Ich heiße Wolfgang und
ich bin Sammler
-eine Rechtfertigung-
Eigentlich
wollte ich darüber schreiben, wie es ist, als Morgenmensch zu leben – als
Außenseiter sozusagen, kreativ ausgeruht, taufrisch – aber nicht im Sinne des
aufgekratzten Frühstücksradios, bloß nicht. Ich bin auch anderweitig ein
stolzer Sonderling. Dumme Emanzen (das muß kein Widerspruch sein), behaupten,
Männer sind Jäger, Frauen die Sammlerinnen. Ich kenne so gut wie keine
Sammlerin, mal Schuhe klischeegerecht außen vor, aber soviel ich weiß, sind
Männer Jäger oder Sammler – Frauen
sind eine ganz andere Hausnummer, mit vielen Ks und so, ein anderes großes
Thema.
Sammler sein heißt süchtig sein. Die Anfänge
mit Pilzen, Beeren, Brennmaterial oder Weibern streife ich nur. Die einen leben
sich an Bierdeckeln aus, an Senfgläsern oder Kronenkorken – der Phantasie sind
keine Grenzen gesetzt, man kann eigentlich nahezu alles sammeln. Andere sammeln
auf hochwertigem Niveau – Briefmarken, Münzen beispielsweise, anerkannte Werte,
also umgewandelte Geld- und Kapitalanlagen. Die können ihre Lieblinge aber nur
anschauen (und an den möglichen Zaster denken). Ich kann es bei meinen Schätzen
auch, aber ich kann sie auch noch konsumieren! Ich habe Sammlungen mit
doppeltem Wert. Es geht um Bücher, Platten und Filme (Oberbegriffe). Weite
Felder, sage ich mal (manche spezialisieren sich dieserhalb ob der Fülle, also meinetwegen
Grisham, Beatles, Woody Allen), aber ich natürlich muß wieder an das Große und Ganze, uferlos,
das volle Programm. Na klar.
Wer mein Haus betritt, erstmalig (und der
GiftzwergMÄÄN in mir wird schon unruhig), der staunt und letztlich kommt die
unvermeidliche Frage bei den Büchern: „Die haben Sie alle gelesen?“ Bei den LPs
und CDs „Alle gehört?“ und den Videos und DVDs – na? Richtig: „Hast Du die alle
geschaut???“ – dann bleibt mir nur die HB-Männchen-Explosion: NATÜRLICH NEIN,
GEHT DOCH GAR NICHT – wie auch – MACHEN SIE DOCH MAL IM KOPF EINE ZEITLICHE HOCHRECHNUNG
– SO ALT WIRD DOCH KEINE SAU… aber das sage ich nicht, platze
nicht mit protzigen Zahlen heraus, trotz vorhandenem Besitzerstolz – man sieht
es den großkotzigen Regalwänden ja nicht an, was die so fassen – nur ein
Statiker käme ins Grübeln.
Ich bin über 60 – mit siebzehn habe ich so
richtig angefangen; nie getrunken, nicht geraucht, kein Geld unnötig für Mädels
ausgegeben – aber gehortet ohne Ende. Ich weiß heute noch meine ersten Platten
zu benennen, wie glückselig ich am sechzehnten Geburtstag die ersten
Beat-Singles erhielt, bin untrennbar mit Titeln und Interpreten verbandelt, auf
ewig. Die erste LP im Konsum, Beat in Germany, 10 Mark – und 1967 die erste
reguläre LP – Images – von den für
mich bis heute unsterblich gebliebenen WALKER BROTHERS. Mein Vater drehte am
Rad, als er erfuhr, daß ich von den zwanzig Mark Taschengeld diese Scheibe für
achtzehn gekauft hatte. Er hat es zeit seines Lebens nicht gerafft, der
Blödmann (ich glaube, er sammelte Langeweile).
Ich weiß
noch, was ich wo aus Angebotskisten gefischt habe … in Siegen die Grabbelkisten
mit aus Musikboxen rückläufigen Scheiben, Singles für fünfzig Pfennige …Und ach,
ich komme ins Schwärmen, unzählige Anekdoten kann ich damit speisen. Ich kam
heim, ging um das Haus herum, legte die für die Schultasche sperrige
Langspielplatte auf dem Balkon ab, betrat sozusagen unbewaffnet die
Mietwohnung, pubertärgerecht lieblos an Muttern vorbei, geradewegs durch zu
meinem Zimmer – Anlage an (ob ich
dachte, das Mütterlein könnte den Lärm nicht differenzieren, weil dauernd neues
aufgelegt wurde, auf den kleinen Plattenspieler, der am großen Holzradio
angeschlossen war?).
Mitunter die Begegnung, mit der lange gesuchten
Scheibe Auge in Auge (ich vernachlässige jetzt mal Bücher und Filme – Platten,
das gibt mehr her). Ich hatte Bundeswehr-Kumpels zu mir in die Kleinwohnung in
Kesselheim eingeladen, mit geschwellter Brust den prall gefüllten Schrank
geöffnet, dann meine joviale Frage nach
Hörwunsch – und es wurden gewünscht: Nights
in white satin beziehungsweise Lady
in black …..als Sampler-Sammler hatte ich noch keine Zusammenstellung von
Moody Blues und auch nicht von Uriah Heep – 1972 gab es die noch nicht: Und der
eine sprach dann den schicksalsschweren Satz: „Was hast Du überhaupt?“ Einer
der Momente, die ein Leben prägen können – das sollte mir nie mehr jemand sagen!
