Donnerstag, 23. Oktober 2014

MASKOTTCHEN

Das Maskottchen bin ich


Alle denken, ich sei ein Mann, ein sportlicher Junge, aber ich heiße Nicole. Bei meiner Zweitarbeit, na, eher ein Job, sieht mich niemand wirklich, also nicht mich persönlich – man sieht das samtige bunte Wuschelfell, die Riesenohren, eine knuffige Nase und die üblichen Vier-Finger-Patsche-Pfoten, mit denen ich ständig zu jubilieren habe. Gerade das nimmermüde Herumhüpfen schlaucht – wenn ich nach drei Stunden schweißgebadet aus der Maskerade herauskrieche, dann bin ich rechtschaffen am Boden zerstört. Wieder ein „Event“ abgearbeitet.

   Das angeblich Glück-bringende Stummelschwänzchen ist nicht nur Ziel der Kinder, das ginge ja noch, nein, je besoffener, desto roher der Zugriff der Krakeeler, Ich kann ihnen nicht immer ausweichen, dafür ist meine Maskerade zu groß und ungelenk. Sie finden mich immer, ohne mich zu suchen. Aber schnell rattert es in ihnen, „Da ist ja Wuschel-Dussel!“ - na, dem wird aber rubbeldiekatz das Schwänzchen gehalten!

   Wir kommen dabei oft zusammen zu Fall: Dann werden diese Sich-hervor-Tuer oft ausfallend, manche treten mich. Ich habe große Mühe, wieder auf die großflächigen Taps-Plotschen zu kommen, aber die Übung macht es, vor allem, wenn ich spüre, gleich gibt es wieder Tritte und Watschen gegen meinen Strahle-Grinse-Kopf.  

   Wenn sie dann das Maul laufen lassen, „Drecks- Eierbär“ und sowas rufen, dann geht es noch. Neulich schrieb einer in einem Leserbrief von MasKOTchen, genau so, damit das ganze als Scheiß abgehandelt werden sollte. Auf einmal mußte ich um meinen kläglichen Zuverdienst bangen.

   Aber es gibt auch diese anderen Momente, wenn Frauen gerührt den Kopf seitlich kippen, weil nach längerem Zureden das Kind schließlich doch den Mut aufbringt, mir befangen freundlich die Hand zu reichen. Dann mache ich ein paar hopsende Faxen und viele schauen glücklich. Auch gute Familienväter führen ihre Brut behutsam an mich heran, das gibt es noch trotz allem. Keiner kennt das Innenleben von „Wuschel-Dussel“. Von mir sieht man nur durch ein winziges Fensterchen indirekt einen Ausschnitt der Augenpartie. Leider ist mein Ausblick auch dementsprechend begrenzt. Von hinten werde ich oft erschreckt.

   Bei meiner eigentlichen Arbeit, wenn ich Sportgeräte herausgebe (die Leute haben den entsprechenden Chip von der Kasse in der Hand, ich sehe also, was sie wollen), erkennt mich ja im Grunde genommen auch niemand, dann bin ich ganz offen die wenig attraktive Nicole, die auch hier herum geschubst wird. Damit komme ich dennoch klar. Und das ist auch Routine geworden, ich brauche nämlich nicht zu fragen Womit kann ich dienen, Was darf es sein oder Noch etwas bitte? Und genau das, UND NUR DAS, war mir wichtig. Gold verdiene ich nicht damit. „Nie Kohle“, wie mal ein sogenannter Freund über meinen Namen witzelte.


   Allein der Gedanke, an Tische zu gehen, servil die Wünsche zu erfragen, jedem Drecksack zu Diensten zu stehen, das wäre nicht meine Welt. Ich finde, ich habe das kleinere Übel gewählt. Ich kann nicht klagen. Alle denken, ich sei männlich.

2 Kommentare:

  1. Wie oft habe ich mich gefragt welche Person unter so einem Maskottchen steckt. Gerade wenn ich mich in deren Arm kuschel (*an Disneyland denk*) und ein Foto machen lasse *grins*

    Auch schon Berichte davon gesehen sollte sich wirklich mal jeder Mensch darüber Gedanken machen wie stressig so ein Job ist. Schon alleine die Hitze in den Kostümen und dann dazu noch die Begegnungen die du so wunderbar beschrieben hast. Dabei dann immer schön freundlich sein und nicht mal zurückzwicken wenn man gepiesackt wird, auch eine Leistung die bestimmt nicht immer leicht fällt.

    Wünsche dir einen schönen Tag, ohne solche o.a. Momente (so als Bine Maskottchen-gelle) und sende ganz herzliche Grüsse

    N☼va

    AntwortenLöschen
  2. Da machen sich wohl sehr wenige menschen gedanken,wie "das innenleben" so einer (werbe) figur aussieht. Ich beobachtete mal eine mutter mit ihrem sprößling an der hand, der mehrmals lachend einen "Tiger" trat. Die mutter ließ das ebenso lachend zu .... diesen menschen wünsche ich, daß sie sich auch mal SO präsentieren müssen - eben als jobsuchende, mit allen diesen nebenwirkungen.

    AntwortenLöschen

Danke! ;)