Viva La Revolución!
Nachts muß ich schon
mal raus, das war immer so. Also auch hier, auf der Insel. Ich komme vom
Stillen Örtchen, da höre ich: Viva La
Revolución! Ist der Fernseher an?
Kann nicht sein … es kommt aus dem Wintergarten – Chico, der grüne Papagei. Ich
nähere mich, er ist es – er spricht fließend Spanisch, unfaßbar. Ich schleiche
näher, er scheint zu schlafen – aber er redet doch!? Er träumt offenbar. Er
schwätzt immerzu, ganz schnelles Spanisch; gut, daß ich die Sprache so
beherrsche*.
Er redet energisch, Parolen kommen ihm aus
dem kaum bewegten Schnabel. Slogans der Stärke, des Aufstandes, des
Widerstandes! Und immerzu appelliert er Viva
La Revolución! Gespenstisch ist das,
das hat Sabine niemals mit ihm geübt. Überhaupt nur deutsche Brocken, kleine
Formulierungen – und jetzt schwingt er eine aufwieglerische Rede; das kommt aus
keinem Film, ich glaube das gar nicht. Er redet vom Durchhalten, vom letztlich
gewissen Sieg, von der Stärke des Aufstandes, von dem berechtigten Aufbegehren
… er plappert sich befeuert in Rage. Unsere
Zeit ist gekommen, wir erheben uns, wir wachen endlich auf – die Zukunft ist
kunterbunt, ein Ende der Unterjochung ist nah.
Ich
bin fassungslos. Was ist nur los mit dem grünen Vögelchen? Ich kann mich nicht
mehr zurückhalten. „Chico, was ist denn los? Was ist mit Dir?“ Er wacht nicht
auf, aber er antwortet tatsächlich: Mach
Dir keine Gedanken, es geht um Größeres als um Dich. Die wahre Wende ist nah –
unsere Zeit ist gekommen, die Herrschaft der Tiere ist nur noch eine Frage der
Zeit! Hat er den Orwell-Koller, hat er Kästner studiert? Wie kommt das –
und alles auf Spanisch – nun gut, er ist ja auch Spanier. Was für ein Segen, daß
ich alles verstehe. Aber er spricht im Schlaf, unzweifelhaft.
„Geht es Dir hier nicht gut, Greenboy?“ Ganz
naiv kommt es mir über die Lippen. Schon herrscht er mich an. Was quatschst Du da, es gibt Schlimmeres als
Euch: Die Tiertransporte, die Käfighaltung, Großschlächtereien …
Er macht mich betroffen. „Ist Dir der Käfig
nicht gut genug, die Ausflüge mit und zu Sabine, Wohnzimmer-Rundflüge, Schmusen
auf der Schulter…“ –Sabbel nicht so blöde
– es geht nicht um mich, es geht allgemein um das Leben, die Würde der Tiere! Er treibt mich in die Verteidigung. „Was
sollen wir tun, Chico – sollen wir ab sofort keine Hühnchen mehr essen? Weg mit
den Schnitzeln und der Wurst?“ Sei nicht
albern, Tiere essen auch Tiere, das ist Natur. Aber die Menschen übertreiben
alles. Früher, die Indianer, die ehrten noch Bisons, die sie mit allem versorgten,
von denen sie alles verwerteten. Und heute? Was macht Ihr da mit uns? „Wir
lassen Dich morgen frei, Chico, Ehrenwort, es ist vorbei mit Deiner
Gefangenschaft, das werden wir ändern, wirklich!“ Rede doch nicht solchen Blödsinn, Du einfältiges Menschlein – mir geht
es gut … aber UNS muß geholfen werden, und das tun wir selber. Ich halte nur
den Kontakt zu Euch Ahnungslosen, wir integrierten Späher tragen die
Erkenntnisse zusammen. Aber die Zeit des Aufbegehrens ist unweigerlich gekommen
– Viva La Revolución!
Auf einmal redet er nicht mehr, ich würde
eher sagen, er schnarcht ein wenig. Ich wende mich von ihm ab, lege mich wieder
hin, grübele, irgendwann schlafe ich erneut ein.
Der Morgen kommt wie
immer. Chico weckt die Kanarienvögel, die Hunde wecken uns. Das Programm ist
gestartet, alles läuft wie immer. Ich gehe in den Wintergarten, nachdem ich das
vertraute Na du? Lecker-lecker, na komm,
Benno – aus! Willst du was haben? Na mein Chico? Na-a mein Schatz,
Küßchen! gehört habe. Er verstummt,
als ich mich annähere … was soll ich sagen – er sagt ja auch nichts.
Tja....bei der Geschichte fällt mir wieder ein wie gerne ich doch Doctor Dolittle wäre ;-)
AntwortenLöschenliebe Grüssle
Nova