Später in Koblenz wußte ich, wann der
Handelshof 5-Mark-LPs hatte, Pressungen aus Israel oder Portugal; mit vielen
Verkäufern war ich dicke, da kam so mancher Tipp (das ging damals noch) – aus
dem Büro für eine Stunde abgemeldet, mit den anderen Besessenen Füße scharrend
auf die Öffnung um neun Uhr gewartet – und einem Schlußverkauf gemäß zum Ziel
gebrettert – gleich mehrere von einem Exemplar gegriffen, und schon vor dem käuflichen
Erwerb getauscht mit den anderen Irren, immer die gleiche Truppe da!
Zweifelsfälle versteckt (Stones unter Heino und so, Sie verstehen – da würde
der normale Fan niemals hinfassen) … ach selige Zeiten, dahin, dahin.
Wenn Kollegen fragten, weil ich mittags
stets mit einer Plattentüte anzutreffen war, sagte ich verlegen, oooch, gegen
Traurigkeit. Selbst der Weltrekordhalter der Melancholie könnte dies nicht
rechtfertigen.
Aber ich wollte doch bekennen und nicht aus
dem Nähkästchen plaudern. Die Probleme fingen an (nun mal kurz zum Film) – daß
ich jedes Jahr, wenn im Fernsehen High
Noon oder an Silvester Dinner for one ausgestrahlt wurde, dies
sehen mußte – bis zum nächsten Mal war es dann länger hin, beim
unvergleichlichen Freddie Frinton garantiert
genau ein Jahr. Ich zeichnete per Video auf (später Kauf der DVD) – und von da
an entfiel dieser Zwang – die ständige Verfügbarkeit war gegeben – ich schaute
es mitunter jahrelang nicht – den Western schon zig Jahre nicht mehr!!! – denn ich
könnte das ja jederzeit … es hatte
sich so eine Art Ausschlußverfahren entwickelt. Eine kleine Befreiung von dem
einen Zwang – und führte ohne Umschweife zu einem neuen unseligen, real
existierenden Malheur.
Die Crux ist, daß sich da etwas
einschleicht, was man irgendwie nicht mehr beherrschen kann, das ergibt sich so
– es ist kein Alles-Haben-Müssen, aber doch möglichst viel! EIN STREBEN NACH
VOLLKOMMENHEIT, das kommt schon nah. Ich hab‘ sie nicht alle? Stimmt – aber ich
arbeite dran. Sisyphos des Konsums, immerwährendes Hinterhertapern,
aussichtslos.
Ständig
Neuauflagen mit Bonustracks, Ausheben von Schätzen aus Studioarchiven – uns
Sammlern wird es nicht leicht gemacht. Da ist dieses penetrante Bemühen, irgendwie
hinterherzukommen. Eine Illusion, das ist auch mir klar. Auf Flohmärkten das
Stöbern anhand von Suchkladden nach Verschollenem und Unbestellbarem…
Und auf die
Frage, ob ich Diese oder Jenen kenne mit einem zackigen „Habbich“
antworten, ein schönes Gefühl.
Zufriedenheit und ein Hauch Glückseligkeit. Irre? Ist noch gar nichts …
Aber darum geht es letztlich nicht. Schön, wenn Teile Seltenheitswert haben,
nun über hundert Euro wert sind laut einschlägiger Kataloge – von mir aus
gerne.
Die Kernfragen lauten – wo lasse ich alles,
wie konsumiere ich das? Es sind die schönsten Sorgen und Probleme dieses meines
Lebens! Glauben Sie mir – es ist schlicht und ergreifend wundervoll (und mit
dem Wort geize ich für gewöhnlich).
Was ich nicht mag: Herunterladen - gräßlich!
Eine Sammlung, verborgen in einen STICK –unfaßbar lieblos. Pfui Teufel. Der
Wandel von optisch schöner LP zur schnöden CD war schon ein harter Brocken,
letztlich aber unumgänglich. Die Klangfrage – ein unlösbarer Geschmacksstreit.
Der Gedanke an die Vererbung schleicht sich
ein – nach mir die Sintflut, könnte man sagen, aber es ist ein richtiger Wert –
wer hier Stück für Stück verscherbeln würde, hätte eine lebenslange Absicherung
und Arbeit – Hand drauf. Das sollte mir dann auch egal sein – aber, wie gesagt,
nur über meine Leiche.
Vorerst gehe ich in den Großmärkten der
Städte ein und aus, fische nach den Angeboten. Ich vermisse
die selten gewordenen Liebhaberläden. Beschaffung über Internet – wie sagt man
heute: GEHT GAR NICHT. Wenn sich auch die Zeit gewandelt hat, ich stöbere
liebend gerne persönlich nach Raritäten (was ich gemäß immerwährender
Suchlisten an Büchern, Filmen und CDs suche – nicht des allgemeinen Wertes
wegen, sondern meinem ideellen Gutdünken entsprechend) – und erfreue mich an
dem immer wieder stattfindenden Ach
endlich – da bist Du ja!
Kommen Sie, staunen Sie – hier helfe ich mir
selber.
Ha....da haben wir was gemeinsam. Auch wenn ich so einiges am Rechner mache...aber runterladen...neee. Ich muss auch noch was in der Hand halten, ne CD (wobei ich auch noch einen Plattenspieler zbd Schallplatten besitze) in den Player einlegen oder auch ein Buch in die Hand nehmen. Besitze kein Kindle, und noch weigere ich mich auch. Mein Bücherregal ist auch im Laufe der Jahre gewachsen ohne Ende, so möchte ich aber auch auf Keines verzichten. Ich kann mich da nicht von trennen.
AntwortenLöschenIch finde das gut, behalte es dir bei, einen Tick muss der Mensch ja haben ;-)
Liebe Abendgrüssle