannte regionale Band. Den Namen habe ich vergessen. Ich war schon beim Aufbau zur Stelle, wie ein klapperiger VW-Bus entladen wurde, Boxen, Verstärker, Kabel und Instrumente reingeschafft wurden, sogar Mädchen packten an, dann wurde alles lautstark angeschlossen, es quietschte, dröhnte, ein One-Two setzte unermüdlich ein, Tonfetzen vibrierten in der Luft. Das Schlagzeug kam, ein Mädchen trug die Trommeln hinein, die Helfer (die noch gar nicht wußten, dass sie Roadies hießen), befestigten die Ständer mittels eingeschlagener Nägel im Holzpodest – gegen selbständiges Fortmarschieren. Und dann wurde das Schlagzeug eingerichtet, will sagen eingespielt – ein Mädchen saß an den Drums! DAS Mädchen!
Und nun blieb mir doppelt die Luft weg, das war ja unerhört, ja geht das denn überhaupt – toll, irre ...schau – und als die komplette Schießbude stand und alle Abstände passend justiert waren, drosch sie sich ein. Mein armes Herz.
Ich hatte nicht mehr das Geld für den Eintritt ( wegen aktueller Singles-Käufe war alles fort, selbst die nun benötigten Zwofuffzig ), aber wegen der flirrenden Sommerhitze war die Plane hinter dem Podium hochgeschlagen. Und um 14 Uhr legten sie los ( wohl wie überall ), 14 Uhr erfolgte Freigabe des geordneten LÄRMpegels. Ich habe den Namen vergessen, nicht aber den Anblick der Band – nicht uniformiert, wie so viele in ihren Glitzerjacken und Paillettenhosen – diese hier zogen sich erst gar nicht um – und sie spielten beherzt drauf los, sie begannen mit meiner neuen Lieblingssingle: I’m a believer – und hängten gleich die schlagzeuglastige B-Seite dran: I’m not your steppin‘ stone. Und wie sie sich einhämmerte, diese brünette Mietze, wie sie das Gesicht von der Anspannung verzog ( ich sah ihr schweißglänzendes Gesicht nur, wenn sie sich seitlich zu meiner Richtung drehte - weil da zwischen uns die Stand-Tom-Tom aufgestellt war.
Ich war begeistert, gebannt – und in der Pause, keine Sau achtete mehr auf Armhändchen oder Stempel auf dem Handrücken, glitt ich mit ins schwüle Getümmel. Ich sah die Band von vorne – und ich gelangte seitlich an das Podest und sah SIE mit den anderen zurückkehren. Sie trug keinen BH .... das T-Shirt war feucht, klebte ...und ohne gebändigt zu sein, schickte sie die kecken Zwillinge auf eine rhythmische Reise der Unruhe. Ich war erstarrt, gebannt schaute ich von den Trommel hoch und wieder kurz runter und wieder hinauf, Schlagzeugerin und Schlagzeug ... es war aufregend, atemberaubend ..es war verwirrend und irritierend und ... es war mein Beat-Problem: Ich wußte in aller Irritation nicht mehr, wohin schauen, ein neuer Konflikt war in mein Leben getreten. Ich sah ein gut geführtes Schlagzeug, ich sah, sicherlich mit offenem Mund, dieses freudig erregt hüpfende Doppel ... und es wurde ein Problem, dieses Beat-Problem, ich war so von den Socken ...
Und genau betrachtet, habe ich das Problem bis heute nicht gelöst.
Das ist natuerlich ein sehr schwerwiegendes Problem, nach all den Jahren immmer noch daran knabbern....
AntwortenLöschenhmmm...
Vielleicht sich doch lieber Schlagzeuger anschauen^^
Herzlichen Dank, liebe Nora (schon viel von Dir bei MEINER Sabine, die auch hier diese ganze Arbeit für mich gemacht hat,gehört u. gelesen - und im übrigen ganz weit über diesen spätpubertären Gedanken steht (ganz schön clever, meine holde Lady); übrigens: Du, o Nora, kannst nun mit Fug und Recht behaupten, bei mir die ERSTE gewesen zu sein (mit einem Kommentar natürlich) - weiterhin viel Lesespaß
AntwortenLöschenherzlichst, Wolfgang
NOVA - nicht Nora, bitte um Entschuldigung
LöschenKein Thema...gibt Schlimmeres ;-)
Löschen....und ha, das hat noch nie ein Mann zu mir gesagt: Du warst die Erste *fg* Das geht runter wie Oel, selbst zu dieser Uhrzeit noch :-)))
Gruessle