Alle Tage: Alltägliches
II
- Aus meinem Leben als GiftzwergMÄÄN –
26. Juni 2009
Jacko ist tot. Die Trauer um Michael Jackson treibt mich in
die Innenstadt. Ich denke an seine Auftritte, alles geht mir sehr nahe. Ich
renne durch die Geschäftsstraße, und da mir der Moonwalk nicht gelingen will,
greife ich mir fortlaufend in den Schritt und kiekse ohne Ende.
Und doch ein Ende –
eine Polizeistreife stoppt mich, Erregung öffentlichen Ärgernisses, ich habe
mit einer Strafanzeige zu rechnen, unweigerlich.
Ich verstehe das
nicht, die Zeiten haben sich doch geändert. Elvis wurde noch angeprangert,
Elvis The Pelvis, sein Hüftschwung wurde zunächst entrüstet verworfen. Aber
heute? M. J. hat 750 Millionen Tonträger
verkauft, Millionen haben seine konzertanten Bühnendarbietungen verfolgt – das
hat sich doch alles geändert …
Und der Gleichheitsgrundsatz
– ist es nach wie vor nicht dasselbe, wenn zwei das Gleiche tun? Es heißt doch
Gleichheitsgrundsatz, nicht Selbergrundsatz.
Also wirklich,
nichts darf man.
***
Bettina,
pack ein
Ich hatte eine schlechte Nacht. Ich mußte grübeln. Sollte ich
mitmachen? Die Regenbogenpresse siedelt heute, im September 2012, die Ehefrau
eines bekannten Politikers, der vor Kurzem grandios und monetär brillant
gescheitert ist, im Rotlichtmilieu an – Parteibonzen wollten, bevor er gestürzt
wurde, ja noch bevor er überhaupt den Idealposten ergatterte, ihm die
Vergangenheit seiner neuen Frau madig machen. Die Journaille läßt auch jetzt nicht
locker, sie kocht alles auf, sogar ohne Rücksicht auf das bereits vergangene
Sommerloch. Nun wehrt sich die der Vergessenheit anheimzufallen drohende Dame
mit publikumsintensiven Unterlassungsklagen, auch gegen den Schwiegersohn der
Nation, Jauche-Günni. Paukenschlag – ja, also sooo geht es nun wirklich nicht!
Da muß frau nun auch aber mal …
Eine Hand wäscht die
andere – ihr Enthüllungsbuch erscheint doch bald, schon mal ordentlich wirbeln.
Nichts promotet besser als Skandälchen.
Tja, und nun weiß
ich nicht so recht – wenn mir doch auch so eine Klage ins Haus flöge, das würde
den Knoten platzen lassen – dann hätte auch ich es geschafft, über Nacht! Ich
könnte mir alles über die Presse verbitten, mich erstmalig groß präsentieren –
was für eine Möglichkeit …
Ach komm, ich
schaffe es auch ohne kesse Blondine.
***
Neulich im
Supermarkt
Vor mir schiebt eine ältere Dame ihren Einkaufswagen
zielstrebig auf einen Verkäufer zu, der gerade neue Ware in die Regale
verfrachtet.
„Junger Mann, wo
haben Sie denn Ihren Samenständer?“
Verwunderung, kurzes
betretenes Schweigen. Dann schaut er von der Dame zu mir, danach gleitet sein Blick
an seinem Kittel abwärts, er blickt wieder zu mir. Ein kurzes, leichtes
Grinsen, dann sagt er mit todernstem Gesicht zu der alten Lady: „Ja – wie
meinen Sie das denn jetzt?“
Ich pruste los, der
Schelm grinst verschmitzt. Die erwachte Furie greift entschlossen ihren Wagen,
murmelt was unverständlich – aber mit Sicherheit nichts Freundliches – und wir
Kerle wischen uns die Tränen aus den Augen.
Direkt rechts von
uns stand das Regal mit den Sämereien – sie war verbissen daran vorbeigelaufen;
wir haben sie nicht zurückgerufen.
***
Der Ruf
Heute Morgen, auf einmal, war er wieder da – der Ruf. Ich erwachte und erkannte: Es war die
Deutsche Literatur.
Mir ist bewußt, wie
melancholisch sie ist, masochistisch im Grunde genommen, denn wer sich so den
Buchmarkt anschaut, die Bestseller, das, was so besonders gut geht, wer sich
all diese Blähungen reinzieht und auch noch meint, selber mitfurzen zu müssen,
so was muß ja krank machen, daran mußte sie doch leiden, die arme Literatur...
Und nun war sie
wieder einmal bei mir angelangt – und sie rief:
„Steh auf,
giftzwergMÄÄN, tu mir ordentlich weh, komm, mach es!“
Und ich gehorchte.
Ich versetzte ihr erneut einen gehörigen Tiefschlag.
ich liebe deine Kurzgeschichten... muss oft im Wörterbuch nachschlagen aber das ist auch gut :)
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